Zur Differenz zwischen Zielen bibliothekarischer Angebote und dem Bewerten derselben

Öffentliche Bibliotheken sind erstaunlicherweise wenig gut in der Lage, zu zeigen, wie ihre Angebote wirken, also vor allem, welche Veränderungen sie bei ihren Nutzer*innen hervorrufen. Sicherlich sollen gar nicht alle Angebote Veränderungen herbeiführen, beispielsweise sollen Medien aus der Bibliothek auch einfach dafür benutzt werden, um aus Spass an der Freude, aus Jux und Dollerei gelesen zu werden. Aber eine ganze Anzahl von Angeboten zielt zumindest diskursiv darauf, etwas zu verändern: Leseförderung soll die Begeisterung für das Lesen, die Regelmässigkeit des Lesens, den Aufbau von Lesekompetenz und so weiter fördern. Andere Angebote beispielsweise demokratisches Handeln oder den kritischen Umgang mit Fake-News. Bibliotheken sollen auch «mehr und mehr» Teil des Stadtraumes werden oder soziale Orte. Diese Aufzählung lässt sich ergänzen.

Und all dieses «Fördern», «mehr und mehr», «verstärkt» impliziert, dass es jeweils Veränderungen gibt. Menschen nehmen an Demokratieworkshops teil und können nachher demokratischer argumentieren und Dinge aushandeln. Kinder und Jugendliche durchlaufen Leseförderprogramme einer Bibliothek und haben nachher mehr Lesekompetenz als vorher. Oder sie haben mehr Spass am Lesen als vor dem Programm. So ungefähr.

Die Praxis sieht aber so aus, dass es immer wieder eine erstaunliche Differenz zwischen den angegebenen oder zu vermutenden Zielen von bibliothekarischen Angeboten auf der einen Seite und den dann durchgeführten Messungen dieser Ziel auf der anderen Seite gibt. Das war mir schon aufgefallen, als ich meine Promotion zu Bildungseffekten Öffentlicher Bibliotheken schrieb – die auch deshalb nicht bestimmt werden konnten, weil keine Daten zu diesen Veränderungen vorliegen. Desletztens betreute ich aber auch einige Bachelorarbeiten, die mich wieder an dieses Phänomen erinnerten. Das war die Motivation, dieses Phänomen nochmal zu besuchen und zu fragen: Warum ist das eigentlich so?

Mir geht es dabei nicht um die Evaluation von einzelnen Projekten – die kann man auch von «ausserhalb» (Berater*innen, Hochschulen und so weiter) einkaufen, was ja auch getan wird, aber dann ist es halt nicht die Arbeit der Bibliothek selber. Mir geht es darum, dass meistens die Ziele von Angeboten gar nicht nachgewiesen zu werden scheinen, beispielsweise dass in Jahresberichten steht, warum man bestimmte Angebote wie Leseförderung macht, aber nicht, ob dieses Ziele erreicht worden sind. Oder dass wenn Angaben zu den Erfolgen von solchen Angeboten gemacht werden, diese zumeist nicht wirklich in Zusammenhang mit den Zielen stehen. Beispielsweise wieder in vielen Jahresberichten findet man oft Angaben dazu, wie viele Kinder und Jugendliche oder Schulklassen bestimmte Leseförderangebote im letzten Jahr besucht haben, manchmal auch Hinweise dazu, dass die Teilnahme wieder gestiegen ist oder die Zusammenarbeit mit den Schulen weiter funktioniert. Und in einigen Fällen finden sich auch Bilder davon, wie Kinder und Jugendliche begeistert an den Leseförderangeboten teilnehmen. Aber… das Ziel der Leseförderangebote – Lesen und Begeisterung für das Lesen fördern, den Aufbau von Lesekompetenzen zu unterstützen und so weiter – ist ja nicht, dass möglichst viele Kinder und Jugendliche die Angebote irgendwie durchlaufen oder das sie dabei Spass haben. Um diese Differenz geht es mir.

Vorbild Schule / Kita

Vielleicht, so habe ich mehr als einmal überlegt, fällt mir diese Differenz deshalb auf, weil ich damals bei meiner Promotion (und dann nachher, als ich in der Bildungsforschung arbeitete) auch gesehen habe, wie es in Schulen und – damals recht neu – Kindertagesstätten gemacht wird. Mir ging es ja damals darum, herauszukriegen, welche Bildungseffekte Bibliotheken haben – und wer ist besser darin, Bildungseffekte zu bestimmen, als Schulen? (Die Kindertagesstätten kamen dazu, weil es damals relativ neu Bildungspläne für diese gab und sie anfingen, systematisch in der alltäglichen Praxis die Entwicklung der Kompetenzen von Kindern zu dokumentieren und zu reflektieren.)

Sicherlich: Zur Schule gehört auch immer die Kritik an dieser Beobachtung der Bildungsentwicklung von Kindern und vor allem die Messung mittels Noten – spätestens wohl seit die Staaten Mitte / Ende des 19. Jahrhunderts die Aufsicht über die Schulen übernahmen. Aber auch diese Tradition der Kritik existiert schon so lange, weil es halt zum Beruf von Lehrpersonen gehört, zu beobachten und zu messen, wie sich das Wissen, die Fähigkeiten, die Kompetenzen der Schüler*innen verändern. Es gehört zur professionellen Arbeit einer Lehrperson, dies regelmässig zu machen, egal ob als Notengebung von Klassenarbeiten oder als Schreiben von individuellen Lernreports für Schüler*innen oder noch anders. Das findet nicht einfach so statt, sondern um die eigene Arbeit als Lehrperson zu reflektieren und auch zu verändern, wenn das notwendig ist. (Es gibt auch weitere Gegebenheiten, für die dieses Messen genutzt wird. Beispielsweise, was ich auch quasi live in der pädagogischen Literatur beobachten konnte, als ich die für die Promotion las, immer mehr Berichte für schulsozialarbeiterische Interventionen oder indirekt für die Evaluation ganzer Schulen.)

Es ist kein Zufall, dass Lehrpersonen so gut darin sind, Aussagen zu den Lernfortschritten «ihrer» Schüler*innen zu machen: Sie sind explizit dafür ausgebildet, es ist Teil der Arbeit, die von ihnen erwartet wird (und für die es dann auch Arbeitszeit gibt), es ist notwendiger Teil für andere Teile ihrer Arbeit, beispielsweise die Unterrichtsplanung selber.

Kindergärten, zumindest in den Deutschland, waren damals (vor fast fünfzehn Jahren) ein weiteres gutes Beispiel: Durch die ersten Bildungsplänen für diese Einrichtungen, die in einigen Bundesländern erlassen wurden, wurde der Wandel von «der Bewahreinrichtung zur Bildungseinrichtung», der eh seit Jahrzehnten im Gang war, weitergetrieben. Von Kindergärtner*innen wurde damals neu erwartet, die Entwicklung der Kinder zu beobachten, zu dokumentieren und auch die Unterstützung weiteren Lernens zu planen. Es gab damals eine Welle der Professionalisierung, die sich in Debatten in der Fachliteratur und der Forschung niederschlug, aber auch in der Aus- und Weiterbildung von Kindergärten sichtbar wurde. Es war also offenbar möglich, so eine Praxis zu etablieren – wenn es gewollt wurde.

Bibliotheken

In Bibliotheken ist dieses Beobachten von Lernentwicklungen nicht Teil professioneller Arbeit. Auch nicht das Beobachten von anderen Entwicklungen, beispielsweise ob Menschen mehr demokratisch handeln oder sozialer werden.

Das wird klarer, wenn man es mit dem Beispiel Lehrperson vergleicht. Lehrpersonen lernen das Bewerten, das Notengeben, auch das Beobachten und das Einbeziehen all der Daten, die so zustande kommen, in die weitere eigene Arbeit (wieder vor allem die Unterrichtsplanung) in der Ausbildung. In der Entwicklung der Profession von Lehrpersonen wurden immer mehr Formen dieser Beobachtungen und Bewertungen angedacht, ausprobiert, kritisiert, selber bewertet, weiterentwickelt und so weiter. Und sie wurden so sehr Teil der Arbeit, dass sie Teil der Arbeitszeit und der Anforderungen an Lehrpersonen sind: Ein*e Lehrer*in vergibt Noten, dass ist Teil der Arbeit – auch wenn die Lehrperson das alles kritisch sieht.

In Bibliotheken ist das nicht so. Das Bewerten von Angeboten über einfach zu erhebende Daten (die, die eh im Bibliothekssystem erhoben werden oder solchen, die leicht ausgezählt werden könne, wie die Anzahl von Teilnehmenden) ist weder Teil der Ausbildung noch Teil der professionellen Arbeit selber. Es gibt weder eine Diskussion im Bibliothekswesen über die Möglichkeiten und Grenzen von Erhebungsinstrumenten noch gibt es überhaupt etablierte Erhebungsinstrumente. In Schulen werden die meisten Lehrpersonen sich kritisch zu Schulnoten äussern – aber es gibt Schulnoten und sie sind etabliert.

Dadurch, dass solche Messungen nicht Teil der bibliothekarischen Arbeit sind, fehlt in Bibliotheken zum Beispiel auch Arbeitszeit, um diese Messungen überhaupt durchzuführen oder die Ergebnisse regelmässig zu reflektieren. (Deshalb vielleicht immer wieder neue Versuche in Projekten, in denen man Zeit dafür einplanen kann, die aber nicht in die kontinuierliche Arbeit übernommen werden.)

Und selbstverständlich: Wenn es nicht gemacht wird, wird es auch nicht geübt und kann auch nicht zu einem so normalen Teil der Arbeit werden, wie es das Benoten für Lehrpersonen oder das Anlegen von Lerndossiers für Kindergärtner*innen ist.

Warum ist das so?

Warum ist das so? Warum wird des Messen der Effekte von Angeboten von Bibliotheken nicht Teil der bibliothekarischen Arbeit? Warum gibt es zum Beispiel gerade keine bekannten Projekte, Messinstrumente dafür zu entwickeln, wie Leseförderaktivitäten bei den potentiellen Lesenden wirken? Sicherlich kann man einige naheliegende Gründe finden, warum es in Schulen einfacher ist, zu benoten oder Lernentwicklungen zu beobachten, als in Bibliotheken. Beispielsweise die Freiwilligkeit der Teilnahme an bibliothekarischen Angeboten (ausser gerade dann, wenn sie im Rahmen von Schulen oder Kindergärten stattfindet), die vielfältigen Aufgaben von Bibliotheken, der Fakt, dass Lehrpersonen die von ihnen betreuten Schüler*innen über Jahre regelmässig treffen, Bibliothekar*innen hingegen nur selten. Aber das wären alles Herausforderungen, keine unüberwindlichen Hindernisse.

Der Grund scheint mir ein anderer zu sein: Es ist einfach nicht notwendig, diese Arbeit zu leisten. Zwar gibt es immer wieder die Behauptung, Bibliotheken müssten (immer mehr, gerade jetzt et cetera) nachweisen, was sie machen und das sie damit erfolgreich sind. Aber… das stimmt ja nicht. Oder zumindest zumeist nicht. Weder die Träger noch die allgemeine Politik noch die Gesellschaft an sich wollen so genau wissen, welche Effekte die Arbeit von Bibliotheken haben. Was gerade die Träger immer wieder interessiert ist, dass Bibliotheken den Eindruck vermitteln, sich zu entwickeln und gleichzeitig zu wissen, was sie tun. Das gilt auch oft für Kooperationspartner. Aktive Bibliotheken sind gefragt, solche die zeigen, dass sie sich entwickeln. Aber keine Schule wird erst von der Bibliotheken einen Nachweis der Wirksamkeit von Leseförderangeboten und so weiter verlangen, bevor sie sich für oder gegen eine Zusammenarbeit entscheidet.

Vielleicht kann mir jemand Gegenbeispiele nennen, aber in all meinem Jahren, in denen ich auch Bibliotheken bei Strategieentwicklungen und so weiter unterstütze, ist mir noch nie ein Fall untergekommen, wo wirklich gefragt wurde, ob zum Beispiel die Leseförderung der Bibliothek wirklich dazu führt, dass die Kinder und Jugendlichen mehr oder besser und lieber lesen oder nicht. Was mir begegnet ist die immer wieder Überzeugung von Trägern, dass Bibliotheken (zum Beispiel) Leseföderung machen und das sie sich gleichzeitig entwickeln sollen. Aber wie genau – das bleibt immer wieder den Bibliotheken selber überlassen.

Gleichzeitig ist es nicht Teil bibliothekarischer Arbeit, die Ergebnisse (zum Beispiel) von Leseförderung so zu reflektieren, dass sie mehr förderlich werden können. Vielmehr wird immer wieder gefragt, was sich die Kolleg*innen zutrauen, woran Kinder und Jugendliche Spass haben, was die Schulen und Kindergärten von der Bibliothek erwarten. Aber wenn das die Kriterien sind, nach denen Leseförderung bewertet und entwickelt wird, dann ist es auch nicht notwendig, nach den tatsächlichen Effekten zu fragen.

Und nicht notwendig heisst auch, dass es nicht zum Teil der professionellen Arbeit wird und dann zum Beispiel auch nicht Arbeitszeit dafür genutzt werden kann. (Es heisst nicht, dass nicht einzelne Kolleg*innen es trotzdem immer wieder einmal versuchen oder zumindest andenken. Ein wenig scheint das parallel zu gehen damit, dass im Schulwesen kontinuierlich das Notengeben kritisiert wird – genauso wird immer wieder einmal im Bibliothekswesen angemerkt, dass man eigentlich nicht richtig weiss, ob die Leseförderung wirklich das Lesen fördert.)

Was das auch heisst, ist selbstverständlich, dass es nicht ein Fehler, gar ein Fehler von bestimmten Kolleg*innen, wäre, dass es ständig diese Differenz zwischen Zielen von bibliothekarischen Angeboten und dem Messen der Effekte derselben gibt. Wenn es ein Sinn im System Bibliothek hätte, würde es dieses Messen schon geben. Aber solange es diesen Sinn nicht gibt – weil die Entwicklung und Weiterentwicklung von Angeboten nicht beinhaltet, ob die Ziele überhaupt erreicht wurden, und wenn es auch von aussen kein wirkliches Interesse daran gibt, dass zu wissen – wird das strukturell nicht Teil der professionellen Arbeit von Bibliotheken werden. (Wird es weiter immer wieder Kolleg*innen irritieren? Ja. Aber, wie gesagt, gehört das wohl auch zu dieser Struktur.)

Warum es doch gut wäre

Kann sich diese Situation ändern? Ja, selbstverständlich. Die oben geschilderte Entwicklung in den Kindergärten vor einigen Jahren ist da ein Beispiel für.

Aber es muss einen Grund geben, warum diese Änderung stattfinden sollte. Ansonsten bleibt es bei vereinzelten Versuchen, Kolleg*innen, die irritiert über die Situation sind und Behauptungen darüber, dass es notwendig wäre, solche Nachweise der Wirksamkeit einzuführen. Bei den Kindergärten war es vor allem, aber nicht nur, die Politik, welche diese Entwicklung vorantrieb. Kindergärten wurden in das Bildungssystem integriert und somit wurde von ihnen auch erwartet, mehr wie andere Bildungseinrichtungen zu funktionieren. Sicherlich: Die konkrete Umsetzung fand dann in den Einrichtungen selber statt und wurden zum Beispiel von der Erziehungswissenschaft unterstützt. Aber die Erwartung von aussen war Triebfeder für die Veränderung selber.

Das kann auch im Bibliothekswesen passieren. Falls die Bildungspolitik einmal die immer wieder von Bibliotheken und Bibliotheksverbänden vorgebrachte Argumentation, sie seien auch Bildungseinrichtungen, ernst nimmt, wird das wohl auch heissen, dass innerhalb recht kurzer Zeit Öffentliche Bibliotheken mehr wie die anderen Bildungseinrichtungen werden und es schnell zum Teil professioneller bibliothekarischer Arbeit werden, Lernentwicklungen zu beobachten und zu dokumentieren. Auch wenn jetzt noch nicht klar ist, wie das genau aussehen könnte. (Und keine Angst: Wenn es tatsächlich ein Interesse daran gibt, gibt es auch mehr Personalmittel, um diese Anforderung umzusetzen – so, wie es bei den Kindergärten passierte.)

Aber dieser Druck von aussen ist nicht die einzige Möglichkeit. Professionen können sich aus sich selber heraus verändern, wenn es eine Neubewertung davon gibt, was für die Profession relevant ist. Dann beginnen sich Professionen auch Gedanken darum zu machen, wie die dann neuen Ziele erreicht und in die normale Arbeit integriert werden können.

Eine solche Veränderung wäre zum Beispiel, wenn es im Bibliothekswesen als relevant angesehen wird, nicht Angebote zu machen, von denen man hofft oder annimmt, dass sie das Lesen fördern, sondern wenn man es als notwendig ansehen würde, nur Angebote zu machen, die dies auch wirklich tun. Wenn also die tatsächlichen Entwicklungen der Lesemotivation, der Lesefähigkeiten, der Lesekompetenzen und so weiter der potentiellen Lesenden in den Mittelpunkt des Interesses gestellt würden. Das würde dann einiges verändern. Nicht nur würde dann ein Interesse daran erwachsen, den jeweiligen Stand dieser Fähigkeiten und so weiter vor, während und nach Leseförderungsaktivitäten zu bestimmen, sondern auch daran, überhaupt zu verstehen, wie der Aufbau derselben vonstatten geht, wie Aktivitäten mithilfe solcher Daten weiterentwickelt werden könnten und so weiter. Das würde dann gewiss auch die Leseförderung in Bibliotheken konkret verändern, bestimmte Formen würden weniger gemacht, andere mehr. Bestimmte Vorstellungen über die Wirksamkeit von Leseförderung, die in Bibliotheken oder bei einzelnen Bibliothekar*innen existieren, würden dann hinterfragt werden. (Einige Kolleg*innen würden dann aus dem Bibliothekswesen ausscheiden, weil sie das alles nicht mittragen wollen oder können; andere würden dafür dazu kommen – das ist in Kindergärten genauso passiert wie damals, als Ende des 19. Jahrhunderts die Schulen professionalisiert wurden.)

Wäre das besser? In bin versucht zu sagen, für die potentiellen Lesenden wäre es tatsächlich besser. Aber es wäre halt eine Veränderung, die von innen heraus, aus dem (Öffentlichen) Bibliothekswesen kommen müsste.

Schulbibliotheken in Berlin 2017: Nur leichte Entwicklung, etwas gerechter. Erfahrungen nach 10 Jahren Recherche

Seit jetzt zehn Jahren wird hier in diesem Blog – erhoben nach immer der gleich Methodik – die Anzahl der Schulbibliotheken, die sich in Berlin über die Homepages aller Schulen (Quelle: offizielles Schulverzeichnis) finden lassen, berichtet. Erhoben werden diese Zahlen immer im April, d.h. zu einer Zeit, in welcher der Schulalltag für das jeweilige Schuljahr schon etabliert ist und auch zu erwarten ist, dass die Homepages mindestens für das Schuljahr aktualisiert worden sind.

Die Grenzen und Potentiale dieser Erhebung sind in den letzten Jahren schon dargestellt worden; grundsätzlich aber gilt, dass es bislang keine andere Form der systematischen Erhebung dieser Zahl gibt. Die Daten sind als ungefähre Angaben zu verstehen, da die Homepages der Schulen als Präsentation dieser an die Öffentlichkeit, aber nicht immer als vollständig mit der Schulrealität übereinstimmend zu verstehen sind. Es ist möglich, dass Bibliotheken in Schulen existieren, die im Schulalltag aber so wenig Relevanz haben, dass sie nicht nach außen präsentiert werden. Ebenso ist es möglich, dass Bibliotheken geschlossen sind, aber noch auf der Homepage einer Bibliothek auftauchen (die bei dieser langjährigen Recherche angesammelte Erfahrung zeigt, dass eine ganze Anzahl von Schulen in Berlin ihre Homepage nur langsam updaten).

Am Beginn dieser Recherche (2008) wurden Thesen und Fragen über die Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin aufgestellt, die nun überprüft beziehungsweise besser beantwortet werden können. Ein Publikation dazu ist in Vorbereitung. In diesem Beitrag hier sollen kurz, zur Informationen, die Daten für dieses Jahr präsentiert werden.

Kaum Entwicklung

Die reinen Zahlen über die vorhandenen Schulbibliotheken in Berlin zeigen seit einigen Jahren ein ganz leichtes Wachstum und nur leichte Veränderungen bei der Verteilung nach Schultypen. Während die Veränderungen von 2008 bis 2012 massiv waren, scheint sich die Zahl seit damals zwar langsam zu erhöhen, aber bei der Verteilung ungefähr gleich zu bleiben. Auffällig ist, dass sich diese praktisch parallel zu den Veränderungen im Berliner Schulsystem entwickeln. Während die Reformen des letztens Jahrzehnts die Schullandschaft in Berlin massiv veränderten (tendenzieller Abbau reiner Schulen für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Inklusion – d.h. oft Umwandlung in inklusive Schulen –, die Schaffung der neuen Schulform „Integrierte Sekundarschule“, in die Haupt-, Real- und Gesamtschulen zusammengeführt wurden, was oft mit einem Zusammenlegen von Haupt- und Realschulen umgesetzt wurde, die Schaffung von Gemeinschaftsschulen, die durchgängig von der ersten Klasse bis zur Sekundarstufe geführt werden und die Etablierung von gemeinsamen JüL-Klassen für die Jahrgangsstufen eins bis drei als Normalfall in Grundschulen), veränderte sich z.B. die Zahl der Schulen in den letzten Jahren kaum noch. Die wenigen Änderungen lassen sich eher mit Schulneubauten oder den normalen Schwankungen aufgrund sich verändernder demographischer Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in den Berliner Kiezen (mehr oder weniger Kinder und Jugendliche im Schulalter) erklären. Eine ähnliche Entwicklung scheint sich auch bei den Schulbibliotheken zu zeigen (was der These, dass diese eher von den Schulen und weniger von bibliothekarischen Vorstellungen abhängen, zu entsprechen scheint), mit einem massiven Wachstum zur Zeiten der konkreten Änderungen in der Schullandschaft bis 2011, 2012 und einer langsamen Entwicklung danach.

Die folgende Tabelle zeigt die Zusammensetzung, die im April 2017 vorgefunden wurde.

(Für eine besser Bildqualität der Tabellen siehe die PDF-Datei am Ende des Beitrags.)

Weiterhin finden sich in den meisten Schulen in Berlin keine Schulbibliotheken, aber in einer großen Minderheit schon. Die Zahl der Grundschulen, welche eine Schulbibliothek führen, hat sich leicht erhöht, dies gilt auch für die Integrierten Sekundarschulen und die Schulen mit Förderschwerpunkten (jene, die nicht zu inklusiven Schulen umgebaut wurden), nachgelassen hat sie leicht in den Gymnasien und den Freien Walddorfschulen (wobei sie hier von drei auf zwei zurückging, was nur wegen der wenigen Schulen eine Relevanz hat). Grundsätzlich hat sich die Verteilung über die Schultypen hinweg nicht geändert.

Immer noch ist die Wahrscheinlichkeit, eine Schulbibliothek vorzufinden, in Grundschulen (d.h. den Klassen eins bis sechs) wahrscheinlicher, als in den anderen Schulen. Schülerinnen und Schüler, die das Gymnasium besuchen, haben mit höherer Wahrscheinlichkeit die Chance, eine Schulbibliothek zu nutzen als in den anderen Schultypen mit Sekundarstufe. In diesem Zusammenhang fand allerdings die größte Änderung zum Vorjahr statt: Die Differenz zwischen Integrierten Sekundarschulen und Gymnasien mit Schulbibliotheken, die sich in den letzten Jahren wieder – entgegen dem Anspruch der Schulreform, mit der neuen Schulform zu mehr Chancengerechtigkeit beizutragen – vergrößert hatte, ist in diesem Jahr kleiner geworden. (In der folgenden Graphik, welche die Prozente der Schulen mit Schulbibliothek angibt, in schwarz dargestellt.)

Überblickt man die Entwicklung der letzten zehn Jahre in Prozenten (folgende Graphik) und konkreten Zahlen (darauffolgende Graphik) zeigt sich, wie schon gesagt, eine langsame Aufwärtsentwicklung in den Gesamtzahlen.

 

In den letzten Jahren wurde hier in diesem Blog postuliert, dass mit 30% bis 35% der Schulen in Berlin, die eine Schulbibliothek unterhalten, vielleicht eine Sättigung eingetreten sei. In diesem Jahr stiegt die Zahl leicht über 35%, insoweit wäre die These zu revidieren auf einen Korridor von 30% bis 40%. Trotzdem scheint kein massives Wachstum und auch kein massiver Rückgang der Zahl der Schulbibliotheken bevorzustehen.

Zu den konkreten Schulbibliotheken

Auffällig sind die konkreten Schulbibliotheken selber. Weiterhin sind die Angaben zu den meisten dieser Einrichtungen sehr knapp gehalten, teilweise werden sie auf den Homepages nur unter „Ausstattung“ oder im Schulprogramm einfach einmal erwähnt, ohne das klar würde, was genau mit „Bibliothek“ gemeint ist. Immer wieder finden sich auch Einrichtungen, die als „Bücherei“ bezeichnet werden, aber offensichtlich die Schulbuchsammlungen meinen. (Diese werden nicht gezählt.)

Bei den Schulbibliotheken, die ausführlicher dargestellt werden, finden sich sehr unterschiedliche Typen. „Leseecken“, die offenbar der reinen Freizeitunterhaltung dienen ebenso wie ausgebaute Bibliotheken, die sich am Modell Öffentlicher Bibliotheken orientieren. Es finden sich Bibliotheken, die in den Unterricht – vor allem als Leseorte, z.B. zum Freien Lesen – eingebaut sind, ebenso wie Einrichtungen, die nur einmal in der Woche geöffnet haben. Die Betreuung der Schulbibliotheken wird weiterhin vor allem von den Schulen selber und von Ehrenamtlichen getragen. Schulische Arbeitsgemeinschaften, bei denen Schülerinnen und Schüler die Bibliothek betreiben, scheinen sich hingegen zu den Vorjahren kaum noch zu finden. Von einer direkten Trägerschaft von Öffentlichen Bibliotheken ist nirgends mehr die Rede, in den Bezirken Spandau und Reinickendorf finden sich Bibliotheken, die in Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken betrieben werden. Grundsätzlich scheinen die Formen der Schulbibliotheken weiterhin sehr gemischt zu sein.

Auffällig sind einige Veränderungen in konkreten Schulen selber. So werden einige Schulbibliotheken, die in den letzten Jahren beständig gefunden wurden, nicht mehr erwähnt (und scheinen geschlossen), in einem Fall (Trelleborg Grundschule) wird sogar explizit angegeben, dass die Schulbibliothek aktuell geschlossen sei. Die zwei Bibliotheken des Canisius-Kolleges, die in den letzten Jahren extensiv auf der Homepage der Schule dargestellt wurden, sind jetzt in der Außendarstellung reduziert worden auf Orte, die im Zusammenhang mit der Hausaufgabenbetreuung genannt werden. Offenbar verändert sich mit der Zeit die Haltung zu den Bibliotheken in den Schulen selber. Das Vorhandensein einer Schulbibliothek überzeugt die Schulen nicht durchgängig, diese auch kontinuierlich zu unterhalten.

Gleichzeitig gab es eine ganze Reihe von Neugründungen, beispielsweise (relativ gut dokumentiert) in der Spartacus-Grundschule, die im März 2016 den Plan verkündete, eine Bibliothek zu gründen und im Januar 2017 schon die Eröffnung derselben feierte. Die Gesamtzahl der Schulbibliotheken, die eine so klare Entwicklung zu nehmen scheint, setzt sich also aus sehr unterschiedlichen Situationen zusammen, bei denen Neugründungen (oder auch Wiedereröffnungen) die Schließungen „ausgleichen“. (Eine Datenbank mit Berliner Schulen, die in den letzten zehn Jahren mindestens einmal eine Schulbibliothek auf ihrer Homepage angaben, welche im Rahmen der hier dargestellten Recherche geführt wird, hat aktuell immerhin 532 Datensätze (einer je Schule), bei jetzt etwas mehr als 700 Schulen in Berlin; allerdings enthält die Datenbank auch Schulen, die heute geschlossen oder mit anderen zusammengeführt sind. Die Zahl zeigt aber doch, dass eine große Zahl an Berliner Schulen Erfahrungen mit Schulbibliotheken gesammelt hat, diese Erfahrung aber oft auch dazu führt, dass die Bibliotheken wieder geschlossen werden.)

Überprüft man, wie viele Schulen in den letzten Jahren kontinuierlich eine Schulbibliothek betrieben haben (wobei bei der Auszählung davon ausgegangen wurde, dass die einmalige Nichterwähnung einer Schulbibliothek heißt, dass sie wohl doch existierte, aber nicht dargestellt wurde, die zweimalige Nichterwähnung, dass sie wohl geschlossen war; gleichzeitig, das eine „kontinuierlich betriebene“ Schulbibliothek an mindestens drei aufeinander folgenden Jahren nachgewiesen sein muss), kommt man auf folgende Zahlen.


Anders ausgedrückt: von den 260 Schulbibliotheken, die sich 2017 in Berlin nachweisen lassen, werden 141 (54,3%) schon seit mindestens drei Jahren betrieben, wobei in den letzten Jahren eher weniger dieser „kontinuierlichen“ Schulbibliotheken gegründet wurden. Es kristallisiert sich also eine Anzahl von langfristig etablierten Schulbibliotheken heraus, denen eine ganze Anzahl von kurzfristig (nur einige Jahren lang) betriebenen Schulbibliotheken gegenüberstehen. Nicht sichtbar ist in dieser Recherche, warum Schulbibliotheken wieder geschlossen werden. (Nur bei einigen finden sich öffentlich verbreitete oder in Protokollen z.B. von Elternvertretung oder Fördervereinen dokumentierte Hilferufe nach neuem oder mehr Personal, die nicht immer erfolgreich zu sein scheinen.)

Dies ist relevant, nicht nur in Bezug darauf, wie verankert oder projekthaft die Schulbibliotheken in den Schulen sind. Es hat auch eine Auswirkung darauf, ob die Schulbibliotheken, also das jeweilige Team, welche sie betreiben, genügend Zeit hat, eigene Alltagspraktiken zu entwickeln, die sich aus Erfahrungen speisen können, oder ob sie im Projektstatus, also dem ersten Ausprobieren, verbleiben. (Es heißt auch, dass sich in vielen Schulen in Berlin Räume finden, in denen einst eine Schulbibliothek vorhanden war, teilweise wohl noch mit den alten, nicht mehr weiter betreuten Beständen.)

Insoweit zeichnet sich die Schulbibliothekslandschaft in Berlin – obwohl es offenbar nicht ganz richtig ist, von einer Landschaft, also einem System von Einrichtungen, die sich aufeinander beziehen, zu sprechen – durch einen ständigen Wandel, mit einigen festen Punkten, aus. Das ständige Neu- und Wiedergründen von Schulbibliotheken lässt aber auch daran zweifeln, ob ein Wissenstransfer zwischen diesen stattfindet oder überhaupt stattfinden kann. Sicherlich gäbe es einige Einrichtungen, die ihre Erfahrungen berichten könnten. Die Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg bietet dafür auch eine Infrastruktur. Aber die Wandelbarkeit deutet eher darauf hin – positiv gedeutet –. dass immer wieder neu Menschen in Berlin auf die Idee kommen, einen Schulbibliothek zu gründen, insbesondere Lehrpersonen und Schulen, dabei aber oft auch eigenen Vorstellungen folgen.1 Dies zeigt aber auch, dass bibliothekarische Vorstellungen von Schulbibliotheken, die von Zeit zu Zeit publiziert werden, offenbar wenig Einfluss auf den Schulalltag in Berlin haben.

Dateien

Beiträge zur Anzahl der Schulbibliotheken in Berlin aus den letzten Jahren

Fußnote

1 Die GutsMuth-Grundschule schreibt zum Beispiel zu ihrer Bibliothek: „Die Idee [der Schulbibliothek, KS] ist angelehnt an eine Bibliothek, aber es soll mehr sein, als nur ein Ort zum Lesen.“ (http://www.gutsmuths-grundschule.de/content/unterricht/sprachfoerderung/index.html) Diese Aussage deutet auf ein Bild von Öffentlichen Bibliotheken hin, das diese von sich selber gar nicht (mehr) haben. Die Abgrenzung ist eigentlich unnötig, zeigt aber, wie sehr Lehrpersonen von ihren eigenen Vorstellungen – und eben nicht von bibliothekarischer Literatur, die darüber aufklären würde, dass Bibliotheken heute soziale Orte sein wollen und dass auch Schulbibliotheken das sein sollen – ausgehen.

Schulbibliotheken in Berlin, 2016. Langsames Wachstum?

Jeden April seit 2008 findet eine Zählung der Schulbibliotheken in Berlin statt, über die jeweils in diesem Blog berichtet wird. Ziel ist es dabei, mindestens zehn Jahre lang deren Entwicklung zu beobachten, um Aussagen über deren Entwicklungen über eine Momentaufnahme hinaus zu treffen. Die Methodik und deren Grenzen wurden in früheren Beiträgen geschildert (siehe unten); Basis der Recherche sind immer die Homepages der Berliner Schulen. Dies schränkt die Aussagekraft ein, da nur Schulbibliotheken „gefunden“ werden können, die auch auf diesen Homepages dargestellt sind. Allerdings sind Homepages heute, da praktisch eine freie Schulwahl existiert und sich Eltern eine zumeist unnötige grosse Entscheidungsarbeit machen, um ihre Kinder an „passenden“ Schulen anzumelden, das Hauptmedium, mit dem die meisten Schulen um neue Schülerinnen und Schülern (beziehungsweise um das Vertrauen der Eltern) werben. Insoweit ist zu erwarten, dass Schulbibliotheken, wenn sie von der jeweiligen Schulgemeinschaft als wichtig angesehen werden, auch auf den Homepages dargestellt werden.

Zum Teil finden sich deshalb in Berlin auch sehr umfassende Homepages, teilweise von Schulbibliotheken selber, teilweise als Teil des Angebotes von Schulhomepages. Ein Problem, dass sich eher zu stellen scheint, ist, dass nicht alle Schulhomepages aktuell gehalten werden. Insbesondere wenn Schulbibliotheken geschlossen werden, scheint es teilweise Jahre zu dauern, bis sich dies in der Darstellung auf der Homepage niederschlägt. Insoweit müssen bei dieser Statistik immer wieder auch Entscheidungen darüber getroffen werden, ob bestimmte Schulbibliotheken noch existieren oder nicht. Gleichzeitig müssen Entscheidungen darüber oft der Grundlagen weniger Daten – zum Beispiel die Erwähnung einer Bibliothek unter der Rubrik „Ausstattung“ getroffen werden. Insoweit sollten die Daten nicht als vollständig gesichert angesehen werden.

Gleichzeitig soll durch die Kontinuität der Recherche – bislang neun Jahre – eine grössere Annäherung an die reale Situation der Schulbibliotheken in Berlin stattfinden. Wie schon in den Jahren zuvor dargestellt werden dabei Schulbibliotheken als Einrichtungen verstanden, die dann entstehen und über einen längeren Zeitraum betrieben werden, wenn die jeweilige Schulgemeinschaft sie als sinnvoll ansieht.

Eine tiefergehende Auswertung ist für das nächste Jahr, wenn Daten aus zehn Jahren vorliegen, geplant. Hier soll nur kurz über die Ergebnisse dieses Jahres berichtet werden. (Die Rechercheergebnisse finden sich hier.)

Mehr Bibliotheken in Horthäusern

Dabei zeigt sich in der Recherche, dass immer mehr Schulbibliotheken genauer beschrieben werden. Dies ermöglicht auch, verschiedene Formen von Schul-bibliotheken zu unterscheiden. Auffällig ist dabei dieses Jahr, dass eine ganze Anzahl von Schulbibliotheken in den Freizeit-/Horthäusern, also den Orten der nach-unterrichtlichen Betreuung eingerichtet werden. Diese sind zum Teil von den Schulhäusern räumlich getrennt. Diese „Freizeit-Schulbibliotheken“ sind dann im Rahmen der Betreuung nutzbar, aber es scheint zum Beispiel zweifelhaft, ob sie auch – wie das in der bibliothekarischen Literatur zu Schulbibliotheken immer wieder vorgeschlagen wird – als Orte des Unterrichts oder der Nutzung während der Unterrichtszeit dienen. Interessant wäre, in ausgewählten Schulen die Motive für die Situierung der Schulbibliotheken zu erfragen.

Leicht steigende Zahl von Schulbibliotheken

schulbibliotheken_2016_auswertung
Tabelle 1 stellt die Zahl der Schulen und der gefundenen Schulbibliotheken im April 2016 (01.-03.04.2016) dar. Sichtbar ist, dass in keinem der Schultypen 50% oder mehr der Schulen eine Schulbibliothek betreiben. Sichtbar ist aber auch, dass sich die Schultypen in der Zahl der Schulbibliotheken unterscheiden. Dies hat sich über die Jahre verstärkt.

Dargestellt in Prozenten von Schulen mit Schulbibliothek sieht die Entwicklung wie folgt aus (zu Bedenken ist, dass bis 2010 Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien existierten, die dann 2011 in die neue Schulform Integrierte Sekundarschule aufgingen):

diagramm_gesamt_2016_prozente
Sichtbar ist als eine allgemeine Entwicklung in Richtung mehr Schulbibliotheken, wobei der Höhepunkt des Wachstums zwischen 2008 und 2011 stattgefunden hat und sich seitdem stark verlangsamt hat. Dies sagt noch nichts über die genaue Ausstattung oder Verankerung der jeweiligen Schulbibliotheken aus. Stellt man diese Entwicklungen in reinen Zahlen dar, sieht sie wie folgt aus:

diagramm_gesamt_2016_zahlen
Anhand beider Graphiken lässt sich, bei aller Vorsicht mit den konkreten Daten, sehen, dass das Wachstum vor allem in den Schulen mit den oberen Klassenstufen stattfindet, wobei die Gymnasien weit mehr Schulbibliotheken „gewinnen“, als die Integrierten Sekundarschulen (an denen alle Schulabschlüsse gemacht werden können). Die Differenz zwischen beiden Schulformen ist in den letzten Jahren massiv gewachsen. Heute haben Gymnasien doppelt so oft Schulbibliotheken, wie die Integrierten Sekundarschulen (dargestellt in Prozent).

diagramm_sekundar_2016
Letztere wurden geschaffen, um für mehr Bildungsgerechtigkeit zu sorgen. Geht man davon aus, dass zur Bildungsgerechtigkeit auch die gleiche Chance gehört, eine Schulbibliothek zu benutzen, sind diese Entwicklungen bedenklich. Sie könnten aber auch darauf hindeuten, dass Schulbibliotheken in den beiden Schulformen unterschiedliche Aufgaben haben.

Die Zahl der Grundschulen mit Schulbibliothek hält sich in den letzten Jahren relativ kontinuierlich.

Kontinuität und Diskontinuität

Eine Auswertung über die Jahre ergibt, dass ein Grossteil der Schulbibliotheken über einen längeren Zeitraum kontinuierlich betrieben werden. Von den 257 Schulbibliotheken, die aktuell in Berlin über die Schulhomepages zu finden sind, sind 191 auch mindestens drei Jahre hintereinander gefunden worden. (Auch diese Zahl ist vorsichtig zu bewerten. Zur Zählweise siehe den Beitrag des letzten Jahres, weiter unten.) Dies deutet darauf hin, dass die gewisse Kontinuität in den jährlichen Zahlen mit einer hohen Kontinuität in den Schulen einhergeht.

Gleichzeitig lässt sich auch zeigen, dass Schulbibliotheken über die Jahre geschlossen werden. In einigen, wenigen Fällen, wird dies von den Schulen selber auf der jeweiligen Homepage verkündet, in anderen Fällen sind die Schulbibliotheken über Jahre nicht mehr auf den Homepages zu finden. Die Datenbank, die alle Schulenbibliotheken, die in letzten neun Jahren gefunden wurden, enthält jetzt (allerdings mit heute geschlossenen Schulen) über 450 Einträge. Anders ausgedrückt, scheinen in Berlin über 50% der Schulen in den letzten Jahren Schulbibliotheken gehabt zu haben, aber zum Teil sich auch dazu entschlossen zu haben (aus unterschiedlichen Gründen), diese wieder zu schliessen. Dieses Phänomen wird in der bibliothekarischen Literatur zu Schulbibliotheken quasi nicht thematisiert.

Interessant sind Schulen, in denen sich über die neun Jahre, in denen diese Statistik bislang betrieben wird, ganz ohne System mal Schulbibliotheken finden und dann wieder nicht. Sie scheinen immer wieder neu belebt zu werden, aber dann auch wieder geschlossen zu werden oder zumindest an Bedeutung zu verlieren, aber gleichzeitig immer wieder neu angestrebt zu werden. Dies kann damit zu tun haben, dass sie teilweise als AG oder Lehrfirma betrieben werden, also Jahr für Jahr vom Interesse der Schülerinnen und Schüler abhängen. In diesem Fall entscheiden sich Schulen dann nicht, die Bibliotheken selbstständig zu „verstetigen“. Es kann aber auch Ausdruck eine Unsicherheit der Schulen sein, ob sie sich für die Bibliotheken engagieren sollen oder nicht und wenn ja, wie viel. Bei einer kleinen Zahl von Schulen finden sich auch Hinweise auf Projekte, Schulbibliotheken einzurichten, die dann nicht umgesetzt werden. Der Wille allein scheint also nicht auszureichen.

Gleichzeitig finden sich in Berlin Schulen, die sich entweder sehr für ihre Schulbibliothek einsetzen und diese auch präsentieren und gleichzeitig Schulen, die keine Schulbibliotheken einrichten.

Beiträge zur Anzahl der Schulbibliotheken in Berlin aus den letzten Jahren