Schulbibliotheken in Berlin, 2013

Anbei die Ergebnisse einer Recherche zu Schulbibliotheken in Berlin, die ich jedes Jahr seit 2008 im April durchführe. Weiter unten finden sich die Verweise zu den Darstellungen der vergangenen Jahre, in denen auch auf die Methodik der Recherche und ihre Grenzen eingegangen wird. Die Recherche im Jahr 2013 war ein Zwischenschritt, Ziel ist es, eine mindestens zehnjährige Datenreihe zu erhalten.

Grundsätzlich ist die Zahl der Schulbibliotheken in Berlin leicht gestiegen, mit dem grössten Zuwachs bei den Grundschule, und moderate Zuwächsen in den anderen Schulformen. Nur in den Gymnasien scheint eine Stagnation eingetreten zu sein. Schulbibliotheken sind weiterhin in einer grossen Minderheit der Schulen in Berlin (34,7%) zu finden.

Bemerkenswert ist, dass die Sonderschulen in Berlin jetzt nahezu alle in inklusive Schulen umgewandelt wurden, was sich auch auf die Verfügbarkeit an Schulbibliotheken niederschlägt, die für Schülerinnen und Schüler dieser Schulen steigt. Zudem ist terminologisch zu beobachten, dass sich weiter unterschiedliche Bezeichnungen für Schulbibliotheken etabliert haben (u.a. Lernwerkstatt oder Lesezelt), allerdings kaum die in der bibliothekarischen Literatur der 1990er und 1980er als modern angepriesene Bezeichnung Mediothek, welche den Begriff Schulbibliothek ersetzen sollte.

Lausanne, 12. April 2013

Tabelle_2013
Auswertung Teil 1.
Auswertung, Teil 2
Auswertung Teil 2.
Darstellung der Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin, 2008-2013 (Die Schultypen Haupt-, Real- und Gesamtschule wurden im Untersuchungszeitraum aufgelöst und in den Schultyp 'Integrierte Gesamtschule' überführt).
Darstellung der Entwicklung der Schulbibliotheken in Berlin, 2008-2013 (Die Schultypen Haupt-, Real- und Gesamtschule wurden im Untersuchungszeitraum aufgelöst und in den Schultyp ‚Integrierte Gesamtschule‘ überführt).

Recherche als PDF. Schulbibliotheken in Berlin, 2013

Siehe auch

Forschungskonzept: Anforderungen aus Schulbibliotheken an Öffentliche Bibliotheken: Theoretische und empirische Nachweise von realistischen Unterstützungsmöglichkeiten Öffentlicher Bibliotheken

Vorwort

Ende diesen Jahres verlasse ich Deutschland und wandere aus. Nicht weit weg, aber immerhin so, dass meine Forschungsinteressen sich weniger um deutsche Bibliotheken und Schulbibliotheken drehen werden. Vor einigen Monaten habe ich allerdings ein Forschungsprojekt ausgearbeitet, bei dem es um Schulbibliotheken in Deutschland geht. Das lag jetzt einige Zeit und ich werde es wohl nicht in den nächsten Jahren umsetzen. Ich will es aber auch nicht einfach in der Schublade lassen, weil es eventuell und unter ganz bestimmten Umständen vielleicht doch jemand anders dazu bringen könnte, über Schulbibliotheken in Deutschland zu forschen. Der oder die kann gerne dieses Projekt nehmen, ändern, umsetzen. Ich würde dann gerne die Ergebnisse sehen.

Während ich das Projekt eigentlich in der vorliegenden Form für sinnvoll und machbar halte, gab es noch einige Kritik, die ich nicht verschweigen möchte. Würde ich in Berlin bleiben, würde ich sie noch einarbeiten.

  • Es wurde bemängelt, dass es sich bei diesem Projekt nur um Berliner Schulbibliotheken handelt. Ich fände das, angesichts der Menge schon ausreichend. Aber es gab auch die Anregung, weitere Städte mit einzubeziehen, um einen Vergleich anstellen zu können. Das kann man machen, aber ich denke, dass auch Berlin alleine schon viele Daten liefern würde. Falls man allerdings einen Vergleich anstrebt, sollte man meines Erachtens auch gleich groß herangehen. Das würde einiges an Arbeit bedeuten, aber ich würde in diesem Fall vorschlagen, Berlin, Brandenburg und Bayern zu vergleichen. Das würde nicht nur eine größere Fallzahl bedeuten, sondern auch zahlreiche Kontrastmöglichkeiten bieten. (1) Einen Ost/West und einen Nord/Süd-Vergleich, (2) alle Regionalformen (ländlicher Raum bis Metropole) wären vertreten, (3) alle möglichen Formen von Unterstützung der Schulbibliotheken durch Öffentliche Bibliotheken (von gar nicht, über indirekte und direkte Angebote und Schulbibliothekarische Arbeitsstellen bis hin zu integrierten Systemen wir in Landshut) wären vertreten, (4) man würde ein traditionell dreigliedriges Schulsystem (Bayern), ein zweigliedriges (Brandenburg) und eines in der Reformphase von drei- zu zweigliedrig (Berlin) miteinander vergleichen können. (Allerdings müsste dann der Pre-Test anderswo durchgeführt werden.)
  • Weiterhin wurden die vielen offenen Fragen kritisiert. Vielmehr solle man möglichst viele Zahlen abfragen. Dem würde ich vehement widersprechen. Zahlen kann man nutzen, wenn man weiß, wonach man schauen will. Aber das wissen wir nicht. Die Zahlen, die gerne in bibliothekarischen Standards verwendet werden, sind weder theoretisch noch empirisch hergeleitet und bilden die Realität von Schulbibliotheken auch nicht wirklich ab. Offene Fragen hingegen produzieren viele Aussagen, die wir dann auch diskurstheoretisch interpretieren können und die uns einen Einblick in die Wahrnehmung der Personen, welche Schulbibliotheken betreiben, ermöglichen. Wir wissen überhaupt noch nicht genug darüber, wie Schulbibliotheken wirklich funktionieren, als das wir da mit quantitativen Methoden herangehen können. Wer da zu schnell auf Zahlen ausweicht wischt die Diversität und Realität in Schulbibliotheken einfach weg. Dabei wissen wir, dass diese Diversität viel zu groß ist, um das einfach zu tun. (Immerhin das.)
  • Weitere Kritik wurde an der zeitlichen Planung des Projektes laut, es sei etwas sehr kurz geplant. Das muss man vielleicht nochmal diskutieren, wenn man es umsetzen will. Ich finde die Planung machbar.

 

Das folgende ist also eine Skizze eines möglichen Forschungsprojektes, die zwar schon weit ausgearbeitet ist, aber auch nicht unbedingt fertig. Nur werde ich daran erstmal nichts mehr ändern. Ich habe versucht, eine Frage zu entwickeln, die einerseits ein Forschungsinteresse befriedigt, aber gleichzeitig auch einen praktischen Nutzen haben kann. Man darf sich halt nur nicht darauf einlassen, nur praktische Ergebnisse haben zu wollen, weil man dann wieder an der Realität von Schulbibliotheken vorbeischaut.

Das Programm gibt es auch als PDF hier

 

 

Anforderungen aus Schulbibliotheken an Öffentliche Bibliotheken: Theoretische und empirische Nachweise von realistischen Unterstützungsmöglichkeiten Öffentlicher Bibliotheken

Karsten Schuldt

1. Einleitung und Themenaufriss

Öffentliche Bibliotheken wissen wenig darüber, wie Schulbibliotheken funktionieren, welche Vorstellungen in Schulbibliotheken von den Aufgaben der jeweils individuellen Einrichtung sowie Schulbibliotheken als Einrichtungen, aber auch anderen Institutionen – wie beispielsweise Öffentlichen Bibliotheken – existieren. Dies geht allerdings einher mit drei Phänomenen: Erstens werden trotzdem seit den 1970er Jahren immer wieder Konzepte dazu erstellt, wie Schulbibliotheken aufgebaut bzw. wie sie bei Ihrer Arbeit unterstützt werden sollen, obgleich viele Einrichtungen, die auf der Grundlage dieser Konzepte errichtet wurden, insoweit scheiterten, als das sie oft nach einigen Jahren wieder schlossen. Zweitens gibt es fernab dieser bibliothekarischer Debatten eine reichhaltige schulbibliothekarische Praxis, in den letzten Jahren auch ein Wachstum der Schulbibliotheken. Dies weist darauf hin, dass Engagierte offenbar auch außerhalb der Öffentlichen Bibliothekswesens – welches zumeist den Anspruch erhebt, die Basis schulbibliothekarischer Arbeit zu sein – Wege finden, Schulbibliotheken zu errichten und zu betreiben. Drittens findet sich, zumeist fernab bibliothekarischer Debatten, auf der lokalen Ebene oft eine Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken und Schulbibliotheken, die teilweise im Rahmen der Arbeit der Öffentlichen Bibliotheken, teilweise im Graubereich der nicht festgelegten Aufgaben und teilweise auch außerhalb der eigentlichen Arbeit der Bibliotheken, beispielsweise in der Freizeit der Bibliothekarinnen und Bibliothekare – „unter der Hand“ – stattfindet. Diese Zusammenarbeit ist dann allerdings, bedingt durch ihren prekären Status, uneinheitlich. Gleichzeitig aber sind diese Unterstützungsleistungen oft eng an den tatsächlichen Bedürfnissen des Schulbibliotheken orientiert.

Gleichzeitig gibt es, wenn auch eher anekdotisch berichtet, bei den Engagierten in Schulbibliotheken den Erfahrungswert, dass eine angestrebte Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken nicht immer möglich ist. Es scheint, als ob viele angestrebte Kooperationen oder Hilfestellungen daran scheitern, dass entweder die gewünschten Hilfestellungen nicht von den Öffentlichen Bibliotheken angeboten werden oder aber, dass sich Schulbibliotheken nicht von den Öffentlichen Bibliotheken als eigenständige Einrichtungen ernst genommen fühlen, sondern teilweise als unvollständige Bibliotheken, welche belehrt werden müssten. Fakt ist, dass zahlreiche Schulbibliotheken eher eigenständige Strukturen entwickeln – sichtbar in Bestandstäuschen und Bestandausleihen untereinander, regelmäßige und unregelmäßige Treffen, Vereinen wie der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Hessen und der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken in Berlin-Brandenburg sowie den immer öfter durchgeführten Schulbibliothekstagen – als mit Öffentlichen Bibliotheken zusammenzuarbeiten.

Die im folgenden skizzierte Forschungsarbeit soll die Interessen der Schulbibliotheken gegenüber den Öffentlichen Bibliotheken aufklären helfen. Dabei werden Schulbibliotheken als Einrichtungen ernst genommen, die sich als eigenständige Einrichtungen und als Teil der jeweiligen Schullandschaft verstehen. Ungeachtet der Frage, ob dies die bestmögliche Lösung darstellt, soll hier von der Eigenwahrnehmung der Bibliotheken ausgegangen und für diese geklärt werden, welche Unterstützungsleistungen von Seiten der Öffentlichen Bibliotheken sie sich überhaupt als sinnvoll vorstellen könnten. Dies soll nicht nur dazu beitragen, dass Wissen über die Schulbibliotheken in Deutschland, die sich – ähnlich der Schulsozialarbeit – in den letzten Jahren unübersehbar als weithin funktionierende Einrichtungen etabliert haben, zu erweitern; es soll auch den Öffentlichen Bibliotheken die Möglichkeit geben, auf der Basis der existierenden Strukturen die bestmögliche Unterstützung für diese Einrichtungen zu leisten und damit den Schülerinnen und Schülern der betreffenden Schulen die größtmöglichen Lernchancen zu ermöglichen.

2. Theoretische Vorüberlegungen und Annahmen

Schulbibliotheken stellen Einrichtungen dar, die sich grundsätzlich im Aufbau, der Zielsetzung und täglichen Arbeit auf die Schule beziehen, in der sie angesiedelt sind. Zudem sind sie geprägt von den Vorstellungen der jeweils in den Schulbibliotheken Tätigen. So gut wie gar nicht orientieren sich Schulbibliotheken in Deutschland an bibliothekarischen Vorstellungen von bibliothekarischer Arbeit oder an den Vorstellungen von Schulbibliotheken, welche in der bibliothekarischen Literatur publiziert werden. Es ist aufgrund der bislang vorhandenen Wissensbestände über Schulbibliotheken in Deutschland nicht zu klären, warum dies so ist.

Möglich ist es, zu dieser Frage folgende Thesen zu formulieren:

  • Die bibliothekarischen Vorstellungen könnten sich für die Arbeit von Schulbibliotheken als nicht sinnvoll herausstellen. Dies könnte aufgrund einer fehlenden Anbindung an didaktische und pädagogische Konzepte in bibliothekarischen Konzepten ebenso begründet sein wie in einer falschen Wahrnehmung der tatsächlichen Aufgaben und Möglichkeiten von Schulbibliotheken in Schulen.

  • Schulbibliotheken selber könnten so verschieden sein, dass immer nur Teile bibliothekarischer Vorstellungen für sie zutreffend sein könnten. Implizit gehen hingegen die Modelle von Schulbibliotheken, die in der bibliothekarischen Literatur publiziert werden, davon aus, zumindest pro Schulform oder aber übergreifend für alle Schulen jeweils ein einziges Konzept von Schulbibliotheken angeben zu können. Zudem könnten die Zielsetzungen von Schulbibliotheken als unterstützende Einrichtungen in Schulen zu sehr von bibliothekarischen Zielsetzungen abweichen, um miteinander vermittelt werden zu können.

  • Die bibliothekarischen Vorstellungen über gute bibliothekarische Arbeit könnten auch in Schulbibliotheken unbekannt, nicht verständlich vermittelt oder nicht ausreichend ausformuliert sein.

  • Die Vorbehalte gegen Öffentliche Bibliotheken oder bibliothekarische Expertise könnten in Schulbibliotheken – aufgrund verschiedener Gründe – zu groß sein, um sich mit bibliothekarischen Vorstellungen auseinander zu setzen.

  • In Schulbibliotheken könnte die Überzeugung vorherrschen, entweder keine vollständige Bibliothek werden zu müssen – sondern entweder eine unvollständige Bibliothek oder aber eine Einrichtung mit einem anderen Schwerpunkt als dem bibliothekarischen – oder aber in absehbarer Zeit keine solche Bibliothek werden zu können.1

Zu vermuten ist, dass es keinen Kausalgrund gibt, sondern dass vielmehr für alle hier genannten Thesen einzelne Evidenzen gefunden werden können. Im Rahmen dieser Arbeit ist vor allem relevant, dass offenbar davon auszugehen ist, dass Schulbibliotheken als eigenständige Einrichtungen begriffen werden müssen, die sich nicht direkt in das Bibliothekssystem eingliedern wollen.2 Vielmehr wird hier davon ausgegangen, dass es sich bei Schulbibliotheken um Einrichtungen handelt, die als eigenständige Institutionen etabliert sind und auch als solche begriffen werden müssen. Netze und Kooperationen von Schulbibliotheken untereinander oder mit anderen Einrichtungen müssen sich demnach eher nach dem Modell der losen Koppelung vorgestellt werden den als anderen Einrichtungen strukturell untergeordnet.3

Eine Besonderheit der Institution Schulbibliothek gegenüber den Öffentlichen Bibliotheken besteht darin, dass sie – wie auch einige andere Institutionen, beispielsweise die Schulsozialarbeit gegenüber der Sozialen Arbeit – bildungsnah und zum Teil auch als Bildungseinrichtungen arbeiten sowie gleichzeitig eine jeweils relativ klar definierte Nutzerinnen- und Nutzergruppe bedienen. Sie sind als Einrichtungen jeweils den einzelnen Schulen beigeordnet und haben übergreifend den Auftrag, diese bei ihrem gesetzlich festgelegten Auftrag, Schülerinnen und Schüler zu bilden, zu unterstützen.4

Darüber hinaus finden sich eine Anzahl von Schulbibliotheken, die sich als eigenständige Einrichtungen begreifen, welche mit ähnlichen Einrichtungen Netzwerke bilden und institutionalisieren. Gleichwohl sind es offenbar nicht alle Schulbibliotheken, welche diese Ambitionen hegen oder von den Aufrufen, solche Netzwerke zu bilden, angesprochen werden. In den letzten Jahren wurden – nach dem Vorbild der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Schulbibliotheken in Hessen, die seit den 1980er Jahren besteht – in einer Anzahl von deutschen Bundesländern Schulbibliothekstage als mehr oder minder regelmäßige Veranstaltungen etabliert, zudem hat sich – wieder dem Vorbild Hessens folgend – die LAG Schulbibliotheken Berlin / Brandenburg etabliert.5 Zusätzlich existieren in einigen Städten – beispielsweise Frankfurt am Main, Jena, Ingolstadt, Landshut – schon länger Netzwerke von Schulbibliotheken, die sich direkt auf zuständige Stellen in den jeweiligen Öffentlichen Bibliotheken beziehen. Auch hier hat es in den letzten Jahren einige Neugründungen gegeben.6 Tendenziell scheint es also bei einer Anzahl von Schulbibliotheken ein Interesse an der Zusammenarbeit zu geben, wobei angemerkt werden muss, dass zumindest der Eindruck entsteht, dass nicht die Zusammenarbeit zwischen Schulbibliotheken und Öffentlichen Bibliotheken oder zwischen Schulbibliotheken und den Schulämtern, sondern die Zusammenarbeit zwischen Schulbibliotheken untereinander im Vordergrund dieser Aktivitäten steht.

Über die Ausgestaltung und Qualität dieser Zusammenarbeit kann bislang wenig berichtet werden. Sichtbar ist allerdings, dass sich zumindest die an diesen Netzwerken beteiligenden Schulbibliotheken auch als eigenständige Institutionen begreifen. Im Umkehrschluss ordnen sie sich offenbar nicht vollständig den Schulen, an denen sie tätig sind, unter. Gleichzeitig verstehen sie sich nicht als reine – reguläre oder irreguläre – Außenstellen des Öffentlichen Bibliothekswesens. Sie artikulieren eigene Interessen und können deshalb – so zumindest die These, der hier gefolgt werden soll – als Organisationen begriffen werden, die eigene Ziele und Leistungsbegriffe definieren, ihre Kontakte zur Umwelt – also vorrangig der jeweiligen Schule – selbstständig definieren und mit Handlungsroutinen ausgestalten sowie Strukturen entwickeln, die ihren Fortbestand sichern sollen.7

Diese Beschreibung unterscheidet sich relevant von dem Verständnis von Schulbibliotheken, welche ansonsten in der bibliothekarischen Literatur, Planung und Forschung über Schulbibliotheken vertreten wird, aber auch von der Vorstellung, die in der pädagogischen Literatur von Schulbibliotheken niedergelegt wird. Die bibliothekarische Literatur nimmt Schulbibliotheken vor allem als Einrichtungen wahr, die sich idealtypisch an den für Öffentliche Bibliotheken geltenden impliziten und expliziten Prinzipien zu orientieren hätten. Unter diesem Fokus müssen Schulbibliotheken von Öffentlichen Bibliotheken betrieben, geplant und ausgestattet werden, folgerichtig wird unter diesem Blickwinkel der Großteil der existierenden Schulbibliotheken als defizitär begriffen. Dabei hat der Bibliotheksbereich bislang nicht nachweisen können, wieso die für Öffentliche Bibliotheken geltenden Prinzipien die spezifische Aufgaben von Schulbibliotheken unterstützen könnten. Angesichts dessen, dass Schulbibliotheken in ihrer großen Zahl sich nicht an diesen Vorstellungen orientieren, ist eher zu vermuten, dass andere Prinzipien existieren, die für die Aufgaben der Schulbibliotheken sinnvoller sind.

In der pädagogischen Literatur werden Schulbibliotheken zumeist als weitere Einrichtungen wahrgenommen, um den Unterricht und den in der Bedeutung wachsenden außerunterrichtlichen Bereich zu gestalten.8 Dabei liegt der Fokus in der Deutschsprachigen Literatur auf der Unterstützung des Lesen-lernens und des Aufbaus der Lesefähigkeiten. Seltener besprochen werden weitere Formen der Arbeit in Schulbibliotheken, beispielsweise die Projektarbeit oder die Unterstützung der außerunterrichtlichen Arbeit von Schülerinnen und Schülern. Die Eigenständigkeit der Einrichtung Schulbibliothek kommt fast nie zur Sprache.

Konträr zu diesen beiden Blickrichtungen soll in dieser Arbeit von der Eigenständigkeit der Einrichtung Schulbibliothek ausgegangen werden. Schulbibliotheken sind Einrichtungen, die in einer engen Beziehung zu den jeweiligen Schulen stehen und sich grundsätzlich als Orte definieren, welche die schulische Arbeit unterstützen. Schulbibliotheken folgen Prinzipien, die sich an dieser Aufgabe ausrichten. Ob diese Prinzipien mit denen Öffentlicher Bibliotheken übereinstimmen oder übereinstimmen sollten, ist bislang nicht zu klären. Die dann ausformulierten Prinzipien stimmen ebenso nicht immer überein, sondern orientieren sich an den grundsätzlichen Modellen der Schulbibliotheken.9 Zudem agieren Schulbibliotheken nicht nur gegenüber der Schule, in der sie existieren, sondern zum Teil auch gegenüber anderen Organisationen – Öffentlichen Bibliotheken, Geldgebern, Schulvereinen, Schülerinnen- und Schülervertretungen, Eltern und Elternvertretungen, dem Buchhandel und vor allem gegenüber anderen Schulbibliotheken – eigenständig.

Diese Eigenständigkeit schlägt sich auch im Verhältnis zwischen den Schulbibliotheken und anderen Einrichtungen, namentlich Öffentlichen Bibliotheken und Schulen, nieder. Die Einrichtungen lassen sich nicht einem Paradigma unterordnen. Es sind Aushandlungsprozesse möglich, insbesondere, da die Schulbibliothek sich prototypisch dem Interesse der Schule anpassen, die Schulen aber im Rahmen der „Neuen Steuerung“ zu einer verstärkten Autonomie und Profilbildung angehalten sind, sich also verstärkt pluralisieren.10 In der bibliothekarischen Literatur zu Schulbibliotheken wird hingegen zumeist der Eindruck erweckt, dass Schulbibliotheken den bibliothekarischen Standards und Vorstellungen zu unterwerfen seien. Als Idealform gilt implizit eine Schulbibliothek, die entweder als Außenstelle einer Öffentlichen Bibliothek oder aber als Kombinierte Schul- und Öffentliche Bibliothek existiert. Ist dies nicht gegeben, werden Schulbibliotheken als positiv beschrieben, die möglichst vollständig von bibliothekarischen Kräften angeleitet werden.11 Andere Schulbibliotheken werden selten und dann zumeist als unvollständig beschrieben.

Empirisch lässt sich allerdings nicht nachweisen, dass der Typus der Kombinierten Schul- und Öffentlichen Bibliothek und der Außenstelle in Schulen verbreitet wäre. Es gibt einige Städte und Gemeinden, in welcher sich diese Form von Schulbibliotheken durchgesetzt hat, beispielsweise Ingolstadt und Landshut. Allerdings stellen diese Städte Ausnahmen dar. Obgleich die Rückmeldungen aus diesen Systemen nicht negativ sind, haben sie doch nicht dazu geführt, dass solche Einrichtungen in allen Schulen Deutschlands eingerichtet wurden.12

Vielmehr existieren die meisten Schulbibliotheken ohne einen Kontakt zum Öffentlichen Bibliothekssystem. Dies führt fraglos zu einer Reichhaltigkeit von Lösungen für die Aufgaben der Schulbibliotheken, auch zu solchen, die als bibliothekarisch ungenügend angesehen werden. Nimmt man allerdings die Eigenständigkeit der Schulbibliotheken ernst, dann ist zu fragen, ob die bibliothekarischen Standards überhaupt für die Arbeit von Schulbibliotheken als allgemeiner Maßstab gelten können.

In der hier projektionierten Arbeit soll keine Bewertung der Arbeit von Schulbibliotheken vorgenommen werden. Der derzeitige Zustand wird als gegeben angenommen und auf dessen Grundlage untersucht, welche Hilfestellungen und Angebote Öffentlicher Bibliotheken von existierenden Schulbibliotheken als notwendig und als sinnvoll angesehen werden. Hierbei wird es in den unterschiedlich Schulbibliotheken auch unterschiedliche Zielsetzungen geben. Zum einen lassen sich mehrere Grundmodelle von existierenden Schulbibliotheken ausmachen, zum anderen vier unterschiedliche langfristige Zielsetzungen:

  • Die Schulbibliothek könnte ein Interesse daran haben, von Öffentlichen Bibliotheken dabei unterstützt zu werden, überhaupt als funktionierende Einrichtung aufgebaut zu werden. In diesem Fall können zwar die unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen davon, was eine Schulbibliothek sein soll, konfligieren; gleichzeitig wird diese Aufgabe immer wieder in der bibliothekarischen Literatur postuliert.

  • Die Schulbibliothek könnte daran ein Interesse haben, dass Aufgaben, die sie bislang ausfüllt, von einer Öffentlichen Bibliothek übernommen wird, ohne dass die Schulbibliothek selber sich verändern will.

  • Die Schulbibliothek könnte Vorstellungen davon haben, wie sie sich entwickeln möchte, indem sie zum Beispiel bestimmte Angebote auf- oder ausbaut, und dabei die Unterstützung der Öffentlichen Bibliothek einfordern.

  • Die Schulbibliothek könnte als langfristiges Ziel die Eingliederung in das Öffentliche Bibliothekswesen anstreben, auch indem sie dem Grundmodell einer kleinen Stadtteilbibliothek folgt, und dabei die Unterstützung der Öffentlichen Bibliothek einfordern.

2.1 Schulbibliothekarische Arbeitsstellen

In der bibliothekarischen Literatur zu Schulbibliotheken werden des Öfteren schulbibliothekarische Arbeitsstellen und zum Teil auch andere Einrichtungen, die Schulbibliotheken unterstützen sollen – insbesondere Staatliche Fachstellen –, besprochen. In der Realität gibt es nur wenige dieser Stellen, wobei eine Anzahl von ihnen auch eingestellt wurde. Insbesondere in den 1970er Jahren – als im Rahmen der damaligen Debatten um eine Bildungsreform beim Institut für Jugendbuchforschung in einem Projekt versucht wurde, Beratungsstrukturen für den Ausbau eines Schulbibliothekssystems in Westdeutschland aufzubauen und unter anderem mit den Informationen für den Schulbibliothekar (1972-1974) und der darauf folgenden schulbibliothek aktuell (1975-2000) eine Zeitschrift für die fachliche Diskussion über Schulbibliotheken geschaffen wurde – gab es eine Debatte über die tatsächlichen Aufgaben solcher Arbeitsstellen. Obgleich während dieser Debatte teilweise differenzierte Modelle für Schulbibliothekarische Arbeitsstellen vorgelegt wurden,13 hat sich dennoch keine allgemein geteilte Aufgabenpalette oder Aufgabenbeschreibung etabliert.14 Dies änderte sich auch nicht, als es in den frühen 1990er Jahren in den neuen Bundesländern zur Neugründung dieser Arbeitsstellen – von denen allerdings die meisten relativ schnell eingestellt wurden – kam.15

Vielmehr haben sich auch die jeweiligen Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen der jeweiligen Situation vor Ort, sowohl im jeweiligen Öffentlichen Bibliothekswesen als auch in den Schulen und Schulbibliotheken, die betreut werden, angepasst.

  • Eine relativ kleine Anzahl von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen betreibt selber Schulbibliotheken, teilweise mit, teilweise ohne die Unterstützung von anderem Schulbibliothekspersonal.

  • Einige Arbeitsstellen treiben aktiv den Aufbau von Schulbibliotheken voran, wobei sie teilweise die Eingliederung in das Öffentliche Bibliothekswesen anstreben, teilweise die Entscheidung über das Grundmodell den jeweils in einer Schule engagierten überlassen.

  • Eine offenbar größere Zahl übernimmt einzelne bibliothekarische Arbeitsschritte für Schulbibliotheken, wie die Katalogisierung oder das Einarbeiten von Medien.

  • Ebenso werden oft Beratungen zum Bestandsaufbau und zur Bestandsauswahl sowie die Blockausleihe von Beständen für Schulbibliotheken von den Arbeitsstellen angeboten.

  • Selten stellen die Arbeitsstellen offenbar explizit Kontakte zwischen Schulbibliotheken her, wobei auch hier mehrere Formen – zwischen einmaligen Kontakten bis hin zu regelmäßigen Arbeitstreffen – vorzufinden sind.

  • Interesssanterweise ist in Deutschland der Begriff „schulbibliothekarische Arbeit“ nicht auf Schulbibliotheken beschränkt, sondern wird teilweise auch für die direkte Arbeit von Öffentlichen Bibliotheken für Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen und Schüler verwandt. Nicht selten sind solche Angebote wie Klassenführungen, Klassensätze oder Bibliotheksralleys dem Aufgabenfeld Schulbibliothekarischer Arbeitsstellen zugeordnet.

  • Weiterhin ist es nicht selbstverständlich, dass Schulbibliothekarische Arbeitsstellen dem jeweiligen örtlichen Bibliothekssystem zugeordnet sind. Arbeitsstellen befinden sich ebenso bei lokalen Schulämtern.

Nichtsdestotrotz werden offenbar die meisten existierenden Schulbibliotheken nicht von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen oder vergleichbaren Einrichtungen des Öffentlichen Bibliothekswesens erreicht. Während in den 1970er Jahren die Vorstellung in der bibliothekarischen Fachliteratur vorherrschte, dass eine solche Betreuung für all die Schulbibliotheken, die nicht – bzw. wie es im damaligen Fortschrittsverständnis oft hieß, noch nicht – von bibliothekarisch ausgebildetem Personal betrieben würden, notwendig wäre, kann man aufgrund der Erfahrung, dass viele Schulbibliotheken sogar die Schließung solcher Arbeitsstellen überlebten oder auch ohne einen Kontakt mit ihnen auskam, die These aufstellen, dass Schulbibliothekarische Arbeitsstellen zwar mögliche Einrichtungen an der Schnittstelle von Bibliotheks- und Schulwesen darstellen, aber zumindest bislang nicht unbedingt notwendig sind.

Wichtig für die hier skizzierte Arbeit ist, dass man für die Frage, welche Angebote die Öffentlichen Bibliotheken für Schulbibliotheken vorhalten könnten, auf die Erfahrungen der existierenden Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen sowie die in der Literatur niedergelegten Vorstellungen und Erfahrungen aus deren Arbeit zurückgreifen kann. Eine kleine Anzahl dieser Arbeitsstellen existierte mehrere Jahre, teilweise Jahrzehnte. Insoweit kann man davon ausgehen, dass sich eine Erfahrungsmenge aufgebaut hat, obgleich vorauszusehen ist, dass ein großer Teil des in diesen Arbeitsstellen produzierten Wissens nicht verschriftlicht und somit in weiten Teilen – wie gesagt wurden weit mehr Arbeitsstellen wieder geschlossen, als sich heute finden lassen – verloren ist. Allerdings könnten Archivrecherchen noch Unterlagen dieser Einrichtungen zu Tage fördern.

2.2 Modelle von Schulbibliotheken

Auf der Grundlage der verfügbaren Daten über die real zwischen 2008-2010 in Berlin existierenden Schulbibliotheken wurden in einer früheren Arbeit fünf Modelle von Schulbibliotheken identifiziert.16 Diese Modelle wurden auf einer relativ unsicheren empirischen Basis als Idealtypen formuliert, die bislang nicht getestet wurden. Allerdings ermöglichen diese Modelle, das Vorhandensein und Funktionieren miteinander kaum vergleichbarer Schulbibliotheken in einem Schulsystem zu erklären. Sie widersprechen allerdings auch der Vorstellung, dass einheitliche Standards für Schulbibliotheken aufgestellt werden könnten.

Die fünf Modelle gliedern sich wie folgt:

  • Modell Schulbibliothek als Ort des guten Unterrichts, die Einrichtungen beschreiben, welche explizit in ihrer räumlichen Ausstattung und ihrem Bestand daraufhin ausgerichtet sind, die unterschiedlichen Unterrichtsfächer zu unterstützen und gleichzeitig einen Ort zu bieten, an welchem Unterricht stattfinden kann.

  • Modell Schulbibliotheken als Lese-Lern-Räume, die sich explizit auf die Unterstützung des Lesens orientieren, was sich ebenfalls im Bestand, der räumlichen Ausstattung und den möglicherweise vorhandenen Angeboten niederschlägt.

  • Modell Schulbibliotheken als Offene Lernräume, die das selbstständige Lernen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen.

  • Modell Schulbibliotheken als schulfreie Räume, die sich als zensurenfreier Freizeitraum verstehen und sich deshalb kaum oder gar nicht auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler fokussieren.

  • Modell Schulbibliotheken als kleine Stadtteilbibliotheken, die hauptsächlich als anzustrebendes Modell aus der Sicht Öffentlicher Bibliotheken zu bezeichnen und – zumindest in der Großstadt Berlin – kaum nachzuweisen sind.

In der hier skizzierten Arbeit wird davon ausgegangen, dass diese Modelle – trotz ihrer bislang schlechten empirischen Basis – eine gute Ausgangsbasis darstellen, um die möglichen Angebote und Dienstleistungen, welche Schulbibliothek von Öffentlichen Bibliotheken wünschen, zu strukturieren. Es soll – zumindest als These – davon ausgegangen werden, dass sich diese Modelle auch in den Anforderungen der Schulbibliotheken an andere Einrichtungen niederschlagen werden.

2.3 Abgeleitete Angebote Öffentlicher Bibliotheken für Schulbibliotheken

In der Literatur zu Schulbibliotheken ist so gut wie nicht ersichtlich, wie Schulbibliotheken mit Öffentlichen Bibliotheken zusammenarbeiten. Die einzige Ausnahme bieten Schulbibliotheken, die von Öffentlichen Bibliotheken betrieben werden. Ansonsten finden sich – insbesondere von der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle Frankfurt am Main17 – einige Hinweise zu dieser Frage. Allerdings sind auch die Konzepte der meisten Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen daraufhin ausgerichtet, dass Schulbibliothek sich möglichst eng am Vorbild Öffentlicher Bibliotheken orientieren. Dies bedeutet, dass die Mehrzahl der Schulbibliotheken welche in Deutschland existieren und deren mögliche Schnittstellen zu Öffentlichen Bibliotheken, in der bibliothekarischen Literatur nicht beachtet werden.18

In der hier skizzierten Arbeit soll eine Übersicht zu den realen Anforderungen von Schulbibliotheken erstellt werden. Dies wird, trotz der Erfahrungen aus den Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen, erst nach der weiter unten vorgeschlagenen Forschung geschehen können. Dennoch ist es möglich, eine große Anzahl von möglichen Angeboten zu benennen, die sich ergeben:

  1. Aus der bisherigen Arbeit von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen.

  2. Aus Äußerungen von Schulbibliotheken bzw. schulbibliothekarischem Personal die in der Literatur, auf Treffen von schulbibliothekarisch Engagierten sowie in informellen Gesprächen mit dem Autor getätigt wurden.

  3. Aus einer Systematisierung bisher vorhandener Daten.

Diese Angebote werden selbstverständlich unvollständig sein und zudem einen starken Bias in Richtung des Modells Kombinierte Schul- und Öffentliche Bibliothek bzw. der Schulbibliothek als kleiner Stadtteilbibliothek haben. Dennoch werden sie für die Erkundung des Untersuchungsfeldes, insbesondere des Erstellens eines Fragebogens sinnvoll sein. Unter Beachtung dieser Einschränkungen kann man folgende, zudem sinnvoll geclusterte, Liste erstellen:

  • Bestand

    • Bücher- / Medienboxen

    • Überlassung

    • Blockausleihe

    • rotierender Bestand

  • Infrastruktur

    • Katalogisierung (ist das überhaupt notwendig?)

    • Medienbearbeitung

    • Personal

  • Beratung, Weiterbildung

    • Bestandsaufbau

    • Erfahrungen

    • Hilfsmittel

    • Abwicklung

  • Haltung / Habitus der Schulbibliothek gegenüber den Öffentlichen Bibliotheken

    • in Ruhe gelassen werden“

    • gleichberechtigt als bibliothekarischen Einrichtung wahrgenommen werden

    • als Einrichtung in einer Schule wahrgenommen werden

    • als Einrichtung, die unterstützt werden soll, wahrgenommen werden

    • die SuS in den Mittelpunkt stellen

  • Vernetzung / Zusammenarbeit

    • regelmäßig / unregelmäßige Treffen

    • AnsprechpartnerInnen

    • Vernetzung zu anderen Schulbibliotheken organisieren (Netzwerke)

    • Absprache in der Beziehung Schule-Bibliothek-Schulbibliothek

Trägt man diese Liste und die bislang gebildeten Modelle von Schulbibliotheken zusammen, ergibt sich folgende Tabelle. In dieser können – ebenfalls als Thesen – sich zumindest einige Kombinationen als möglich oder nicht möglich abgetragen werden. Diese Möglichkeiten ergeben sich hauptsächlich aus den Modellen der Schulbibliotheken. Sichtbar wird damit, dass zumindest theoretisch die unterschiedlichen Modelle von Schulbibliotheken auch unterschiedliche Anforderungen an die mögliche Unterstützung von Seiten der Öffentlichen Bibliotheken implizieren.

Diese Tabelle kann ebenfalls als Vorgriff auf die erwartbaren Ergebnisse der hier skizzierten Forschung angesehen werden. Die letztlich erhobenen Ergebnisse werden mit hoher Wahrscheinlichkeit differenzierte Aussagen über die Anforderungen von Schulbibliotheken an Öffentliche Bibliotheken ermöglichen, außerdem weitere Formen der potentiellen Unterstützungsleistungen enthalten. Grundsätzlich wird die Form der sinnvollen Datenpräsentation aber eine ähnliche sein.

3. Forschungsfrage

Grundsätzlich soll in der hier skizzierten Arbeit gefragt, welche Anforderungen reale Schulbibliotheken in Deutschland an das Öffentliche Bibliothekswesen haben. Dabei werden Schulbibliotheken als eigenständige Einrichtungen wahrgenommen. Die Forschung wird größtenteils im Land Berlin stattfinden, da für dieses Daten vorhanden sind, auf deren Grundlage eine Vollerhebung der Schulbibliotheken versucht werden kann.

4. Methoden und Forschungsplan

Hauptinstrument der Forschung wird ein Fragebogen zu den Wünschen und Vorstellungen der Schulbibliotheken sein, welcher möglichst an alle Schulbibliotheken im Land Berlin verteilt werden soll.

  1. Der Fragebogen soll aufgrund der bislang publizierten Erfahrungen und Planungen zur Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken und Schulbibliotheken entworfen werden.

  2. Weiterhin soll im Vorfeld eine Reihe von Expertinnen- und Experteninterviews zu diesem Themenbereich geführt werden. Hierfür bieten sich Personal aus den Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen und ähnlichen Einrichtungen sowie Aktive aus Schulbibliotheksnetzwerken, beispielsweise den Landesarbeitsgemeinschaften an. In diesen Gesprächen soll vor allem herausgearbeitet werden, welche Schnittstellen zwischen den Öffentlichen Bibliotheken und Schulbibliotheken tatsächlich bestehen und welche Erfahrungen zur sinnvollen aber auch zu gescheiterten Zusammenarbeiten vorliegen.

  3. Der Fragebogen soll so konzipiert werden, dass er einerseits Auskunft über die grundlegenden Vorstellungen, die in den Schulbibliotheken über die eigenen Ziele und Möglichkeiten vertreten werden sowie dem grundsätzlich gefolgten Modell erteilt und andererseits Aussagen über die möglichen, gewünschten und tatsächlichen Schnittstellen zu Öffentlichen Bibliotheken und die Anforderungen der Schulbibliotheken an die Öffentlichen Bibliotheken möglich werden. Geplant ist eine Vollerhebung der Schulbibliotheken in Berlin, obgleich absehbar ist, dass nicht alle Schulbibliotheken antworten werden.

  4. Geplant ist, ein Pre-Test des Fragebogens in einer Anzahl von Schulbibliotheken in Brandenburg durchzuführen. Dadurch soll ausgeschlossen werden, dass Schulbibliotheken sowohl am Pre-Test als auch an der tatsächlichen Befragung teilnehmen. Schulbibliotheken in Brandenburg bieten sich zudem wegen der räumlichen Nähe zu Berlin an, so dass die Pre-Tests ohne größere Probleme mit Befragungen in den Schulbibliotheken verbunden werden können. Gleichzeitig besteht mit der Landesarbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg ehedem ein organisatorischer Zusammenhang zwischen den Schulbibliotheken beider Bundesländer. So die Landesarbeitsgemeinschaft zur Mitarbeit bewegt werden kann, wäre es möglich, die Einrichtungen für den Pre-Test über sie anzusprechen.19

  5. Wie erwähnt stellt der Autor seit 2008 regelmäßig über die Schulhomepages jährlich einmal eine Sammlung der existierenden Schulbibliotheken in Berlin zusammen.20 Auf diese Daten kann für die Verschickung der Fragebögen zurückgegriffen werden. Geplant ist die Verschickung in mehreren Wellen und Medienformen. In einer ersten Welle sollen die Schulbibliotheken oder, wenn keine andere Kontaktmöglichkeit gegeben ist, die Schulen per Mail gebeten werden, an der Umfrage teilzunehmen. Dabei wird auf die Schulferien und die besonderen Belastungszeiten im Schuljahr zu achten sein. Zu erwarten ist, dass eine Zahl von Rückmeldungen auf andere Kontaktmöglichkeiten oder Zuständigkeiten hinweisen werden. Diese sollen als Nacherhebung angeschrieben werden. In einer zweiten Welle sollen nach dem Überschreiten einer Deadline diejenigen Einrichtungen, die nicht geantwortet haben, noch einmal per Mail angeschrieben werden. Nach dem Überschreiten einer dritten Deadline soll an die nicht antwortenden Einrichtungen der Fragebogen, um eine gewisse Dringlichkeit zu symbolisieren, postalisch verschickt werden.

  6. Der Fragebogen soll eine möglichst große Zahl an offenen Fragen beinhalten. Diese erschweren immer die Auswertung der gesammelten Daten, ermöglichen aber gleichzeitig eine größere Bandbreite an Antwortmöglichkeiten. Da es sich bei dieser Forschung um die erste Erschließung des Feldes Schulbibliotheken in Deutschland in dieser Breite handeln würde, wäre ein Vorgehen mit weitgehend standardisierten Fragestellungen nicht zielführend.

  7. Der Auswertung der Fragebögen soll eine Anzahl von vertiefenden Interviews mit Aktiven in Schulbibliotheken folgen. Diese sollen dem Prinzip der größtmöglichen Erkenntnispotentiale und Kontraste (im Sinne des theoretisches Sampling, wie es in der Grounded Theory benutzt wird) auf der Grundlage der Antworten in den Fragebögen folgend ausgewählt werden. Ziel der Auswertung wird es sein a.) die unterschiedlichen als sinnvoll erachteten Leistungen von Öffentlichen Bibliotheken für Schulbibliotheken zu erfassen, sinnvoll zu clustern und auch nach Häufigkeiten zu ordnen, b.) aus den Antworten durch Inhaltsanalysen Tendenzen der gewünschten Unterstützungsleistungen und, wenn dies möglich ist, der Arbeitsweisen und Vorstellungen, die in Schulbibliotheken betrieben werden, abzuleiten, c.) Felder und potentielle Angebotsformen herausarbeiten, die nicht oder kaum angesprochen werden.

  8. Die Forschung soll auch Auskunft darüber geben, ob sich die Forschungsmethode der Fragebögen für die Forschung über Schulbibliotheken eignet und für zukünftige Forschungen sinnvoll wäre.21

Die abschließende Auswertung der gesammelten Daten soll die Anforderungen von Schulbibliotheken an Öffentliche Bibliotheken systematisieren, eine Hinweis darauf liefern, ob die gebildeten Modelle von Schulbibliotheken sinnvoll sind oder gegebenenfalls ergänzt oder transformiert werden müssen. Zudem soll zumindest ansatzweise thematisiert werden, welche Voraussetzungen auf Seiten der Öffentlichen Bibliotheken gegeben sein müssen, falls sie Angebote entwickeln wollen, um auf diese Anforderungen zu reagieren.

5. Erwartbare Ergebnisse

Die Arbeit soll einen Einblick in die tatsächlichen Praktiken und Vorstellungen, die in Schulbibliotheken vorherrschen, liefern. Das dazu vorhandene Wissen ist bislang im besten Fall als anekdotisch zu beschreiben. Es stammt zumeist aus informellen Gesprächen oder aber aus Schulbibliotheken, die in der bibliothekarischen und der pädagogischen Literatur vorgestellt werden. Allerdings sind diese Bibliotheken zumeist sehr speziell und repräsentieren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die Gesamtheit der Schulbibliotheken in Deutschland. Auch informelle Gespräche, die beispielsweise auf Schulbibliothekstagen geführt werden können, haben zumeist den Bias, dass die dort Anwesenden Engagierten einer Selbstselektion unterliegen. Es sind vor allem diejenigen, die, im Rahmen der ehedem schon gesonderten gesellschaftlichen Gruppe der Engagierten, überdurchschnittlich engagiert sind.

Andere Umfragen aus dem Bibliothekswesen, beispielsweise jährlich in Sachsen-Anhalt, 2007/2008 in Schleswig-Holstein oder auf lokaler Ebene, beziehen sich zum größten Teil auf statistisch abzufragende Werte. In der hier skizzierten Arbeit sollen hingegen die Einstellungen der Engagierten und die Zielvorstellungen der Schulbibliotheken im Vordergrund stehen. Dies scheint in dieser Größe bislang nicht unternommen worden zu sein.

Weiterhin werden die Ergebnisse für das Öffentliche Bibliothekswesen eine praktische Bedeutung haben, da sie die tatsächlich vorhandenen Anforderungen aus Schulbibliotheken darstellen und somit die Abschätzung der Sinnhaftigkeit von Angeboten für Schulen und Schulbibliotheken sowie die Projektionierung weiterer sinnhafter Angebote ermöglichen wird. Bislang sind die Öffentlichen Bibliotheken bei solchen Planungen auf den engen Kontakt mit den Schulbibliotheken vor Ort, welcher allerdings oft nicht als Teil der Arbeitszeit des Personals eingeplant ist, oder auf Vermutungen angewiesen. Die skizzierte Arbeit soll einen Katalog von möglichen Unterstützungsleistungen inklusive einer Gewichtung der Erwartungen erstellen, der sich aus einem weit größeren Pool von Schulbibliotheken speist. Die Ergebnisse dieser Arbeit können also aller Voraussicht nach helfen, die Praxis Öffentlicher Bibliotheken zu informieren.

Zudem sollen die Ergebnisse ermöglichen, im Bibliothekswesen eine fundiertere Debatte über die Stellung von Öffentlichen Bibliotheken zu Schulbibliotheken zu führen. Wie aufgezeigt wurde, gehen die meisten Konzepte der letzten Jahrzehnte davon aus, dass Schulbibliotheken letztlich von Öffentlichen Bibliotheken angeleitet oder diesen sogar unterstellt werden müssten. Hingegen zeigen die Daten, dass Schulbibliotheken relativ unabhängig von den Zielvorgaben des Öffentlichen Bibliothekswesens funktionieren.22 Mit dieser Arbeit soll auch die Grundlage für eine Debatte darüber geliefert werden, ob die Schulbibliotheken nicht sinnvollerweise eher als institutionelle Einrichtungen, die in ihrer spezifischen Arbeit unterstützt werden müssten, verstanden werden können. Dies würde eine andere Konzeption des Verhältnisses von Öffentlichen Bibliotheken und Schulbibliotheken ermöglichen, welche unter Umständen der realen Situation angemessener sein könnte.

 

Literatur

Anonym. (1972). Dokumentation zum Schulbibliotheksplan der Stadt Osnabrück. Informationen für den Schulbibliothekar, (2), 12-27.

Appel, S. (2009). Handbuch Ganztagsschule : Praxis, Konzepte, Handreichungen (6. Aufl.). Schwalbach/Ts.: Wochenschau-Verlag.

Braun, G. (1993). Das Schulbibliothekssystem der Stadtbücherei Landshut. schulbibliothek aktuell, 19(1), 27-35.

Breithaupt, R. (1975). Schulbibliothekarische Arbeitsstellen: Aufgaben – Planung – Arbeitsweise / Erläutert am Modellversuch Frankfurt. Buch und Bibliothek, 27, 201-207.

Buchholz, E. (1976). Konkrete Forderungen und Aufgaben der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen. Buch und Bibliothek, 28, 52-54.

Elstner, R. (1994). Der Aufbau des Leipziger Schulbibliotheksnetzes. Buch und Bibliothek, 46(6/7), 552-556.

Frank, D. (1990). Das Schulbibliothekssystem in Ingolstadt. schulbibliothek aktuell, 16(1), 34-39.

Heyde, K., Jouly, H., Kirchner, C., & Kurschat-Zenkel, B. (1983). Zeichen, Akzente, Ideen : Veränderungen in der Aufgabenstellung staatlicher Fachstellen für das öffentliche Bibliothekswesen in Baden-Württemberg. Buch und Bibliothek, 35(3), 210-218.

Lange-Bohaumilitzki, I. (2011). Auswirkungen von Schulbibliotheken auf Unterrichts- und Lernentwicklungen in Hamburger Schulen: Eine Evaluation der Universität Hamburg in Kooperation mit dem Landesinstitut für Lehrerebildung und Schulentwicklung. BuB, 63(3), 182-183.

Schiberna, A. (2000). Ingolstadt: Ein Jahr Schulmedienzentrale : Die Fusion hat sich gelohnt – und wie! schulbibliothek aktuell, 26(3), 293-294.

Schuldt, K. (o. J.). Interview mit Günter Schlamp. LIBREAS Podcast 11. Abgerufen von http://www.ib.hu-berlin.de/~libreas/libreas_neu/podcast/podcast_11/index.html

Schuldt, K. (2010). Schulbibliotheken in Berlin 2008-2010: Übersicht zu den grundsätzlichen Entwicklungen und der Anzahl der Schulbibliotheken in Berlin. Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft. Berlin: Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin.

Schuldt, K. (2011). Neue Steuerung im Schulwesen: Möglichkeitsräume für Öffentliche Bibliotheken. BuB, 63(3), 174-177.

Seume, U. (1985). Einrichtung und Betreuung kleinerer Schulbibliotheken: Planungen und Erprobungen der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle in Weinheim/Bergstraße. dbi-materialien. Berlin: Deutsches Bibliotheksinstitut.

Wolf, S., & Schuldt, K. (2011). Praxisbuch Schulbibliotheken. Praxisreihe Ganztagsschulen. Schwalbach / Ts. Wochenschau Verlag.

 

Fußnoten 

1 Hier ist auch an Schulbibliotheken zu denken, die ehemals als Außenstellen von Öffentlichen Bibliotheken betrieben und anschließend in die Obhut von Schulen übergeben wurden. Die in vielen Schulen mit solchen Einrichtungen vorzufindende Einschätzung, dass diese Einrichtungen in absehbarer Zeit nicht wieder ins das Öffentliche Bibliothekssystem aufgenommen werden, ist aufgrund dieser Erfahrungen nachvollziehbar. Deshalb stellt sich für diese Einrichtungen verstärkt die Frage, warum diese sich überhaupt an bibliothekarischen Vorstellungen orientieren sollten, schließlich wurden sie explizit – wenn auch oft aus fiskalischen und nicht aus bibliothekarischen Gründen – aus den bibliothekarischen Netzen entfernt.

2 Es geht dabei hier nicht darum, eine Aussage darüber zu treffen, ob diese Situation positiv zu bewerten ist und ob eine Alternative – wobei auch hier mehrere denkbar sind, nicht nur die Eingliederung in das Bibliothekssystem, sondern zum Beispiel auch in das Schulsystem oder das System der Kinder- und Jugendhilfe – sinnvoll wäre. Dies wäre überhaupt erst möglich, wenn weithin geteilte Zielsetzungen von Schulbibliotheken formuliert wären, was realistisch gesehen nicht in einem absehbaren Zeitraum geschehen wird. Allerdings kann darauf verwiesen werden, dass sich Schulbibliotheken in Deutschland vorrangig als den Schulen und Schulprofilen untergeordnete Einrichtungen entwickelt haben, die zudem oft einen großen Freiraum für bürgerschaftliches Engagement eröffnen, zu einem kleinen Teil aber auch direkt dem Bibliothekssystem zugehörig sind. Diese Situation hat sich immerhin als so tragfähig erwiesen, dass sie beständig reproduziert und nur von einem – allerdings augenscheinlich größer werdenden – Teil der in und für Schulbibliotheken Engagierten als so veränderungswürdig angesehen wird, dass sich auch für eine Veränderung engagiert wird.

3 In den bei Lange-Bohaumilitziki (2011) und Seume (1985) dargelegten Konzepten wird demgegenüber postuliert, dass erfolgreiche Schulbibliotheken von Öffentlichen Bibliotheken angeleitet werden müssten und diesen deshalb zu unterstehen hätten. Gleichwohl wird in beiden Texten bemerkt, dass diese Vorstellung nicht von allen Schulen geteilt wird.

4 In der Literatur quasi gar nicht diskutiert ist die Möglichkeit, dass Schulbibliotheken auch direkt die Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern in den einzelnen Schulen unterstützen, beispielsweise durch das Bereithalten von pädagogischer Literatur. In der Realität gibt es in einer kleinen Zahl von Schulbibliotheken auch solche Bestände.

5 Zudem existieren ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit explizit beauftragten Stellen in den jeweiligen Schulämtern, beispielsweise mit der Schulbibliothekarischen Arbeit im Schulamt Treptow-Köpenick von Berlin oder der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle im Schulamt Leipzig.

6 Allerdings muss angemerkt werden, dass es solche Neugründungen auch in den Jahrzehnten zuvor schon gab. Ein Großteil dieser Neugründungen – die beispielsweise in den Ausgaben der zwischen 1975 und 2000 erschienenen Zeitschrift schulbibliothek aktuell relativ regelmäßig angekündigt wurden, zumeist als Schulbibliothekarische Arbeitsstelle – hat seine Tätigkeit wieder eingestellt. Leider liegen keine ausreichenden Berichte über die Erfahrungen dieser Gründungen vor, obgleich diese für eine Neukonzipierung von Angeboten für Schulbibliotheken, die immer wieder in Öffentlichen Bibliotheken angegangen werden, interessant wären.

7 Insoweit bieten sich als soziologische Modelle einer Forschung zu Schulbibliotheken die Systemtheorie und die Theoreme der losen Koppelung an.

8 Vgl. Appel / Rutz (2009).

9 Beispielsweise gehen einige Schulbibliotheken davon aus, dass sie als offene Räume in den Schulpausen als Sozialort genutzt werden müssen, was auch eine gewisse Lautstärke herrscht, während andere Einrichtungen aus Prinzip darauf, dass sie als Leseraum beständig darauf achten müssten, eine Ruhe zu bewahren, die ansonsten – nicht immer zu Recht – wissenschaftlichen Bibliotheken zugeschrieben wird.

10 Vgl. Schuldt (2011). Dies funktioniert weder automatisch noch in allen Schulen. Insbesondere, dass Schulbibliotheken auch „einschlafen“, also geschlossen werden, ohne das dies beklagt wird, weißt darauf hin, dass die Funktionalität der jeweiligen Einrichtung in der individuellen Schule nicht immer ausgeprägt wird. Auch existierende Schulbibliotheken befinden sich teilweise in einer prekären Situation in ihrer Schule, teilweise sogar im Streit mit dieser. Das harmonische Miteinander von Schule und Schulbibliothek, welches auch in der Literatur zu Schulbibliotheken oft implizit vorausgesetzt wird und welches aller Erfahrung nach für die längerfristige Existenz von Schulbibliotheken essentiell ist, findet sich nicht überall.

11 Vgl. noch einmal wegen der dort unmissverständlich vorgebrachten Forderung Seume (1985) und Lange-Bohaumilitziki (2011).

12 Vgl. Frank (1990), Braun (1993), Schiberna (2000),

13 Vgl. Anonym (1972),Breithaupt (1975), Buchholz (1976), Heyde et al. (1983), Elstner (1994).

14 In der DDR wurde eine ähnliche Debatte in den 1960er Jahren geführt, wobei die Situation nicht nur aus politischen Gründen eine andere war. Es gab in den Jugendgesetzen der DDR in den 1950er und 1960er Jahren Vorgaben, dass in jeder Schule eine Schülerbücherei existieren sollte. Die Debatte konzentrierte sich auf die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden könnte – was offenbar niemals vollständig gelang – und ob dabei Schülerbüchereien unter der Obhut der Schulen oder Kinderbibliotheken stehen sollten. Bei letzterer Lösung – die unter dem Namen „Zwickauer Weg“ diskutiert wurde – sollten die Kinderbibliotheken ähnliche Aufgaben übernehmen, wie es dann später die Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen tun sollten. Allerdings lassen sich zu dieser Debatte bislang zu wenig Beiträge nachweisen, um diese weiter einzubeziehen.

15 In einer im Vorfeld dieser Arbeit durchgeführten Recherche wurde ersichtlich, dass sich in deutschsprachigen bibliothekarischen Publikationen Meldungen aus und zu Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen vor allem in den 1980er Jahren finden lassen, als insbesondere in Nordrhein-Westfalen eine Anzahl dieser Einrichtungen begründet wurde, welche allerdings fast ausnahmslos für die 1990er Jahre schon nicht mehr nachzuweisen sind.

16 Schuldt (2010). Daten für das Jahre 2011 liegen ebenfalls vor.

17 Jordan-Bonin (1999).

18 In der praktisch-pädagogischen und der erziehungswissenschaftlichen Literatur werden zwar des Öfteren Schulbibliotheken besprochen, die sich nicht direkt am Modell Öffentlicher Bibliotheken anlehnen. Allerdings wird in solchen Texten die Zusammenarbeit mit Öffentlichen Bibliotheken praktisch nicht thematisiert.

19 Der Zugang zur Landesarbeitsgemeinschaft wird für den Autor über persönliche Kontakte höchstwahrscheinlich möglich sein.

20 Zu den Grenzen der Datenerhebung und die Besprechung anderer möglicher Formen der Datenerhebung siehe Schuldt (2010).

21 Anekdotisch wird aus Öffentlichen Bibliotheken, die auf lokalen Ebene Daten von Schulbibliotheken erheben, berichtet, dass sich viele ihrer Fragebögen für die Schulbibliotheken als zu schwierig herausstellen und weniger bzw. gar nicht beantwortet werden, wenn sie eine gewisse Komplexität erreichen. Allerdings kann dies auch daran liegen, dass die Fragebögen in der Wahrnehmung der Schulbibliotheken zu sehr auf bibliothekarische Terminologie und Konzepte ausgerichtet sind. Auch hierzu liegen bislang keine Erkenntnisse vor.

22 Vgl. Schuldt (o.J.), Wolf / Schuldt (2011).

Was würde eine Wirkungsforschung in Schulbibliotheken ermöglichen?

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Auf dem diesjährigen Bibliothekstag in Berlin wurde auf der Veranstaltung der Expertenkommission „Bibliothek und Schule“ von einem der Teilnehmer, die vom Podium per Namen angesprochen (also offenbar im Kreis der Kommission bekannt ist) wurde, die These aufgestellt, dass es für eine Verbesserung der Situation von Schulbibliothek in Deutschland notwendig wäre, eine Wirkungsforschung zu installieren, welche der Wirkungsforschung in den USA ähnlich sein sollte. Diese Aussage – der in der Veranstaltung mehr oder minder zugestimmt wurde – hat mich seitdem immer wieder beschäftigt, den sie wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet. Wieso soll eine Wirkungsforschung für eine Verbesserung der Situation von Schulbibliotheken notwendig sein? Was soll in diesem Zusammenhang Wirkungsforschung heißen? Wer soll die durchführen?

Ich bin ein großer Freund der Wissenschaft, aber ich habe ehrlich gesagt meine Zweifel an dieser Aussage – vielleicht auch gerade, weil ich die Wissenschaft der Bibliothekspolitik bevorzuge. Gehen wir die Fragen einmal kurz durch.

Warum macht niemand die geforderte Wirkungsforschung?

Eine kurze Anmerkung zu Beginn, die vielleicht etwas angriffig klingt, aber doch notwendig ist: Wenn im Umfeld der Expertenkommission Bibliothek und Schule offenbar die Vorstellung vorherrscht, dass Wirkungsforschung notwendig wäre, warum macht diese dann niemand aus deren Umfeld? Der Ruf nach einer Forschung, die – so wäre meine These – die Vorstellungen der Expertenkommission unterstützt, kann meines Erachtens nicht einfach aufgestellt und dann einer Bibliotheks- oder Bildungsforschung überlassen werden. Es ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft, den Interessen von Interessensgruppen zu entsprechen. Das tut sie schon viel zu oft. Ein Großteil des bibliothekarischen Personals ist akademisch gebildet, der Kontakt zu Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen – also vor allem den Universitäten und Fachhochschulen –, um Unterstützung zu erhalten, ist ebenso leicht herzustellen. Falls es tatsächlich ein Interesse an Wirkungsforschung zu Schulbibliotheken gibt, dann stellt sich die Frage, warum niemand, der oder die ein Interesse an dieser hat, sie durchführt.

Dies ist keine einfache Abwehr von Ansprüchen an die Wissenschaft, es ist ein Verweis darauf, dass diejenigen, die solche Forderungen erheben, auch die Verantwortung haben, an der Umsetzung der Forderung zu partizipieren. Gut möglich, dass beim Entwurf einer Wirkungsforschung auch den Beteiligten auffallen würde, dass ihre implizite Hoffnung auf Unterstützung ihrer Position gar nicht mit wissenschaftlichen Studien zu erfüllen ist. Gerade deshalb wäre es notwendig, die Fordernden einzubinden.

Was soll Wirkungsforschung herausfinden?

Dies führt zu einer wichtigen Frage: Was soll Wirkungsforschung eigentlich untersuchen? Das ist nicht trivial, ich würde vermuten, dass gerade hier der Unterschied zwischen Wissenschaft und dem Anspruch des Umfelds der Expertenkommission zu suchen ist.

Zumindest auf der Veranstaltung auf dem Bibliothekstag entstand der Eindruck, dass es bei der geforderten Wirkungsforschung gerade darum gehen sollte, empirische Nachweise zu führen, dass Schulbibliotheken die Schulqualität verbessern würden. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Das ist so einfach nicht. Zum einen müsste die Frage geklärt werden, was eigentlich Schulqualität – oder wie es auch immer benannt werden könnte – ausmachen soll: Die Noten und Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler bei anderen Leistungstests? Die Zufriedenheit der Lehrkräfte mit der Situation an ihrer Schule? Die Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler? Die Lernbereitschaft? Die Ergebnisse in extra für die Wirkungsforschung entworfenen Tests? Geht es um die Ergebnisse in bestimmten Themenbereichen – zum Beispiel Sprachen und Recherchekenntnissen – oder allen Fächern? Die Reduzierung der Abhängigkeit der Lernergebnisse von sozialen Status der Schülerinnen und Schüler? Die Zufriedenheit der Eltern? Die Zufriedenheit der Politik und Öffentlichkeit mit den jeweiligen Schulen? Die Zufriedenheit des Schulbibliothekspersonals mit der eigenen Arbeit und ihrem Einfluss in den Schulen? Die Reduzierung des Schulabsentismus und Gewalt in Schulen? Diese Frage lässt sich nicht mit einer einfachen Antwort bewältigen, zumal ihre Beantwortung immer eine politische Komponente enthält (Vgl. u.a Zymek et al., 2011) und zudem Gefahr läuft, entweder die Realität unterkomplex erfassen zu vollen oder aber für sinnvoll durchführbare Forschung zu komplex zu werden.

Doch selbst, wenn diese Frage geklärt wird, müsste weiterhin geklärt werden, wie überhaupt empirische Nachweise der Wirkung von Schulbibliotheken geführt werden sollen. Die Gegenüberstellung von Schulen mit und ohne Schulbibliotheken reicht dazu beispielsweise nicht aus. Selbst, wenn wir finden würden, dass Schulen mit Schulbibliothek durchschnittlich bessere Ergebnisse in bestimmten Feldern der Schulqualität aufweisen, als Schulen ohne Schulbibliotheken, [1] ist das kein Nachweis einer Wirkung. Es ist der Nachweis eines Zusammenhanges. Die Frage allerdings, wie diese eventuell besseren Ergebnisse zustande kommen, ist damit nicht zu beantworten. Sind es wirklich die Schulbibliotheken? Gibt es vielleicht andere Faktoren, die dazu führen, dass Schulbibliotheken unterhalten und gleichzeitig bessere Ergebnisse erzielt werden? Oder führt erst die höhere Schulqualität dazu, dass Schulbibliotheken unterhalten werden? Empirie ist immer nur ein Werkzeug, dass bei der Formulierung und Überprüfung theoretischer Modelle benutzt werden kann. Beachtet man die Einschränkungen dieses Werkzeugs, dann ist es fraglos sinnvoll. Aber Empirie alleine kann keine Aussagen oder gar Theorien produzieren, sie kann nur Nachweise erbringen.

Auch eine Wirkungsforschung, die sich fast vollständig Empirie stützt – wie dies bei den School Library Impact Studies, auf welche die Expertenkommission Bibliothek und Schule immer wieder einmal verweist und die wohl auch bei diesem Wunsch Pate standen, getan wird – kommt nicht umhin, zu benennen, wie sie sich Wirkung von Schulbibliotheken vorstellt. Also: Wie wird aus einem Bestand von XYZ Medien pro Schülerin / Schüler eine Notenverbesserung von 0 Komma XYZ? Wie wird aus XZY ausgebildeten Bibliothekarinnen / Bibliothekaren ein Unterschied in der Zufriedenheit der Lehrerinnen / Lehrer um XYZ Prozent? Wenn diese Modelle nicht benannt werden, dann wird mit der Empirie, die Schulen untereinander vergleicht, keine Wirkung nachgewiesen. Solche Modelle finden sich allerdings bislang für Schulbibliotheken in Deutschland kaum.

Was soll eine Wirkungsforschung bewirken?

Interessant ist auch die Frage, wofür die geforderte Wirkungsforschung dienen soll. Schließlich wurde auf dem Bibliothekstag der Zusammenhang zwischen dieser Forschung und der Verbesserung der Situation von Schulbibliotheken direkt hergestellt. Der Eindruck, dass sie vor allem den bibliothekspolitischen Interessen der Expertenkommission dienen soll, entsteht sehr leicht. Bislang ist dem auch niemand entgegengetreten. Dies allerdings würde mehrere Probleme aufwerfen. So kann es nicht die Aufgabe von Forschung sein, irgendein politisches Interesse zu unterstützen. Wissenschaft ist – auch wenn sie von diesem Ideal immer wieder abweicht – gerade ein Weise, Wissen so zu produzieren, dass es überprüfbar dargestellt, transparent erhoben und zudem im eigentlichen Forschungs- und Interpretationsprozess nicht durch politische Erwartungen geleitet wird. Forschung muss ergebnisoffen sein; Politik, auch Bibliothekspolitik, ist dass selbstverständlich nicht.

Man könnte eigentlich erwarten, dass Wirkungsforschung darauf abzielt, zu verstehen, was in Schulbibliotheken eigentlich passiert, wie die Arbeit dort organisiert ist, was die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehren und auch die Institution Schule – ganz abgesehen von weiteren Kooperationspartnern – dort tun, für sich mitnehmen und wie sie die Schulbibliotheken in ihren Alltag in der Schule einbinden. Eine solche Wirkungsforschung könnte über den vollkommen berechtigten Erkenntniswunsch hinaus die Schulbibliotheken darüber informieren, was sie und andere Schulbibliotheken eigentlich tun und wie sie sich verändern können. Ist das bei der Wirkungsforschung, welche die Expertenkommission und ihr Umfeld fordert, angedacht? Das ist nicht so richtig klar.

Die vorbildhaften School Library Impact Studies geben beispielsweise wenig Hinweise für die einzelnen Schulbibliotheken, sie informieren auch gar nicht über deren direkte Arbeitsweisen, sondern liefern Hinweise darauf, dass eine bestimmte Ausstattung von Schulbibliotheken mit bestimmten Ergebnissen in Schulleistungstest korrelieren. (Warum sie korrelieren ist eher selten eine Frage.)

Aber selbst, wenn man akzeptieren würde, dass die Wirkungsforschung vor allem die Thesen der Expertenkommission zur Bedeutung von Schulbibliotheken unterstützen soll, würde das ein großes Problem aufwerfen: Was tun, wenn die Wirkungsforschung gar nicht zu den erwarteten Ergebnissen kommt, wenn sie zum Beispiel keinen Zusammenhang zwischen Schulbibliothek und Ergebnissen der Schulen in Leistungstests feststellen kann? Wird die Expertenkommission dann dafür plädieren, aus diesen Ergebnissen zu lernen und Schulbibliotheken zu schließen? (Oder wenn gefunden wird, dass Schulbibliotheken mit besseren Ergebnissen korrelieren, aber die Arbeit von Öffentlichen Bibliotheken mit Schulen keinen Einfluss auf Noten hat? Soll Öffentliche Bibliotheken dann ihre Arbeit für Schulen einstellen?) Wenn man sich schon politisch der Forschung bedienen will, sollte dies aus Fairness eigentlich erwartetet werden. Eine kleinteilige Wirkungsforschung würde mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu dem Ergebnis kommen, dass es zumindest bis zu einem bestimmten Größe des Bestandes relativ irrelevant für die „Wirkung“ einer Schulbibliothek ist, ob diese von bibliothekarisch ausgebildetem Personal oder von anderem Personal geführt wird. Der Effekt wird sich eher daran bemessen, ob es überhaupt eine Schulbibliothek gibt oder nicht. Würde dann die Expertenkommission die Forderung, in Schulbibliotheken Diplom-Bibliothekarinnen/Bibliothekare einzustellen, aufgeben? Was, wenn sich herausstellt, dass im Schulkontext die Leitung einer Schulbibliothek durch Lehrerinnen und Lehrer mehr Effekte hat, als die Leitung durch Bibliothekarinnen und Bibliothekare? Dies ließe sich mit einem sehr einfachen theoretischen Modell erklären, schließlich ergeben sich die Anforderungen an Schulbibliotheken aus dem Schulalltag und dem Unterricht, nicht aus der bibliothekarischen Praxis. Das würde die gleiche Frage aufwerfen.

Auch dies ist wieder keine triviale Frage. Eine Wirkungsforschung wird nicht zu den Ergebnissen kommen, die sich von den bibliothekspolitisch Interessierten erhofft werden. Das ist normal: Keine Wirkungsforschung zu irgendeiner Intervention in den Schualltag hat jemals die erhofften Ergebnisse erbracht. Egal ob Ganztagsschulen oder bewegter Unterricht, gegliedertes Schulsystem oder programmierter Unterricht, Projektarbeit oder Einsatz elektronischer Medien – durchgängig sind die Effekte geringer, als sie sich bei der Einführung erhofft werden. Warum ist das so? Zu vermuten ist, dass Schule und Lernen eine viel zu komplexe Struktur und ein zu komplexer Vorgang ist, um sie mit einer Intervention alleine vollständig zu verändern oder zu verbessern. Es geht offenbar immer wieder um graduelle Veränderungen, die zudem immer nicht intendierte Effekte – nicht unbedingt immer, aber oft, negative – zeitigen. Wer eine Wirkungsforschung zu Schulbibliotheken fordert, wird damit umgehen müssen, dass dieser Wirkungsforschung auch nachweisen wird, dass viele Hoffnungen, die in Schulbibliotheken gesetzt werden, sich nicht im großen Maße erfüllen.

Sind empirische Nachweise notwendig für eine bildungspolitische Entscheidung?

Ein kurzer Blick auf ein verwandtes Thema irritiert die implizite Hoffnung, mit einer Wirkungsforschung für Schulbibliotheken auch Argumente für Schulbibliotheken zu produzieren, noch mehr. Wir leben in Zeiten, in denen bildungspolitische Entscheidungen – und der großflächige Ausbau von Schulbibliotheken, zumal mit der Unterstellung unter das Bibliothekssystem, wäre eine solche – als rationale Entscheidungen präsentiert werden. Der aktuell stattfindende massive Ausbau von Ganztagsschulen wird beispielsweise nicht damit begründet, dass die politischen Parteien Ganztagsschulen als Teil ihrer Gesellschaftsvorstellungen ansehen, sondern es wird auf Studien verwiesen, aus denen sich ableiten ließe, dass Ganztagsschulen eine höhere Schulqualität aufweisen würden. Oder aber es wird behauptet, dass Ganztagsschulen eine logische Konsequenz aus den PISA-Studien darstellen würde. [2]

Es ist nicht uninteressant, in die empirische Forschung zu Ganztagsschulen zu schauen, die mit dem forcierten Ausbau von Ganztagsschulen in Deutschland in den letzten Jahren etabliert wurde. Hier zeigt sich nämlich eine erstaunliche Diskrepanz: Die Empirie unterstützt die Hoffnungen, welche mit dem Ausbau verbunden wurden, nicht. Dennoch wird der Ausbau fortgesetzt. Andreas Wiere hat kürzlich die vorhandenen Daten des Ganztagsschulforschung zusammengefasst und kommt zu folgendem Ergebnis:

Der empirischen Schulforschung dürfte es unter diesen Voraussetzungen [von unterschiedlichen Seiten zahlreich und zum Teil widersprüchlich formulierten Hoffnungen an Ganztagsschulen, K.S.] schwer fallen, die intendierte Wirksamkeit, sprich sämtliche Erwartungen, die an die Ganztagsschule gekoppelt sind, nachzuweisen. Sie ist damit auch kaum als argumentativer Steigbügelhalter für die Durchsetzung eines bereits in seinen Konturen absolut unscharfen Schulmodells geeignet. Selbstverständlich ist es möglich, Schülerzahlen zu erheben, die am Nachmittag im Rahmen des Ganztagsangebots betreut werden. Hiermit lässt sich eine Aussage hinsichtlich der Wirkung von Ganztagsangeboten in Bezug auf das Ziel der Verbesserung der nachmittäglichen Betreuungssituation formulieren. Darüber hinaus kann die erziehungswissenschaftliche Forschung mehr oder weniger verlässlich die Wirkung eines Ausschnitts der sich etablierenden Praktiken beschreiben, aber nicht mit Sicherheit Aussagen über erreichte intendierte Wirkungen formulieren, die allein auf die Existenz irgendeiner ganztätigen Organisationsform zurückzuführen sind. Die empirische Schulforschung ist deshalb von allen ein bedeutender ‚Seismograph‘ der Situation. Man kann von ihr aber keine abschließenden Urteile über das Funktionieren oder Scheitern einer mit vielen Erwartungen verbundenen Idee erhoffen, die zum einen in ihren Konturen verschwimmt und zum anderen lediglich Teil eines systemischen Bedigungskontextes ist.“ (Wiese 2011b, S. 36f.)

Die tatsächlich vorhandenen Ergebnisse zur Wirkung von Ganztagsschulen beschreibt er mit Bezug auf die mit der Ganztagsschule verbundenen Hoffnungen wie folgt:

„Im Hinblick auf die […] dargestellten sozial-, bildungs- und wirtschaftspolitischen sowie schul- und sozialpädagogischen Begründungen für mehr Zeit in der Schule erscheint die Lösung Ganztagsschule fast so unspezifisch und flexibel wie ein Gesundheitsbad. Das ist generell auch für alles gut. Wenn man nicht genau weiß, ob es hilft, kann es zumindest nicht schaden und hinterher fühlt man sich auch irgendwie besser.“ (Wiese 2011a, S. 30)

Oder anders gesagt: Zumindest im Fall der Ganztagsschulen ist es bislang relativ egal, was die Wirkungsforschung an Ergebnissen zeitigt. Diese Ergebnisse sind nicht für den Ausbau der Ganztagsschulen herangezogen worden, sie haben auch niemanden überzeugt, Entscheidungen zu treffen. Wiese (2011a) verweist sogar darauf, dass die aus den 1970er Jahren schon vorhandenen Ergebnisse der Ganztagsschulforschung, welche vielen Hoffnungen, die heute geäußert werden, widersprechen, einfach ignoriert wurden.

Insoweit wäre auch zu fragen, was eine Wirkungsforschung in Schulbibliotheken, die sich an den School Library Impact Studies orientieren würden, eigentlich bewirken könnte, selbst wenn sie die Hoffnungen aus dem bibliothekarischen Diskussionszusammenhang an Schulbibliotheken erfüllen würden. Es steht nicht zu erwarteten, dass solche Ergebnisse einen großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Warum das so ist, soll hier aufgrund der Komplexität der Frage gar nicht besprochen werden. Wichtig ist erst einmal der Hinweis.

Sind Wirkungsforschungen sinnvoll?

Ich hoffe, dass klar geworden ist, warum es besser wäre, einige Vorsicht walten zu lassen, wenn man Wirkungsforschung für Schulbibliotheken fordert. Das Problem dabei wäre gar nicht die Forschung, sondern die Hoffnungen, die damit verbunden werden.

Interessant ist allerdings, dass wir bei der Diskussion dieser Frage von einer Institution abgekommen sind: Den Schulbibliotheken selber. Forschung sollte sich nicht an den Interessen der erforschten Institutionen orientieren, sondern, solange sich dies forschungsethisch begründen lässt, am Erkenntnisinteresse der Forschenden. Dennoch lässt sich die Frage stellen, ob eine Wirkungsforschung in Schulbibliotheken auch Schulbibliotheken selber zu Gute kommen könnte. Hier wäre tatsächlich die kritische Anfrage an School Library Impact Studies und ähnliche empirische Forschung zu stellen, was diese den einzelnen Schulbibliotheken in deren Arbeit eigentlich bedeuten können. Kurz: Relativ wenig, eigentlich gar nichts, da sie ja meist einfach Vergleiche anstellen, anstatt theoretische Modelle zu überprüfen. Was soll eine Schulbibliothek damit anfangen, dass es einen Zusammenhang auf institutioneller Ebene zwischen dem Vorhandensein eines Schulbibliothek und bestimmten Testergebnissen oder Zensuren gibt? Das zeigt nicht, wie die Arbeit von Schulbibliotheken wirkt oder verändert werden kann.

Es gibt die Tendenz, Forschung durch die Praxis zu begründen: Forschung wird damit begründet, dass sie der Praxis ein Wissen produziert, welches die Praxis verwenden kann. Das muss man nicht gut finden. Allerdings: Wenn man sich einmal darauf einlässt, wird sichtbar, dass für die Schulbibliotheken selber eine ganz andere Form von Wirkungsforschung sinnvoll wäre, nämlich eine, welche die tatsächliche Arbeit in den einzelnen Einrichtungen untersucht. Auch dabei stellen sich hunderte von Fragen, die erst noch beantwortet werden müssten: Welche Arbeit? Wie soll welche Wirkung überprüft werden? Wie bildet man die Komplexität der Lern- und Lehrprozesse ab, um darin dann die Wirkung von Schulbibliotheken zu untersuchen? Bekanntlich gibt es die Tendenz, je näher man Forschung an den einzelnen Einrichtungen verortet, umso weniger Vergleichswerte wie Zensuren oder PISA-Ergebnisse heranzuziehen. Fragen danach, ob die Schülerinnen und Schüler sich in der Schule wohl fühlen und der Meinung sind, gut Lernen zu können, werden dann beispielsweise wichtiger, als die Frage, ob eine pädagogische Intervention zur Steigerung der Durchschnittsnote von 0,1 Zensurenpunkten führt. Dies wird auch passieren, wenn man eine Wirkungsforschung auf die einzelnen Schulbibliotheken bezieht und nicht auf übergreifende Entitäten wie „alle Schulen in Bundesland XYZ mit Schulbibliotheken“. Eine solche Wirkungsforschung kann sinnvoll sein, fraglos. Nur halt weniger für bibliothekspolitische Belange.

Literatur

Wiese, Andreas (2011a) / Warum Ganztagsschule? : Rekonstruktion einer bildungspolitischen Kampagne. – In: Gängler, Hans ; Markert, Thomas (Hrsg.) / Vision und Alltag der Ganztagsschulbewegung als bildungspolitische Kampagne und regionale Praxis. (Studien zur ganztägigen Bildung). Weinheim ; München: Juventa Verlag, 2011, S. 13-32.

Wiese, Andreas (2011b) / Wie wirkt die Ganztagsschule? : Forschungsfragen und Befunde. – In: Gängler, Hans ; Markert, Thomas (Hrsg.) / Vision und Alltag der Ganztagsschulbewegung als bildungspolitische Kampagne und regionale Praxis. (Studien zur ganztägigen Bildung). Weinheim ; München: Juventa Verlag, 2011, S. 33-58.

Zymek, Bernd; Wendt, Sabine; Hegermann, Moritz; Ragutt, Frank (2011) / Regional Governance und kommunale Schulentwicklungspolitik im Prozess des Rück- und Umbaus regionaler Schulangebotsstrukturen. – In: Zeitschrift für Pädagogik, 57 (2011) 4, S. 497-512.

Endnoten

[1] Selbstverständlich würde man in der Forschung weiter differenzieren zwischen Schulen mit unterschiedlichen Schulbibliotheken.

[2] Ganztagsschulen sind das hier gewählte Beispiel, aber fast alle bildungspolitischen Entscheidungen werden heute auf ähnliche Weise begründet. Diese vorgebliche rationale Grundlage – die allerdings immer wieder durch die unterschiedliche Interpretation der gleichen Daten und Studien irritiert wird – hat den bildungspolitischen Diskurs, in dem mit politischen Argumenten – also beispielsweise der Vorstellung, dass eine demokratische Gesellschaft ein demokratisches Schulsystem benötigt, weil sie sonst nicht demokratisch wäre – Politik gemacht wird, ersetzt. Allerdings heißt dies nicht unbedingt, dass die politischen Vorstellungen nicht doch die handlungsleitenden wären. Sie scheinen nur nicht mehr offen ausgesprochen zu werden.

Zwei Schulbibliotheksveranstaltungen nebeneinander

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Am Mittwoch, dem 08.06.2011, fanden hintereinander zwei Veranstaltungen statt, die sich thematisch eng aufeinander hätten beziehen können, es aber praktisch überhaupt nicht taten. Von 16 bis 18 Uhr veranstaltete die dbv-Expertenkommission Bibliothek und Schule auf dem 100. Bibliothekstag eine Sitzung unter dem Titel „Auf die Schule setzen“, quasi direkt im Anschluss fand nur einen Berliner Bezirk weiter die Jurysitzung zur (ersten) Berliner Schulbibliothek des Jahres statt. Dieser Wettbewerb wurde von der Arbeitsgemeinschaft Schulbibliotheken Berlin-Brandenburg, in Anlehnung an den Preis zur Schulbibliothek des Jahres in Hessen, ausgeschrieben. Einen weiteren für Brandenburg gab es auch schon.

Erstaunlicherweise hatte man befunden, dass gerade ich für diese Jury passend sei. Deshalb hatte ich die Verantwortung mitzutragen, zwischen fast 30 Einsendungen zu diesem Wettbewerb die „besten“ auszuwählen. Das war erwartungsgemäß nicht einfach. Alle Schulbibliotheken, die teilgenommen haben, sind sehr unterschiedlich, setzen sich eigene, oft an den jeweiligen Schulen orientierte, Ziele und werden allesamt mit großem Engagement betrieben. Welche Einrichtungen von der Jury ausgewählt wurden, wird auf der Preisverleihung am nächsten Donnerstag, den 16.06.2011, um 16.00 Uhr in der Schule auf dem Tempelhofer Feld verkündet. Zu dieser Veranstaltung wird öffentlich eingeladen, insoweit sind auch alle willkommen. Letztlich kann man aber sagen, dass keine der Einrichtungen, die eine Bewerbung eingereicht haben und dann nicht ausgewählt wurden, schlechte Arbeit geleistet hätte. Das eine Einrichtung „gewonnen“ hat und die anderen nicht, liegt eher in der Struktur solcher Wettbewerbe begründet als in dem Engagement der teilnehmenden Einrichtungen.

Wie gesagt wird die Entscheidung der Jury am Donnerstag verkündet. Verwirrend und bezeichnend zugleich war allerdings die Gleichzeitigkeit dieser Jurysitzung mit den Präsentationen der ganzen Schulbibliotheken, die sich fast durchgängig eigenständig Aufgaben, Ziele und Strukturen gegeben haben und der Veranstaltung der Expertenkommission Bibliothek und Schule auf dem Bibliothekstag. Es gab zwischen beiden einfach gar keine, wie auch immer geartete Verbindung.

Die Veranstaltung der Expertenkommission begann mit einem Bericht über Schulbibliotheken in den USA. Nicht, dass in diesem Vortrag etwas berichtet wurde, was nicht auch anderswo schon über deren Situation bekannt war. Aber ganz offensichtlich waren dies für einen großen Teil der Anwesenden immer noch neue Informationen. Erstaunlich war allerdings, dass der Vortrag praktisch keine der problematischen Entwicklungen in den USA – nicht nur, dass dort aktuell um die Existenz vieler Schulbibliotheken gekämpft werden muss, sondern vor allem, dass der pädagogische Anteil der Ausbildung der teacher-librarians insbesondere in der jetzigen finanziellen Krise dazu führt, dass sie mehr und mehr als „richtige“ Lehrerinnen und Lehrer eingesetzt werden – thematisierte. Die einzige kritisch gemeinte Anmerkung zielte darauf, dass die US-amerikanischen Schulbibliotheken weniger mit Öffentlichen Bibliotheken zusammenarbeiten würden, als dies in Deutschland der Fall sei. Das allerdings scheint zu bezweifeln zu sein. Der Großteil der Schulbibliotheken, welcher der dbv-Expertenkommission bekannt ist, mag mit Öffentlichen Bibliotheken zusammenzuarbeiten oder gar von diesen geführt werden. Aber das liegt auch in der Natur der Sache: Schließlich ist die Expertenkommission eine Abteilung des dbv. Der größte Teil der anderen Schulbibliotheken kooperiert kaum oder gar nicht mit Öffentlichen Bibliotheken. Allerdings schienen sich die Informationen der Referentinnen zur Situation in Deutschland einzig auf den Aussagen der Expertenkommission zu basieren, die leider (immer noch) einen großen Bias enthalten.

In einem zweiten Vortrag berichteten zwei deutsche Bibliothekarinnen, die am Librarian in Residence-Programms des Goethe Instituts New York teilgenommen hatten, über eine Studienfahrt im Rahmen dieses Programms, die sich auf Schulbibliotheken in den USA bezog. Dieser Vortrag war inhaltlich mit dem Artikel der beiden Referentinnen in der Aprilausgabe der BuB identisch, aber offenbar ebenso für einen Großteil der Anwesenden inhaltlich neu.

Nach diesen beiden Vorträgen stellte die Expertenkommission die – anderswo wohl als steil bezeichnete – These auf, dass es den Schulbibliotheken in Deutschland vor allem an Standards mangeln würde; insbesondere an solchen zur Informationskompetenz. Deshalb folgten – immerhin in einer Veranstaltung unter dem Titel „Auf die Schule setzen“ – zwei Vorträge zur „Informationskompetenzvermittlung“. Auch diese hatten ihre Schwächen. Beispielsweise wurden im ersten Vortrag die Begrifflichkeiten „Kompetenz“, „Qualifikation“ und „Fähigkeiten“ – wieder einmal – wild durcheinander benutzt, ohne auf die inhaltlichen Differenzen der hinter diesen stehenden pädagogischen Konzepte einzugehen, [1] und zudem die eine besprochene Kompetenz zu einem großen Teil in einem argumentativen Zirkelschluss mit anderen Kompetenzen erklärt.

Interessant war aber vor allem das Vorgehen: Anstatt über die Situation von tatsächlich existierenden Schulbibliotheken in Deutschland – oder wenn man schon vor Ort war in Berlin und Brandenburg – zu diskutieren, wählte die Expertenkommission lieber das Thema „Informationskompetenz“. Das ist selbstverständlich das Recht der Kommission. Wer es ändern will, sollte sich dafür engagieren. Gleichzeitig aber fand der Bibliothekstag auch auf dem Jury-Treffen zur Schulbibliothek des Jahres keine Erwähnung. Offensichtlich existieren hier zwei Diskurse nebeneinander: Einer, der sich auf einige, wenige, stark bibliothekarisch orientierte Schulbibliotheken (die es in dieser Form in Berlin gar nicht gibt) bezieht und einer, der sich stark an den existierenden Schulbibliotheken anbindet und kein großes Interesse an den bibliothekarische Debatten entwickelt. Das ist keine neue Situation, am letzten Mittwoch wurde sie nur wieder einmal sehr klar offenbar.

[1] Originalzitat des Referenten: „Die Informationskompetenz ist eine Schlüsselqualifikation.“ Eine solche Aussage beachtet offenbar nicht, dass „Schlüsselqualifikation“ eine pädagogische Begrifflichkeit ist, deren Einschränkungen gerade durch das Kompetenzkonzept überwunden werden sollte. Würde die Aussage des Referenten so ernst genommen, dann würde er mindestens das Scheitern des pädagogischen Versuchs, die Grenzen des Qualifikationsbegriffs zu überschreiten, behaupten.

Forschungen zur Schulsozialarbeit als Vorbild für Schulbibliotheksforschung

Die Forschungen über die Schulsozialarbeit können unter anderem als Vorbild für Forschungen über Schulbibliotheken dienen. Es scheint im Bibliothekswesen kaum bekannt zu sein, welches Wachstum dieses Feld der Sozialarbeit und die dieses Feld untersuhende Forschung in den letzten zehn bis zwanzig Jahren zu verzeichnen hatte. Dieser Text soll zumindest die Grundzüge umreißen. Dabei geht es nicht um die Schulsozialarbeit selber – die selbstverständlich wichtig ist, aber wohl auch einer Einführung in die Theorie und Praxis der Soziale Arbeiten bedürfen würde, um nachvollziehbar dargestellt werden zu können – sondern darum, dass zu dieser Praxis Untersuchungsdesigns erarbeitet und Forschungsdesigns erprobt wurden, welche unter gewisser Anpassung auch für eine Forschung zu Schulbibliotheken adaptiert werden könnte. Mir scheint, dass es bei allen Differenzen auch erstaunlich ähnliche Strukturen in der Schulsozialarbeit und den Schulbibliotheken zu geben scheint.

Durchsetzung der Schulsozialarbeit in den letzten 20 Jahren

Schulsozialarbeit ist zuerst einmal als Soziale Arbeit in Schulen zu verstehen. Allerdings greift das etwas kurz. Es handelt sich nicht um Soziale Arbeit, die von außen für und an Schulen geleistet wird, sondern um Soziale Arbeit, die direkt strukturell in der Schule, als Bestandteil der Schule und im Schulgebäude verankert ist. Der Unterschied ist ungefähr der wie der zwischen Arbeit Öffentlicher Bibliotheken für Schulen und Schulbibliotheken, die in Schulen verankert sind.

Karsten Speck – jetzt Professor am Institut für Pädagogik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, früher in Potsdam –, der neben seinem häufigen Publikationspartner Thomas Olk von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den deutschsprachigen wissenschaftlichen Diskurs zur Schulsozialarbeit in weiten Teilen dominiert, verweist darauf, dass das Wachstum der Schulsozialarbeit als eigenständigem Zweig der Sozialen Arbeit auf drei grundlegenden Entwicklungen beruhte (Speck, 2007):

  1. Die Öffnung der Schulen für außerschulische Partner im Rahmen der Schulreformen, die in Deutschland in den 1990er Jahren begannen. Diese programmatische Öffnung nach innen und außen, verbunden mit der Aufforderung zur ständigen Schulentwicklung, ermöglichte die zunehmende Etablierung außerunterrichtlicher Einrichtungen in Schulen.

  2. Die Rücknahme der radikalen Schulkritik in der Sozialen Arbeit. Es gab und gibt eine Kritikströmung in der Sozialen Arbeit, welche die Schule hauptsächlich als Zwangseinrichtung begreift und soziale Probleme der Schülerinnen und Schüler der Organisationsform der Schulen zuschreibt. Neben dieser Strömung haben sich allerdings Strömungen durchgesetzt, die zwar weiter eine Distanz zur Schule halten, aber diese auch als Sozialraum mit unterschiedlichen Potentialen wahrnimmt; in gewisser Weise also akzeptieren, dass nicht nur die Soziale Arbeit, sondern auch die Schule, beziehungsweise die Lehrerinnen und Lehrer (und weitere Personen), das Beste für die Schülerinnen und Schüler wollen.

  3. Die Transformation der Schulsysteme in den neuen Bundesländern (und Berlin), welche eine Dynamik in Gang setzte, die auch in auf andere Schulsysteme (in diesem Fall namentlich der Deutschschweiz und der alten Bundesländer in Deutschland) indirekte Auswirkungen hatte. [1]

Das Zusammentreffen dieser drei Entwicklungen verband sich mit einem Diskurs, den Claudia Streblow (2005) als Differenzansatz beschreibt. Der Schule werden Differenzen zur Lebenswelt nachgewiesen oder auch nachgesagt, die sich aus der Struktur der Schule selber ergeben. Die Schule und insbesondere die Lehrerinnen und Lehrern seien nicht in der Lage, die gesamte Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler abzudecken, sie müssten es aber auch nicht. Die Bearbeitung dieser Differenz würde von der Schulsozialarbeit übernommen.

Selbstverständlich funktioniert diese Diskursstrategie nur, wenn sie auch von den Schulen und der Schulpolitik akzeptiert wird. Dadurch, dass die Soziale Arbeit sich als Partner der Schulen für die Bearbeitung eines akzeptierten Problems, welcher die Professionalität und Aufgabenzuschreibung der Lehrerinnen und Lehrer zugleich nicht angreift, darstellen konnte und zudem – dass der weitere Punkt – in den Feldprojekten auch Erfolge zeitigte, konnte sie sich in den meisten Schulen etablieren.

Insbesondere für die Deutschschweiz wird zudem immer wieder darauf hingewiesen, dass die Schulsozialarbeit zudem finanzielle Effekte hätte. Durch die Schulsozialarbeit würden Folgekosten (also beispielsweise für Heimeinweisungen) eingespart. [2]

Das interessante für den Bibliotheksbereich ist hierbei, dass die Schulsozialarbeit es über diesen Diskurs geschafft hat, sich in den Schulen zu etablieren, während die Bibliotheken in der gleichen Zeit nur ein sehr mäßiges Wachstum der Zusammenarbeit von Schulen und Bibliotheken verzeichnen konnten. Auch das nachweisbare Wachstum der Schulbibliotheken geht ja kaum auf das Öffentliche Bibliothekswesen zurück. Kooperationsverträge sind nun einmal etwas anderes, als Personal, dass direkt in Schulen angestellt und tätig ist. Offenbar ist die Defizitbeschreibung der Schulsozialarbeit drängender gewesen, als die der Bibliotheken, eventuell auch die nachgewiesene Akzeptanz der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Nachweis von tatsächlichen oder angenommenen Erfolgen. [3]

Die Datenbasis ist in den einzelnen Bundesländern und – wie gesagt ist die Deutschschweiz auch von dieser Entwicklung betroffen und hat zudem in den Fachhochschulen für Soziale Arbeit Einrichtungen gefunden, die mehr oder minder regelmäßig zur Schulsozialarbeit forschen – Kantonen unterschiedlich, dennoch lässt sich der Trend zur Etablierung nicht abweisen. So können Vögeli-Mantorvani und Grossenbacher (2005) für die Deutschschweiz im Jahr 1998 16 Projekte der Schulsozialarbeit in 34 Schulen nachweisen und 2005 schon über 200. Im Sammelwerk von Karsten Speck und Thomas Olk (2010) wird zumindest für die gesamten Neuen Bundesländer in den Einzelbeiträgen bei allen, zumeist fiskalischen Schwierigkeiten, eine Etablierung der Schulsozialarbeit an Schulen aller Schulformen nachgewiesen.

Zur Definition und Aufgaben der Schulsozialarbeit

In den einzelnen Schulen ist die Schulsozialarbeit relativ unterschiedlich strukturiert, auch wenn es selbstverständlich immer Gemeinsamkeiten gibt. (Vgl. Baier / Heeg, 2011) Matthias Drilling versucht, das Feld mit folgendem Definitionsversuch zu fassen:

„Schulsozialarbeit ist ein eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe, das mit der Schule in formalisierter und institutionalisierter Form kooperiert. Schulsozialarbeit setzt sich zum Ziel, Kinder und Jugendliche im Prozess des Erwachsenwerdens zu begleiten, sie bei einer für sie befriedigenden Lebensbewältigung zu unterstützen und ihre Kompetenzen zur Lösung von persönlichen und / oder sozialen Problemen zu fördern. Dazu adaptiert Schulsozialarbeit Methoden und Grundsätze der Sozialen Arbeit auf das System Schule.“ (Drilling, 2009, S. 14)

„Schulsozialarbeit ist nicht einfach die Übertragung von Sozialer Arbeit in die Schule. Schulsozialarbeit ist innerhalb eines Systems tätig, das eigene Methoden und Verfahren entwickelt hat, wie es mit leistungsschwachen oder schulmüden Schülerinnen und Schülern umzugehen gedenkt. Diese Systemzusammenhänge gilt es zu kennen und in die Arbeit einzubeziehen.“ (ebenda, S. 144)

In dieser Definition werden einige wesentliche Grundzüge der Schulsozialarbeit benannt, die auch dann wichtig werden, wenn man sie versucht, zu Schulbibliotheken und die Zusammenarbeit von Öffentlichen Bibliotheken und Schulen zu parallelisieren:

  1. Schulsozialarbeit ist eine eigenständige Form der Jugendhilfe. Sie ist nicht einfach Übertragung der Jugendhilfe, sondern eine Reinterpretation der Aufgaben, Felder, Möglichkeiten, Zielsetzungen und Methoden der Jugendhilfe im schulischen Kontext. Sie ist, um es kurz zu fassen ein eigenständiger Typus der Jugendhilfe; etwas anderes, als Jugendhilfe außerhalb der Schule.

  2. Im Mittelpunkt der Schulsozialarbeit stehen die Kinder und Jugendlichen und deren Gelingen bei der Bewältigung ihrer Lebensaufgaben. Dies ist ein anderer Fokus, als der von Lehrerinnen und Lehrern, die Unterricht gestalten und zuvorderst an die zu vermittelnden Inhalte und die Unterstützung von Kompetenzaufbau denken müssen. Für die Sozialarbeit ist es wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen ihr Leben gesamt bewältigen können. Dies muss nicht immer mit den Zielen der Schule – also zum Beispiel dem Besuch von Unterricht – einhergehen; auch wenn es das oft tut.

  3. Schulsozialarbeit ist nicht zufällig oder einmalig, sondern formalisiert und institutionalisiert, dass heißt auch, ansprechbar, einplanbar und in ihren Grenzen bekannt. Den Lehrerinnen und Lehrern tritt mit der Schulsozialarbeit also innerhalb der Schulen selber eine zugleich in ihren Aufgaben und Möglichkeiten einigermaßen festgeschriebene, aber zugleich selbstständig handelnd und auftretende Institution gegenüber.

Schaut man die Zusammenfassungen der Evaluationsstudien auf die Ausgestaltung der Schulsozialarbeit hin durch, so gehört zu Grundausstattung der Schulsozialarbeit eine Angestellte oder ein Angestellter – allerdings nicht immer mit voller Personalstelle – mit professioneller sozialpädagogischer Ausbildung, in der Schweiz zum Teil auch einer speziellen Ausbildung für die Schulsozialarbeit, zudem ein Büro in der Schule mit der gesamten notwendigen Ausstattung. Die meisten Einrichtungen können zudem weitere Räume, beispielsweise für freie Angebote, nutzen. In einer ganzen Anzahl von Einrichtungen sind weit mehr Personen angestellt. Beispielsweise werden in den Schulsozialstationen in Berliner Grundschulen explizit gemischtgeschlechtliche Teams eingesetzt. (Gleichzeitig gibt es auch Modelle, in denen eine Person an verschiedenen Schulen tätig ist, was allerdings immer wieder als unzulängliche Lösung beschrieben wird.)

Die Arbeit der Schulsozialarbeit passt sich der Situation vor Ort in den einzelnen Schulen an. Der Großteil der Arbeit strukturiert sich in Beratung und Offene Angebote. Dabei ist es offensichtlich wichtig, dass die Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter auf der einen Seite Vertrauen aufbauen, um überhaupt für die Kinder und Jugendlichen als Ansprechpartnerinnen und Partner wahrgenommen werden zu können, andererseits müssen sie einen Zugang zu den Lehrerinnen und Lehrern finden. Ein Problem stellt immer das Changieren zwischen dem Anspruch, ein freiwilliges Angebot zu unterbreiten und dem Fakt, dass Schülerinnen und Schüler direkt von den Lehrpersonen und der Schulleitung an die Schulsozialarbeit verwiesen werden können, dar. Die Freiwilligkeit ist immer ein Grundsatz von Sozialarbeit. Deshalb betonen mehrere Texte, dass selbst bei solchen eher erzwungenen Kontakten – die vor allem dann, wenn die Schulsozialarbeit als „soziale Feuerwehr“ im Schulhaus gesehen wird, oft vorkommen – den Schülerinnen und Schülern Angebote gemacht werden müssen, welche diese annehmen oder ablehnen können. [4]

Grundprinzipien der Schulsozialarbeit sind neben der Freiwilligkeit und Offenheit der Angebote, die Parteilichkeit für die Kinder und Jugendlichen, die Verschwiegenheit und Partnerschaftlichkeit (das heißt, dass die betroffen Kinder und Jugendlichen immer über die jeweiligen Schritte mitbestimmen sollen), sowie der Lebenswelt-Bezug und die Beziehungsarbeit, also die Arbeit an den sozialen Beziehungen der Kinder und Jugendlichen (Klasse, Peer-Group, Elternhaus et cetera).

Ein Problem ist selbstverständlich, dass die Erfolge von Schulsozialarbeit einen paradoxen Effekt haben können: Sie sollen ja dazu führen, dass Kinder und Jugendlichen ihre Probleme besser bewältigen. Das Beruhigt oft auch das soziale Klima einer Schule. Aber wie das messen? Es gibt selbstverständlich Evaluationen – der Großteil der Studien zur Schulsozialarbeit sind Prozessevaluationen –, aber Florian Baier und Rahel Heeg (2011) berichten auch davon, dass einige Träger die Anzahl der Beratungskontakte zum messbaren Wert erhoben haben. Dies hatte bei mindestens einer Schulsozialarbeitsstelle, die mit offenen Angeboten und guter Arbeit ein gutes Schulklima hergestellt hatte, den Effekt, dass dort überlegt wurde, wie man quasi zwanghaft Beratungssituationen herstellen könnte, um sie zählen zu können, was selbstverständlich kontraproduktiv wäre. Letztlich muss die Bewertung der Arbeit von Schulsozialarbeit also immer in einer Prozessrekonstruktion stattfinden.

Da sich die Schulsozialarbeit den Bedingungen der lokalen Schule (und den regionalen Förderstrukturen) anpasst und zudem mit unterschiedlichen Personengruppen interagiert, ist auch die Sicht auf die Schulsozialarbeit und deren Wirkung sehr unterschiedlich. Zusammenfassend arbeiten Baier und Heeg (2011, S. 50 ff.) insgesamt vierzehn Erscheinungsformen von Schulsozialarbeit heraus:

  1. Schulsozialarbeit als soziale Innovation (Im Schulrahmen, wobei Innovation neu, nicht unbedingt besser heißt.)

  2. Schulsozialarbeit als Konservierungsmittel (Konservierung als Erhalt vorhandener Strukturen und Arbeitsweisen, praktisch als Mittel, nichts verändern zu müssen.)

  3. Schulsozialarbeit als Auffangnetz

  4. Schulsozialarbeit als Mensch gewordener Rohrstock (Also als Strafeinrichtung, zu der Schülerinnen und Schüler geschickt werden können, nicht um Probleme zu klären, sondern um sie zu erziehen.)

  5. Schulsozialarbeit als Mittel zur Professionalisierung des Lehrer/innenberufs

  6. Schulsozialarbeit als kostengünstige sozialpolitische Aktivität

  7. Schulsozialarbeit als attraktives Berufsfeld

  8. Schulsozialarbeit als Bildungshemmnis und Kontrollorgan

  9. Schulsozialarbeit als Markt für Hochschulen

  10. Schulsozialarbeit als Seismograph und Alarmglocke

  11. Schulsozialarbeit als Mittel zur Vermeidung von Unterricht (Hauptsächlich für Schülerinnen und Schüler.)

  12. Schulsozialarbeit als Korrektiv schulisch induzierter Probleme

  13. Schulsozialarbeit als corporate identity von Schule

  14. Schulsozialarbeit als neues Bündnis der Generationen (Im Schulkontext. In der Schulsozialarbeit können Beziehungen zwischen Generationen entstehen, die im Verhältnis von Lernenden und Lehrenden in Schulen schwerlich zu realisieren sind.)

Weiterhin stellen Baier und Heeg (2011) heraus, dass die Schulsozialarbeit offenbar auch als Potentialität eine Bedeutung erlangt. Die Möglichkeit, dass man mit Problemen zur Schulsozialarbeit gehen könnte oder die Möglichkeit, dass man als Lehrkraft oder Elternteil professionelle Unterstützung einholen könnte, wird in den Interviews, die im Rahmen der Forschungen zur Schulsozialarbeit durchgeführt werden, immer wieder für als eigenständiger Wert angegeben. Lehrerinnen und Lehrer berichten zum Teil, dass dies ihnen die Schulsozialarbeit Erleichterung und Sicherheit verschafft hätte, ohne das überhaupt wirklich auf die Unterstützung zurückgreifen müssten.

Forschungen zur Schulsozialarbeit

Neben der Schulsozialarbeit selber hat sich eine eigene Forschungspraxis zur Schulsozialarbeit ausgeprägt. Das hat selbstverständlich auch mit dem Trend zu tun, Projekte während der Laufzeit evaluieren zu lassen. Die Hoffnung der finanzierenden Institutionen – bei der Schulsozialarbeit hauptsächlich die Kommunen und Ministerien auf Landes-/Kantonebene – ist dabei, durch eine Evaluation Aussagen zur Wirksamkeit von Projekten zu erhalten, einen Mehrwert an Wissen. Perspektivisch soll das auch zur Weiterentwicklung von Projekten beitragen. Selbstverständlich ist das nicht nur positiv zu sehen. Evaluation beschränkt sich oft auf Ergebnismessung, zudem ist immer noch fragwürdig, ob der Mehrwert an Wissen wirklich so groß ist, wie erhofft.

Für die Wissenschaft besteht immer das Problem, dass die Fragestellung bei Evaluationen eine andere ist, als bei wissenschaftlichen Studien. Etwas vereinfacht kann man sagen: Evaluation will wissen, ob etwas funktioniert und wie gut, Wissenschaft will wissen, was passiert und wie. Das muss sich nicht widersprechen, aber es ist – trotz aller Rede von wissenschaftlicher Evaluation – nicht deckungsgleich. Deshalb hat sich neben der Evaluation von Schulsozialarbeit auch eine Forschung etabliert, die nicht nach Gelingen oder Nicht-Gelingen von Schulsozialarbeit fragt, sondern darüber hinaus versucht, die strukturellen Funktionen und die tatsächlichen Abläufe von Schulsozialarbeit zu verstehen.

Die Forschung zu Schulsozialarbeit ist immer wieder darauf bedacht, die Sichtweisen der unterschiedlichen Nutzer- und Nutzerinnengruppen von Schulsozialarbeit zu rekonstruieren. Beachtet werden dabei mindestens folgend Gruppen:

  1. Schülerinnen und Schüler

  2. Lehrerinnen und Lehrer

  3. Eltern (beziehungsweise Erziehungsnetzwerke)

  4. Trägerinstitutionen der Schulsozialarbeit

  5. Das Personal der Schulsozialarbeit selber (also zumeist die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter)

Die Bedeutung der Schulsozialarbeit ist für diese Gruppen jeweils sehr unterschiedlich, weshalb ein multiperspektivisches Untersuchungsdesign notwendig ist. Zudem ist bekannt, dass, mit Ausnahme der letzten Gruppe, alle diese Gruppen die Schulsozialarbeit selektiv nutzen und zum Teil auch versuchen, gegen die Intentionen der Schulsozialarbeit oder der anderen Gruppen umzunutzen. Das ist selbstverständlich und im Lebensweltansatz der Schulsozialarbeit auch angelegt. Aber es bedeutet für die Forschung selber, dass es nicht möglich ist, nur eine Perspektive zu betrachten und aus dieser die Bedeutung der Schulsozialarbeit für die anderen Gruppen herzuleiten.

Egal, ob es sich um Evaluationen oder um andere Forschungen handelt, steht deshalb immer wieder die Befragung möglichst aller potentiell nutzenden Gruppen der Schulsozialarbeit als Aufgabe. Zumeist wird sie gelöst, indem Schülerinnen und Schüler mit anderen Fragebögen oder Interviews konfrontiert werden, als die Lehrerinnen und Lehrer, die wieder andere Fragen beantworten sollen als Eltern oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Schulsozialarbeit selber.

Es scheint eine gewisse Regelmäßigkeit zu existieren: In den einzelnen Bundesländern und Kantonen wurden in einer frühen Phase der Schulsozialarbeitsforschung Datensammlungen angelegt, die einen Überblick zu den überhaupt vorhandenen Angeboten liefern sollten. Daneben wurden immer wieder Einzelevaluationen durchgeführt, teilweise wurde die Datensammlungen auch im Rahmen von Evaluationen angelegt. War eine solche Datensammlung vorhanden, wurde sie zur Ausweitung der Forschungsfragen genutzt. Dabei ist auffällig, dass diese Empirie nicht dazu genutzt wurde, um weitere Hypothesen zu prüfen, sondern zuerst als Überblick alleine sinnvoll genug erschienen.

Darauf folgend wurden vor allem stark qualitativ orientierte Studien unternommen. Die Interviews und Fragebögen waren wenig strukturiert, enthielten also viele Möglichkeiten zu Äußerungen der befragten Personen. Mit diesem Vorgehen soll offenbar auch auf die ambivalente Wirkung von Schulsozialarbeit eingegangen werden, gleichwohl macht dies Vergleiche – oder, um auf eine im Bibliothekswesen beliebte Vokabel zu verweisen, Best Practice Analysen – selbstverständlich schwer. Speck und Olk (2010) betonen in den programmatischen Aufsätzen ihres Sammelbandes, dass es zwar einen großen Methodenmix gibt, aber das sehr selten eine Triangulierung der Methoden stattfindet. Ebenso verweisen Baier und Heeg (2011) darauf, dass es zwar eine Anzahl von Einzelstudien, auch als Abschlussarbeiten von Studierenden, gibt, die einzelne Angebote differenzierter untersuchen, diese aber kaum für eine übergreifende Forschung ausgewertet werden.

Es scheint, als wenn einige wenige Forschende sich darum bemühen, möglichst viele Studien zur Schulsozialarbeit zusammenzutragen und auswerten (in Speck / Olk, 2010 findet sich beispielsweise eine Tabelle von Forschungsprojekten zur Schulsozialarbeit seit 1992). Speck und Olk erläutern die Situation wie folgt:

„Zusammenfassend betrachtet zeichnet sich die insgesamt sehr heterogene Forschungslandschaft zur Schulsozialarbeit durch eine starke Anwendungsforschung, beschreibende und evaluierende Forschungsziele, zumeist quantitative Erhebungs- und Auswertungsverfahren, einmalige Erhebungen, Untersuchungsdesigns mit unterschiedlichen Befragungsgruppen sowie eine oftmals eingeschränkte Ergebnisveröffentlichung aus. Tendenziell nehmen in den letzten Jahren hypothesenprüfende Untersuchungsziele, Längsschnittuntersuchungen, quasi-experimentelle Designs, multivariante Auswertungsverfahren sowie qualitative Erhebungs- und Auswertungsverfahren und Fallstudien in der Forschung zur Schulsozialarbeit zu.“ (Speck / Olk, 2010, S. 315)

Wir können also noch lange nicht von einer strukturierten und eingleisigen Forschung zur Schulsozialarbeit reden. Dennoch gibt es einige, insbesondere von Speck (2007) zusammengefasste Ergebnisse, die als allgemein geteiltes Wissen über die Schulsozialarbeit bezeichnet werden können. Neben der Erkenntnis, dass eine Schulsozialarbeit, die sich nicht an den weiter oben genannten Grundsätzen orientiert, sondern sich beispielsweise zu sehr die Funktion einer „sozialen Feuerwehr“ zuschreiben lässt, unerfolgreich ist, ist bekannt, dass die Schulsozialarbeit zumeist eine positive Wirkung für die Kinder und Jugendlichen selber, aber auch die Schule als Gesamtinstitution hat; gleichwohl aber – was einem auf Freiwilligkeit basierenden Angebot immer inhärent ist – nie alle Kinder und Jugendlichen erreicht, schon gar nicht sofort und durchgreifend. Die multiperspektivischen Problemlagen von Kindern und Jugendlichen bedürfen zum Teil auch andere Hilfe- und Beratungsansätze als sie die Schulsozialarbeit bieten kann. Zudem ist abgesichert, dass eine Schulsozialarbeit kontinuierlich existieren muss. Gerade die Praxis, Schulsozialarbeit mit befristeten Stellen auszustatten, ist dagegen kontraproduktiv. Ein Hauptarbeitsmittel von Schulsozialarbeit ist das Aufbauen und Pflegen von vertrauensvollen Kontakten zu Kindern und Jugendlichen, was nicht möglich ist, wenn die vor Ort in der Schulsozialarbeit tätigen Personen beständig wechseln.

Weiterhin abgesichert ist, dass die gesamte Soziale Arbeit für und in der Schule unterschiedlichen Modellen zugeordnet werden kann, wobei die einzelnen Modelle und – was ja das Ziel dieser Modellbildungen ist – die Bedeutung der einzelnen Modelle für die Schulsozialarbeit umstritten ist. Matthias Drilling (2009) unterscheidet beispielsweise prinzipiell zwischen einem addativen Modell (Kooperation von Schulen und Sozialer Arbeit in loser Form) und einem integrativen Modell (die Schulsozialarbeit ist in der Schule integriert), zu einem späteren Zeitpunkt seiner Arbeit dann für die Schulsozialarbeit in Thüringen ein additiv-destruktives Modell, ein additiv-konstruktives Modell, ein integratives Modell „Hilfslehrkraft“, ein integratives Modell „sozialpädagogische Schule, ein kooperative-sporadisches Modell und ein kooperativ-konstitutives Modell. Vögeli-Mantovani und Grossenbacher (2005) beschreiben ein Distanzmodell / addivites Modell, ein Subordinationsmodell / Integrationsmodell (die Soziale Arbeit ist der Schule untergeordnet) und ein Kooperationsmodell (Schule und Soziale Arbeit als gleichberechtigte Partner).

Zuletzt lässt sich festhalten, dass die Schulsozialarbeit in allen Schulformen (inklusive der Berufsschulen) angenommen wird und sinnvoll ist. Dies beschränkt sich nicht nur auf „Problemschulen“. Baier und Heeg (2011, S. 25) ordnen die Themen der Beratungen in der Schulsozialarbeit nach Häufigkeit:

  1. Konflikte und Probleme unter Kindern und Jugendlichen

  2. Schulische Probleme und Probleme zwischen Lehrkräften und Schülerinnen

  3. Persönliche Herausforderungen der Lebensbewältigung

  4. Probleme in der Familie

In „Problemschulen“ werden mehr Probleme mit Gewalt (gegen sich selbst, andere und Sachen) behandelt, in anderen Schulen, insbesondere Gymnasien, Probleme der Schülerinnen und Schüler mit den Herausforderungen der Lebens- und Unterrichtsbewältigung. Während junge Schülerinnen und Schüler die Schulsozialarbeit, insbesondere dann, wenn sie offene Angebote umfasst, relativ oft und von sich aus nutzen, geht diese Nutzung mit zunehmenden Alter zurück. Ebenso nutzen mehr Mädchen / junge Frauen die Schulsozialarbeit als Jungen / junge Männer.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken

Die Grundthese dieses Textes lautet, dass aus der Forschung über Schulsozialarbeit auch etwas für die Forschung über Schulbibliotheken gelernt werden kann. Bevor diese These weiter ausgeführt wird, sollen kurz die beiden Institutionen Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken verglichen werden. Aus den strukturellen Gemeinsamkeiten der Institutionen ergibt sich erst die weitergehende These.

  1. Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken haben in den letzten Jahren in Deutschland einen massiven Aufschwung erfahren, wobei die Schulsozialarbeit den weit größeren zu verzeichnen hat. Man kann von einer gewissen Etablierung der Einrichtungen in Schulen ausgehen. Zwar ist diese Etablierung nicht vollständig – also beispielsweise nicht mit der Etablierung von Sporthallen in Schulen zu vergleichen, die einfach zum Grundbestand gehören –, aber doch so weit fortgeschritten, dass sich praktisch alle Schulen damit auseinandersetzen müssen, ob sie diese Einrichtungen aufbauen und unterhalten oder nicht.

  2. Bei diesem Aufschwung profitieren beide Einrichtungen von den Schulreformen und dem Zwang zu Öffnung nach innen und außen, der für Schulen existiert. Diese Öffnung und die Profilbildung der Schulen hat zu einer Zunahme von unterstützenden Einrichtungen in Schulen geführt. Gleichwohl etablierte sich die Schulsozialarbeit als professionelle Einrichtungsform, insbesondere mit professionell ausgebildetem Personal, während Schulbibliotheken weit eher von der Transformation des Ehrenamtes zu profitieren scheinen.

  3. Sowohl Schulsozialarbeit als auch Schulbibliotheken etablierten sich als besondere Formen der jeweiligen „Haupteinrichtung“. Schulsozialarbeit ist keine reine Soziale Arbeit in Schulen, sondern eine gesonderte Form Sozialer Arbeit mit eigenen Arbeitsstrukturen, eigenem Methodenmix und besonderen Aufgabenstellungen. Ebenso sind Schulbibliotheken zumeist keine Öffentlichen Bibliotheken in Schulen, sondern ein gesonderter Bibliothekstyp in Schulen, mit eigene Arbeitsstrukturen, Zielvorstellungen, Aufgaben et cetera. Dabei orientieren sich Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken an den Anforderungen der lokalen Schulen.

  4. Neben der Schulsozialarbeit und den Schulbibliotheken existiert immer auch die Arbeit der „Elterneinrichtungen“ – also Soziale Arbeit und Öffentliche Bibliotheken – mit Schulen.

  5. Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken stellen beide Unterstützungseinrichtungen für die Hauptaufgaben der Schulen selber dar. Dabei ist es lokal unterschiedlich, wie eng oder nicht-eng die Einrichtungen in den Unterricht eingebunden sind. Es scheint dabei keine in allen Fällen sinnvolle Nähe oder Ferne zu geben.

  6. Die Wirkungen von Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken sind immer nur bis zu einem gewissen Anteil direkt nachzuweisen. Vieles bleibt im Ungefähren, oft ist auch das Vorhandensein allein als Potentialität wirksam.

  7. Dennoch können sowohl Schulsozialarbeit als auch Schulbibliotheken immer direkt von interessierten Schulen, Schulleitungen, Lehrerinnen und Lehrern enger in die Schule eingebunden und zum Beispiel für Unterrichtszwecke genutzt werden.

  8. Beide Einrichtungen erheben den Anspruch, Schulen in Aufgabenfeldern zu unterstützen, die von den Schulen anders nicht abgedeckt werden können, wobei die Schulsozialarbeit mit diesem Anspruch offenbar eine größere Akzeptanz erfährt als die Schulbibliotheken.

  9. Zugleich setzen beiden Einrichtungsformen dem zu starken Zugriff aus der Schule auch Behaarungs- und Differenzierungsbestrebungen entgegen. Sie verstehen sich zumeist als eigenständige Einrichtungen.

  10. Nicht zuletzt werden die meisten Schulbibliotheken ebenso durch Schülerinnen und Schüler genutzt, wie die meisten Angebote der Schulsozialarbeit. Es ist kann also nicht darum gehen, zu zeigen, was funktioniert und was nicht, sondern wie gut für welche Aufgaben etwas funktioniert und warum.

  11. Zudem lassen sich die Funktionen, Zielsetzungen und Wirkungen von Schulsozialarbeit ebenso sinnvoll für unterschiedliche Gruppen (Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schule und Schulleitung, Träger, das Personal der Einrichtungen) bestimmen, wie dies auch bei Schulbibliotheken der Fall ist. Ebenso ist anzunehmen, dass alle diese Gruppen Schulbibliotheken ebenso funktional für sich zu nutzen suchen, wie sie es bei der Schulsozialarbeit tun.

Schulbibliotheksforschung

Das Wachstum der Schulbibliotheken in Deutschland ist immer noch nicht von einer wirklich sichtbaren Schulbibliotheksforschung begleitet worden. Es lassen sich aber, wie angedeutet, aus der Forschung zur Schulsozialarbeit einige Dinge lernen, wenn nicht gar bestimmte Forschungsdesigns übernommen werden können.

Zwei Erkenntnisse der Schulsozialarbeitsforschung sollten beachtet werden:

  1. Die schon angesprochene unterschiedliche Bedeutung der Einrichtungen – hier also der Schulbibliotheken – für unterschiedliche Gruppen. Es wurde in der Forschung nachgewiesen, dass die Betrachtung der unterschiedlichen Wirkungen von Schulsozialarbeit für die unterschiedliche Gruppen tatsächlich dazu beiträgt, die Funktionsweisen der Einrichtungen rekonstruieren und für die Zukunft bestimmen zu können. Dies wird sich bei Schulbibliotheken höchstwahrscheinlich ebenfalls zeigen.

  2. Die Einbindung der Schulsozialarbeit in die Schulen folgt unterschiedlichen Modellen. Auch die Skizzierung dieser unterschiedlichen Modelle hat sich – obgleich es unterschiedliche Ansätze für die Modelle selber gibt – in der Forschung als sinnvoll herausgestellt. Da Schulsozialarbeit sehr unterschiedlich strukturiert ist, scheint es schwierig, Aussagen für die gesamte Schulsozialarbeit zu machen. Auch dies wird sich bei Schulbibliotheken mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederfinden.

Die Wirkung von Schulbibliotheken wird sich, ebenso wie bei der Schulsozialarbeit, nicht einfach standardisieren lassen. Vielmehr wird mit Hilfe qualitativer Forschungsansätze die Wirkungsweise der Schulbibliotheken rekonstruiert werden müssen, um sinnvolle Aussagen darüber treffen zu können, was wann für wen und für welchen Zweck funktioniert. Auch Schulbibliotheken müssen als Einrichtungen begriffen und untersucht werden, die sich in die lokalen Gegebenheiten der Schulen einfügen.

Als sinnvoll hat sich offenbar erwiesen, in regelmäßigen Abständen eine Übersicht über die vorhandenen Angebote in einem Untersuchungsgebiet – also normalerweise Bundesländer oder Kantone – anzulegen. Diese Empirie alleine liefert offenbar auch schon ohne eine weitere Hypothesenbildung sinnvolle Aussagen. Zudem lassen sich auf Grundlage solchen Sammlungen weitere Forschungsfragen formulieren.

Es hat sich als möglich erwiesen, mit teilstrukturierten Interviews und Fragebögen Aussagen über die Funktionsweisen und Wirkungen der Schulsozialarbeit zu erheben. Diese wird für Schulbibliotheken ähnlich gelten. Wenig Interesse scheint an fertigen Konzepten oder gar normativen Aussagen zu bestehen, vielmehr sollten Vorschläge für die Einrichtung und den Betrieb von Einrichtungen – nimmt man die Schulsozialarbeit zum Vorbild – mit Erfahrungen oder Daten aus anderen Einrichtungen begründet werden zu können. Zu beachten ist allerdings, dass auch die Schulsozialarbeit zum Teil schon versucht hat, die Forschung für sich zu instrumentalisieren. [5]

Es gab immer ein Interesse der Träger an Evaluationen von Schulsozialarbeit. Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass eine reine Handlungsforschung nur bestimmte Aussagen treffen kann. Warum zum Beispiel sich die Schulsozialarbeit so massiv etabliert hat, lässt sich mit Handlungsforschung nicht herausarbeiten. Ebenso ist die gesellschaftliche Wirkung von Schulsozialarbeit über die Schule hinaus nicht ohne eine weiterreichende Forschung untersuchbar. Das wird spiegelverkehrt auch für Schulbibliotheken gelten.

Immer wieder wird betont, dass sehr viele Forschung zur Schulsozialarbeit, insbesondere Einzeluntersuchungen und Abschlussarbeiten von Studierenden, nicht oder schwer erreichbar publiziert werden. Eine Aufgabe der Forschenden besteht offenbar auch immer wieder in einer intensiven Recherche nach solchen Forschungen, obgleich diese wertvolle Daten und Ergebnisse enthalten können. Eine ähnliche Situation findet sich auch im Bezug auf Schulbibliotheken, wo insbesondere Abschlussarbeiten kaum erreichbar verbreitet werden. Dem sollte man mit der Etablierung von Veröffentlichungseinrichtungen im Sinne eines potentiellen Forschungsdiskurses entgegenwirken.

Nicht zuletzt zeigt die Forschung zur Schulsozialarbeit, was möglich ist, wenn zumindest ein Teil der Forschenden auch weiter vom Untersuchungsobjekt zurücktritt und beispielsweise Fragen zur Wirkungsweisen stellt, ohne gleich Handlungsempfehlungen geben zu wollen. Dies kann wegen der weiter oben aufgezeigten Parallelen zwischen Schulsozialarbeit und Schulbibliotheken ebenso vorbildhaft wirken.

Fußnoten

[1] Vgl. dazu auch Zymek (2010).

[2] Vgl. Vögeli-Mantovani / Grossenbacher, 2005, Drilling, 2009 und Baier / Heeg, 2011.

[3] Man sollte bedenken, dass Bibliotheken mit ihren zwei Hauptthemen „Leseförderung“ und „Informationskompetenz“ selbstverständlich immer in der Gefahr stehen, zumindest den Eindruck zu vermitteln, als würde den Lehrerinnen und Lehrern nicht zugetraut, eigenständig das Lesen der Schülerinnen und Schüler zu fördern und genügend Wissen über Recherche- und Bewertungsprozesse zu vermitteln. Zudem kann auch der Eindruck entstehen, als wenn die Bibliotheken die Probleme von Schülerinnen und Schüler – entgegen dem Wissen der Lehrerinnen und Lehrer – auf das richtige und viele Lesen reduzieren wollten.

[4] Claudia Streblow (2005) beschreibt die Funktion von Schulstationen als „neutraler Raum, als Ort, von dem aus (neu) gehandelt werden kann“ (ebenda, S. 289).

[5] Thomas Padelko (in Speck / Olk, 2010) berichtet zum Beispiel davon, dass einige Schulstationen in Berlin versuchten, direkten Einfluss auf die Forschungsfragen und sogar die Gestaltung der zur Forschung verwendeten Fragebögen zu nehmen. Dies ist selbstverständlich nicht sinnvoll.

Literatur

Baier, Florian ; Heeg, Rahel / Praxis und Evaluation von Schulsozialarbeit : Sekundäranalysen von Forschungsdaten aus der Schweiz. – Wiesbaden : VS, 2011

Drilling, Matthias / Schulsozialarbeit : Antworten auf veränderte Lebenswelten. – 4., aktualisierte Auflage. – Bern ; Stuttgart ; Wien : Haupt Verlag, 2009

Speck, Karsten / Schulsozialarbeit : Eine Einführung ; Mit 14 Tabellen. – (UTB ; 2929). – München ; Basel : Ernst Reinhard Verlag, 2007

Speck, Karsten ; Olk, Thomas (Hrsg.) / Forschung zur Schulsozialarbeit : Stand und Perspektiven. – Weinheim ; München : Juventa Verlag, 2010

Spies, Anke ; Pötter, Nicole / Soziale Arbeit an Schulen : Einführung in das Handlungsfeld Schulsozialarbeit. – (Beiträge zur Sozialen Arbeit an Schulen ; 1). – Wiesbaden : VS, 2011

Streblow, Claudia / Schulsozialarbeit und Lebenswelten Jugendlicher : Ein Beitrag zur dokumentarischen Evaluationsforschung. – Opladen : Verlag Barbara Budrich, 2005

Vögeli-Mantorvani, Urs ; Grossenbacher, Silvia (Mitarb.) / Die Schulsozialarbeit kommt an!. – (Trendbericht SKBF ; 8 ). – Aarau : Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung, 2005

Zymek, Bernd / Nur was anschlussfähig ist, setzt sich auch durch : Was man aus der deutschen Schulgeschichte des 20. Jahrhunderts (gerade auch der der DDR und der ostdeutschen Bundesländer) lernen kann. – In: Die deutsche Schule, 102 (2010) 3, S. 193-208

Schulbibliotheken in Berlin 2011. Mehr Grundschulen als Gesamtschulen und Gymnasien haben Schulbibliotheken.

Jeden April seit 2008 zähle ich einmal auf den Homepages der Schulen in Berlin die Schulbibliotheken (egal, wie sie genannt werden). Diese Sammlung soll zum einen ermöglichen, an einem eingegrenzten Beispiel die Entwicklung von Schulbibliotheken in Deutschland nachzuvollziehen. Zum anderen kann diese Datensammlung auch für andere Zwecke sinnvoll sein. Ich denke da eher an Forschungsfragen, die sich stellen und beantworten lassen, andere denken eher daran, ob man solche Daten politisch oder für die bibliothekarische Arbeit nutzen kann. (Was vollkommen berechtigt ist.) Weitere Überlegungen, auch dazu, was die Grenzen dieser Methode der Datensammlung sind, sind in der Arbeit „Schulbibliotheken in Berlin 2008-2010“ dargestellt, die ich im letzten Jahr in den Berliner Handreichungen zu Bibliotheks- und Informationswissenschaft veröffentlichen konnte. Insoweit ist Folgendes ein Update.

Veränderungen durch die Berliner Schulstrukturreform
Im letzten Jahr haben sich die Schulbibliotheken in Berlin weiter verändert, wenn sie dabei auch vor allem den Trends der letzten Jahre gefolgt sind. Zu erwähnen ist selbstverständlich die Berliner Schulstrukturreform, die im laufenden Schuljahr zum Tragen gekommen ist. Es existiert nun die Schulform „Intergrierte Sekundarschule“ (an der alle drei Schulabschlüsse angeboten werden und die von der siebenten bis zur dreizehnten Klasse geführt werden), Gesamtschulen und Gymnasien (die auf zwölf Jahre verkürzt wurden) sowie einige Schulen mit besonderen Förderschwerpunkten. Angestrebt ist, die Schulen mit besonderem Förderschwerpunkten (die ehemaligen Sonderschulen) abzubauen und stattdessen den integrativen Unterricht zu fördern. Real- und Hauptschulen gibt es (eigentlich) nur noch als Auslaufmodelle. Dass heißt das diese Schulen zu Sekundarschulen umgebaut wurden, die existierenden Klassenstufen aber noch bis zum Ende der Schulzeit der schon eingeschulten Schülerinnen und Schüler geführt werden.
Hinzugekommen sind auch Gemeinschaftsschulen, die als Gesamtheit die Kinder und Jugendlichen von der ersten Klasse bis zum Ende ihrer jeweils besuchten Sekundarstufe führen sollen. Es soll in diesen Einrichtungen keine richtige Trennung zwischen Grund- und anderen Schulen geben. Wie dies intern gehandhabt wird, scheint sehr unterschiedlich zu sein. Im Schulverzeichis des Berliner Senats (auf der meine Datensammlung basiert) werden die Schulen getrennt aufgeführt (also zum Beispiel als Grundschulen und als Sekundarschule). Für Schulbibliotheken stellen sich selbstverständlich bei solchen Schulen Fragen, die sich zumindest in Berlin bislang noch nicht gestellt haben: Wenn Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur letzten Klasse betreut werden, sollen sich die Schulbibliotheken dann auf alle Kinder und Jugendliche einer Schule konzentrieren oder nicht? Sollen sie die älteren Schülerinnen und Schüler in die Arbeit für jüngere Schülerinnen und Schüler einbinden? [1]

Die einzelnen Daten
Zu den einzelnen Daten. Die erste Tabelle ist eine Darstellung der gefundenen Schulbibliotheken in Berlin, auf den Homepages der Schulen gesammelt vom 01. bis zum 05. April 2011. Genauso, wie es Schulbibliotheken geben kann, die nicht auf dem Schulhomepages aufgeführt wurden (wobei sich immer noch die Fage stellt, welche Bedeutung sie dann in den Schulen haben), kann es auch sein, dass Schulbibliotheken auf den Homepages als existent aufgeführt werden, obgleich sie (wieder) geschlossen sind. Insoweit sind die Daten im Vorsicht zu behandeln, wir haben aber auch keine anderen.

Auswertungstabelle Schulbibliotheken in Berlin 2011
(Grafik in größerer Darstellung)

Die Haupt- und Realschulen in der Tabelle sind mit Vorsicht zu sehen. Es handelt sich um auslaufende Haupt- und Realschulgänge in Integrierten Sekundarschulen. Sichtbar ist allerdings an den Daten, dass wir es weiterhin mit der Situation zu tun haben, dass Schulbibliotheken in Berlin in Schulen immer weniger eine Seltenheit darstellen, dass aber weiterhin die Schulen überwiegen, die – trotz zahlreicher Neugründungen in den letzten Jahren – keine Schulbibliothek unterhalten.
Weiterhin ist Nutzung, Bennenung, das Personal, die Einbindung in die Schule und so weiter sehr unterschiedlich, wobei beim Personal immer noch das ehrenamtlich beschäftigte Personal zu überwiegen scheint.
Die interessante Entwicklung läßt sich in den nächsten zwei Tabellen, welche die Daten von 2008 bis 2011 zusammen darstellen, ablesen.

Auswertungstabellen Schulbibliotheken in Berlin 2008-2011
(Grafik in größerer Darstellung)

Hier ist ersichtlich, dass die Grundschulen und die Gesamtschulen prozentuell mehr Schulbibliotheken anbieten als die Gymnasien. Bei den Gesamtschulen ist dies ein sehr knapper, eigentlich irrelevanter Vorsprung. Eventuell wird sich dies mit der Etablierung der Intergrierten Sekundrschulen ändern, aber bislang war die Chance, als Schülerin und Schüler auf eine Schulbibliothek zurückgreifen können, größer, wenn man auf eine Schule mit der Möglichkeit, ein Abitur zu machen, ging. Allerdings bieten jetzt in Berlin alle Schulen der Sekundarstufe I und II die Möglichkeit an, einen solchen Abschluss zu machen.
Relevant ist die Verschiebung bei den Grundschulen. Bislang gab es in Berlin die Ungleichzeitigkeit, dass die Gymnasien und Gesamtschulen prozentual mehr Schulbibliotheken anboten als die Grundschulen, obgleich gerade in der pädagogischen Literatur und im öffentlichen Diskurs die Schulbibliothek mit der Leseförderung, die in der Grundschule stattfinden soll, verbunden wurde. Sicherlich gab es auch immer andere Argumentationen. Das Projekt auf der letzten Leipiziger Buchmesse oder auch Günter Schlamp in seinem Weblog haben die Schulbibliothek immer (auch) als Raum für Unterricht in allen Schulfächern entworfen. Dennoch galt die Schulbibliothek in den meisten Fällen als Ort für Kinder und jüngere Schülerinnen und Schüler. Real allerdings waren diese Einrichtungen vor allem für die älteren Schülerinnen und Schüler und hier zumeist den sozial besser gestellten zugänglich.
Dies hat sich offenbar im letzten Jahr verändert. Vielmehr: während in Grundschulen ein Wachstum der Schulbibliotheken zu beobachten ist, scheint die Anzahl der Schulbibliotheken in Gymnasien in Berlin eher zu stagnieren. Einer Anzahl von neu geöffneten Schulbibliotheken in Gymnasien stehen auch einige gegenüber, die im Gegensatz zu den letzten Jahren nicht mehr nachzuweisen sind.

Man kann diese Daten auch, wie es gerne gemacht wird, in Diagrammen darstellen. Allerdings sind diese mit noch mehr Vorsicht zu interpretieren, als die Daten selber. Die durchgezogenen Linien sind wegen der Darstellung genutzt worden. Sie suggerieren ein Kontinuität, die nicht unbedingt gegeben ist. Interessanter ist dabei das zweite Diagramm. Allerdings zeigt sich bei aller Vorsicht, dass man von einem Wachstum der Schulbibliotheken in Berlin (obgleich es immer wieder auch geschlossene Schulbibliotheken gibt) ausgehen kann.

Schulbibliotheken in Berlin, 2008-2011, Anzahl, Diagramm
(Grafik in größerer Darstellung)


(Grafik in größerer Darstellung)

Die Daten zur Sammlung:

Fußnote
[1] In der Besprechung des DDR-Schulbibliotheksbuches „Aufgaben der Schülerbüchereien an den zehnklassigen Oberschulen“ hatte ich schon einmal darauf hingewiesen, dass dort vorgeschlagen wurde, dass die älteren Jugendlichen an den zehnklassigen Schulen für die jüngeren Kinder Vorlesestungen anbieten sollen. Vgl. http://bildungundgutesleben.blogsome.com/2011/02/26/ein-schulbibliotheksbuch-aus-der-ddr-zur-geschichte-der-schulbibliotheken-ii/

Evident oder nicht evident? School Library Impact Studies

In der Literatur über Schulbibliotheken, insbesondere in Texten, die einen explizit werbenden Charakter haben, wird gerne einmal darauf verwiesen, dass es durch Studien aus den USA „längst nachgewiesen“ wäre, dass Schulbibliotheken einen positiven Einfluss auf die Schulergebnisse haben würden. Dies müsse, so die implizite Argumentation, einfach mal verstanden werden. Ein wenig scheint in solchen Argumentationen – so erscheint es mir zumindest, aber vielleicht bin ich ja der Einzige – eine gewisse Wissenschaftsgläubigkeit durch, die irgendwie nicht mehr ins 21. Jahrhundert, in die Zeit nach feministischer und postmoderner Wissenschaftskritik, passt: die Idee, dass es immer genau eine Wahrheit gäbe, die dann von einer Studie nachgewiesen wird – und dann wäre die Sache gegessen. (Okay, dass war jetzt polemisch. Aber dafür ist das hier ja auch ein Blog.)

Some kind of test-based educational governance
Interessant ist allerdings die Frage: Was hat es eigentlich mit diesen Studien auf sich? Warum gibt es sie nicht auch in Deutschland?
Es gibt sie nicht in Deutschland, um das vorneweg zu sagen, weil wir eine andere Kultur der Bildungssteuerung haben. Es gibt sie aber – bevor wieder jemand behauptet, der Rest der Welt wäre fortschrittlich und nur Deutschland rückständig [1] – auch in vielen anderen Staaten nicht. Auch in Staaten mit einem stark ausgebauten Schulbibliothekssystem nicht. Diese School Library Impact Studien basieren auf einer Bildungssteuerung durch Schulleistungsvergleichsstudien, Standardisierung und einer gewissen Begeisterung (in der Bildungspolitik und zum Teil der Bildungsverwaltung, nicht unbedingt in der Bildungspraxis, als zum Beispiel den Lehrerinnen und Lehrern) für möglichst viele miteinander vergleichbare Zahlen. „Test-based education reforms“ nennt Daniel Koretz die Veränderungen der Bildungssteuerung, die vor allem – aber nicht nur – in den USA in den letzten 30 Jahren umgesetzt wurden. [2]
Im Rahmen dieser Bildungssysteme herrscht die Überzeugung vor, dass es möglich wäre, die Qualität von Schulen mittels standardisierter Tests der Lernerfolge von Schülerinnen und Schülern und ebenso standardisierter Messungen vom Umgebungsvariablen – und das kann, wie sich im Laufe der Zeit zeigte, alles mögliche sein: Klassengröße, Stundenzahl, soziale Zusammensetzung der Lehrenden und Lernenden in den Schulen, die Größe der Gebäude, die Anzahl und Form der Unterstützungsleistungen für Lernende, die Länge der außerunterrichtlichen Aktivitäten, die Anzahl und Nutzungsdauer von elektronischen oder nicht-elektronischen Medien und so weiter – zu bestimmen und zu steuern. Solange es irgend möglich ist, es in Zahlen zu erfassen (was zum Teil auch geht, indem man eine ausreichend große Zahl von Schülerinnen und Schüler zu einer Frage eine Note vergeben lässt – das sind am Ende auch Zahlen), gab es in den letzten Jahrzehnten zumindest schon Überlegungen, ob und wie es in die Messung einbezogen werden könnte.
Die Idee dahinter ist relativ einfach, aber deswegen nicht unbedingt falsch: hat man nur genug Daten, kann man auch die Bedingungen für Qualität bestimmen, kann man Zusammenhänge zwischen den Werten herstellen und – das ist der wichtige Grund, warum solche Datensammlungen beständig finanziert werden – Ansatzpunkte finden, um diese Qualität in allen Schulen herzustellen. Mit genügend Daten – das ist beispielsweise, wie Koretz betont, Ansatzpunkt des No Child Left Behind-Act von 2001 – können auch Aussagen über die tatsächlichen strukturellen Probleme bei der Förderung von zahlenmäßig kleineren und größeren benachteiligten Gruppen getroffen werden. Und nicht nur Aussagen: es geht bei diesen Studien auch immer darum, herauszufinden, wo man mittels Beratung, Anweisung oder Förderung durch die Bildungspolitik die Bildungspraxis verbessern kann.
So absurd die Formen dieser Datensammeltätigkeiten auch sein mögen, sollte man nicht vergessen, dass es im Hintergrund immer darum geht, die Bildungsqualität zu verbessern. Die Bildungspolitik in den USA und anderen Staaten ist zur Zeit davon überzeugt, mit solchen Zahlen besser arbeiten und Bildung steuern zu können, als dies in anderen Systemen der Fall ist.
Sicherlich: es funktioniert nicht, zumindest nicht in dem Maße, wie es sich erhofft wird. Statistik ist immer nur ein Hilfsmittel, wichtig ist die Interpretation und die Umsetzung vor Ort. Zudem hat der übermäßige Einsatz von Statistik den Effekt, dass nicht statistisch zu erfassende Variablen und Zusammenhänge immer weniger wahrgenommen werden, obgleich sie für die Praxis relevant sein können. [3] Es steigen die Anreize, mehr oder minder zu betrügen, um die geforderten statistischen Werte zu erreichen. Und nicht zuletzt hat die ständige statistische Messung von Bildungspraxis auch den Effekt, dass sich die Praxis mehr und mehr auf die gemessenen Faktoren konzentriert – was nicht immer gewollt sein muss. Aber trotzdem: erstens funktionieren auch andere Systeme der Bildungssteuerung und -berichterstattung nicht viel besser und zweitens sollte nicht vergessen werden, dass das grundlegende Ziel dieser Messungen ein ehrenwertes ist: die Qualität von Bildung ganz allgemein und eigentlich auch für alle Schülerinnen und Schüler zu verbessern.

School Library Impact Studies
Was aber haben die Studien, in denen nachgewiesen wird beziehungsweise werden soll, welche Effekte Schulbibliotheken haben, mit all dem zu tun? Das ist nicht schwer zu sehen: Sie sind die logische Fortsetzung dieser Form der Bildungssteuerung im Rahmen von Schulbibliotheken.
An der Mansfield University (Pennsylvania) hat letztens eine Abschlussklasse der School Library and Information Technologies (einer Ausbildungsrichung für Schulbibliothekarinnen und -bibliothekare, allerdings an einer fast schon dörflichen Universität, fernab der großen Forschung) alle diese Studien, welche in den USA und Kanada vorgenommen wurden – bis auf eine – zusammengefasst und deren positiven Ergebnisse in einer Tabelle zusammengefasst [School Library Research Summarized. A Graduate Class Project (2011): ttp://libweb.mansfield.edu/upload/kachel/ImpactStudy.pdf].
Diese Idee ist nicht neu. Mit „School Libraries Work!“ gibt die U.S. National Commission on Libraries and Information Science seit 2004 eine solche Zusammenfassung heraus, die aktuell in der dritten Edition vorliegt. Auf der Unterseite zu School Library Impact Studies der Dokumentensammlung Library Research Service finden sich ebenso die meisten dieser Studien verlinkt. Die Besonderheit des Projektes der Mansfield University sei – so Debra E. Kachel, welche den Kurs leitete – die geordnete Darstellung der positiven Aspekte. (Gleichzeitig ist das selbstverständlich ein sinnvolles Projekt in der universitären Ausbildung. Die Studierenden mussten sich mit den Studien auseinandersetzen und ihre Hauptaussagen systematisieren. Das ist unbenommen.)
Die Übersicht soll, so Debra E. Kachel weiter, dabei helfen, quasi immer die richtigen Argumente für School Libraries aus diesen Studien anführen zu können. Ganz offensichtlich nämlich überzeugen diese Studien gar nicht so sehr, wie man hierzulande manchmal vermuten würde. Trotzdem eigentlich alle zu positiven Ergebnissen gelangen und, so behauptet Kachel weiter, auch immer wieder nachweisen würden, dass sich Effekte von School Libraries nachweisen ließen, die nicht mit anderen Einflüssen zu erklären seien, wirkt sich das nicht unbedingt positiv auf die Stellung der School Libraries oder den Etat aus. Vielmehr müssen die Einrichtungen weiter beständig für eine Finanzierung, teilweise auch für den Erhalt, aber auch für eine bessere Einbindung in den Schulalltag kämpfen. Nur, weil die Studien als wissenschaftlich auftreten und Evidenzen nachweisen, wirken sie offenbar nicht überzeugend.

Warum überzeugt das nicht?
Warum ist das so? Das ist keine unwichtige Frage und es erstaunt ein bisschen, dass diese weder von Kachel, noch von den Autorinnen und Autoren von School Libraries Work! oder den einzelnen Studien gestellt wird. Die Antwort ist vielschichtig. Aber da ist zum einen die Qualität der Studien: So hoch ist diese leider nicht. Bislang zumindest werden fast durchgängig einfache Wirkmodelle geprüft, also ungefähr: Hat eine Schule mit so-und-so-großer Schulbibliothek in diesem-oder-jenem-Test durchschnittlich höhere Punktzahlen? Kann man einen anderen Zusammenhang zu diesen Punktzahlen herstellen (soziale Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler zum Beispiel) [oder können wir das alles auf die Schulbibliothek beziehen]? Über diese Ebene der Fragestellung gehen die meisten Studien nicht hinaus.
Ein Problem dabei ist, dass die Antwort dann selber nicht überzeugend ist. [4] Stellt man beispielsweise fest, dass es einen statistischen Zusammenhang zwischen Größe der Schulbibliothek und Testergebnis gibt, ist man noch nicht wirklich weiter mit der Frage, wie dieser Zusammenhang eigentlich zustande kommt. Aber das ist es, was Lehrerinnen und Lehrer eigentlich interessiert: Wie nutze ich die Schulbibliothek im Unterricht, damit meine Schülerinnen und Schüler bessere Testergebnisse einfahren? (Wenn man das einfahren von guten Testergebnissen als Ziel hat, was man als Lehrerin / Lehrer eigentlich nicht haben sollte, schließlich geht es darum, Kindern und Jugendlichen das Lernen zu ermöglichen, nicht darum, gute Tests zu schreiben.) Das ist in der schulischen Praxis wichtig.
Gleichzeitig kann man das Spiel selbstverständlich mit allen möglichen Zusammenhängen spielen: Hängt die Qualität der Mensaspeisung positiv mit Testergebnissen zusammen? (Ja, tut sie.) Hängt die durchschnittliche Fahrtzeit zwischen Schule und Wohnort der Schülerinnen und Schüler mit den Testergebnissen zusammen? (Ja, je weniger und kürzer Schülerinnen und Schüler fahren müssen und je mehr sie ihrer Freizeit auch mit MitschülerInnen verbringen können, umso höher sind durchschnittlich – aber nicht immer – ihre Testergebnisse.) Hat die Anzahl der Schulstunden, die sich mit Umweltthemen beschäftigen oder mit künstlerisch-ästhetischer Erziehung einen positiven Einfluss auf Testergebnisse? (Das kommt drauf an. Da gibt es keine einfache Antwort.) Hat die Größe der Klassen einen Einfluss auf die Testergebnisse der Schülerinnen und Schüler? (Auf jeden Fall.) Und so weiter. Auch die andere Seite der Frage ist nicht so richtig geklärt: Welcher Test eigentlich? In US-amerikanischen Schulen gibt es unzählige Test. Einige vorgeschrieben, andere freiwillig. Einige auf die Lernerfolge abzielend, andere auf die Berufsfähigkeit. Einige für alle Schülerinnen und Schüler, einige nur für ausgewählte Teile. Und jeder einzelne dieser Tests ist zudem umstritten.
All diese Fragen werden in den Studien gestellt. Das Spiel kann nicht nur hypothetisch gespielt werden, es wird auch gespielt. Nicht nur im Bereich School Libraries, sondern auch in allen anderen möglichen Bereichen. Interessant dabei ist, dass fast alle Studien positive Effekte nachweisen. [5] Ob nun für Mensen, Freizeitbereiche oder School Libraries. Und fast alle dieser Studien haben das Problem, dass sie nicht den direkten Effekt erklären können, sondern statistische Zusammenhänge herstellen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
In der Masse der Studien, die solche Zusammenhänge nachweisen wollen, gehen diejenigen zu School Libraries unter, zumal sie, wie gesagt, auch nicht so viel erklären. Das, was in der Schulpraxis interessiert, also die Frage, wie eigentlich die School Libraries genau das Lernen von Schülerinnen und Schülern beeinflussen, ist etwas, was mit diesen „Evidence Studies“ nicht beantwortet werden kann.

Das funktioniert in Deutschland überhaupt nicht.
Die Übersicht von Kachel und ihren Studierenden zeigt noch einmal, warum man diese Studien überhaupt nicht für die Argumentation in Deutschland heranziehen sollte: Diese Studien reden einfach von etwas ganz anderem, als den hiesigen Schulbibliotheken. Zum einem kann man mit der Bemessungsgrundlage der meisten Studien gar nichts anfangen: PSSA (Pennsylvania System of School Assessment) reading score, STAR test score im CST (California Standards Test), National Assessment of Educational Progress (NAEP) usw. Das sind alles standardisierte Tests, die mit dem, was in deutschen Schulen vermittelt wird, nichts zu tun haben.
Zum anderen heben diese School Library Impact Studies aber auch regelmäßig auf Werte ab, die in deutschen Schulbibliothek fast nirgends erreicht werden. Würde man diese Studien ernst nehmen, müsste man davon ausgehen, dass die deutschen Schulbibliotheken praktischen keinen Effekt haben dürften, dass sie praktisch nur vor sich dahin darben würden, was bekanntlich nicht stimmt. Kachel et al. fassen beispielsweise zusammen, dass viele Studien davon ausgehen, dass Schulbibliotheken erst einen positiven Effekt auf die Lernergebnisse der Schülerinnen und Schüler hätten, wenn sie einen „Full-time librarian“ angestellt hätten beziehungsweise einen „Certified school librarian“ und weiteren „Support staff“. Insbesondere einen „certified school librarian“ gibt es in Deutschland gar nicht. Ein Blick in die Tabelle ihrer Veröffentlichung (pp. 6-8) zeigt, dass von einer ganz anderen Form von Schulbibliotheken ausgegangen wird. Nicht nur von einer besser finanzieren, sondern tatsächlich einer anderen Form.

Rosa-rote Brille
Erstaunlich bleibt allerdings auch bei dieser Veröffentlichung, dass all diese Studien eines nicht nachweisen: negative Effekte. Das ist mehr als unglaubwürdig. Schlimmer noch, es finden sich kaum Studien, die auch nur ansatzweise darauf eingehen, dass School Libraries – oder was auch immer gerade das Thema der Impact Study ist – für bestimmte untersuchte Merkmale gar keinen oder nur einen sehr schwierig feststellbaren Einfluss haben. Dieses kontinuierliche Positiv-Zeichnen aber ist es, was die Studien als das auszeichnet, was sie sind: als interessengeleitete Interpretation und Auswahl von Daten innerhalb einer (bildungs-)politischen Diskussion. Wie gesagt: dass machen im Rahmen der US-amerikanischen Bildungspolitik nicht nur School Libraries, sondern quasi „alle“. Insoweit ist es nicht anrüchig. Aber man sollte deshalb auch nicht erwarten, in diesen Studien allzu viel über die tatsächliche Arbeit von School Libraries oder gar deren Einfluss auf den jeweiligen Schulalltag zu erwarten.

Kachel, Debra E. and the Graduate Students of LSC 5530 School Library Advocacy, Spring 2011 (2011). School Library Research Summarized: A Graduate Class Project. – Mansfield, PA: School Library & Information Technologies Department, Mansfield University ( http://libweb.mansfield.edu/upload/kachel/ImpactStudy.pdf).

Fußnoten
[1] Kein Bildungssystem, nirgendwo, ist perfekt und das deutsche hat große Fehler – unbestritten. Aber rückständig sind so viele Bildungssysteme und kaputt auch. Und gerade das US-amerikanische Bildungssystem produziert noch weit mehr AbbrecherInnen, Menschen, die mit ihrer Bildung nach der Schule trotzdem arbeitslos werden oder in Trailer Parks wohnen et cetera, als das man sich gerade auf dieses als positives Beispiel beziehen müsste (was man beim Thema Schulbibliotheken aber oft macht). Es gibt unbestritten einiges positives am US-amerikanischen Bildungswesen, insbesondere die affirmative action und die Förderung von Studierenden aus schwächeren sozialen Schichten in den Hochschulen des Landes. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
[2] Der Text von Koretz im aktuellen Sonderheft der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft thematisiert zudem auch die Ergebnisse dieser Reformen. Dieser Text (Koretz, Daniel (2011) / Lessons from test-based education reform in the U.S. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, Sonderheft 13, 14 (2011), 9-23) ist, gerade für Leute, die gerne mal behaupten, in Deutschland müssten vor allem „internationale Erfahrungen“ im Bildungssystem umgesetzt und „internationale Experten“ für den Umbau des Bildungswesens herangezogen werden, eine wärmstens empfohlene Lektüre. Ebenso das Buch vom Koretz (Koretz, Daniel / Measuring Up: What Educational Testing Really Tells Us. Cambridge: Harvard University Press, 2008) zum gleichen Thema.
[3] Was selbstverständlich nicht heißt, dass sich nicht immer wieder darüber Gedanken gemacht wird, wie man auch solche Effekte statistisch bestimmt werden können. Die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen soll gar nicht in Frage gestellt werden. Aber für Deutschland ist beispielsweise die Frage, wie die ästhetisch-musikalische Schulbildung, die lange als Besonderheit des deutschen Schulsystems herausgestellt wurde, eigentlich in Kompetenzen ausgedrückt und deren Effekte gemessen werden können, noch lange nicht beantwortet.
[4] Zumal bekannt ist, dass die Wirkung von Interventionen im Schulalltag immer komplexer ist, also man es sich in solchen einfachen Modellen vorstellt. Allerdings sind komplexere Wirkmodelle auch nur komplexer zu testen. Und ab einer bestimmten Komplexität auch gar nicht.
[5] Oder, um es polemisch zu sagen: Evidenz kann man für alles finden, wenn man nur will. Und auch Evidenz dagegen.

Schulbibliothekarische Arbeitsstellen, 1970-2000. Eine Literaturrecherche (Zur Geschichte der Schulbibliotheken, I)

[Wegen der Länge: Der Beitrag als PDF hier.]

In den späten 1960er und dem größten Teil der 1970er Jahre herrschte in der BRD die Vorstellung vor, dass sich das Bildungssystem im großen Maße zentral planen und steuern lassen würde. [1] In der öffentlichen Diskussion und der Bildungspolitik war man sich einig, dass es eine Bildungskatastrophe geben würde, die einerseits in den Ungerechtigkeiten im Bildungssystem zu finden sei und andererseits ein ökonomisches Problem für die Individuen und die Gesamtgesellschaft darstellen würde. Zum einen galt das Bildungssystem als sozial ungerecht, zum anderen würde es nicht ausreichend auf die sich rapide verändernden Anforderungen am Arbeitsmarkt reagieren. Auf Grundlage sozialwissenschaftlicher und bildungssoziologischer Expertise versuchte man deshalb im großen Maßstab, Bildung und das Bildungswesen so zu planen, dass es auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes reagieren konnte und gleichzeitig soziale Ungleichheiten ausgleichen würde. Die ersten Pläne bezogen sich auf die Schulen, anschließend die Hochschulen. Aber sehr schnell wurde auch der gesamte Bildungsbereich geplant, insbesondere die Erwachsenenbildung. Es ging darum, Bildungsinstitutionen effizient zu machen und auch neu zu gründen.

Alte und aktuelle Bildungsreformen
Wenn das bekannt vorkommt, ist das kein Zufall. Die Bildungsreformen und Diskussionen um Bildung seit Mitte der 1990er Jahre und die anschließenden Debatten, die sich mehr oder minder auf die PISA-Studien bezogen, weisen große Parallelen zu den Debatten der 1960er und 1970er Jahre auf. [2] Viele Debatten werden einfach nochmal geführt, beispielsweise die Diskussion darüber, was Lebenslanges Lernen eigentlich sein soll, welche Institutionen dafür notwendig wären und ob es nicht einer verstärkten Bildungsberatungen bedürfe.
Sicherlich, es gibt auch relevante Unterschiede. Die Leitwissenschaft der Debatte ist nicht mehr die Soziologie, sondern die Bildungsökonomie. In den 1970er Jahren wurde sehr stark auf Bildung als demokratisches Recht gepocht, die potentielle Emanzipationsfunktion der Bildung hervorgehoben und die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Bildung betont. Das Bildungswesen und die thematisierten Ungleichheiten haben sich – auch aufgrund der Transformation der deutschen Gesellschaft – gewandelt. In den 1970er Jahren galt das „katholische Bauernmädchen“ als Idealtypus der „Bildungsverliehrerin“ (katholisch, ländlicher Raum, unterste soziale Schicht, weiblich), in der aktuellen Debatte ist der Idealtypus des „Bildungsverliehrers“ der Junge mit türkisch-arabischen Migrationshintergrund aus der Großstadt (spezifischer Migrationshintergrund, Großstadt, männlich, weithin unterste soziale Schicht). [3] Die Schlagworte bei der Umgestaltung von Einrichtungen und didaktischen Settings (also beispielsweise dem Unterricht) sind heute – stark verkürzt – Autonomie, Selbstverantwortung, Modularisierung und Bildungsstandards während in den 1970er Jahren Begrifflichkeiten und Denkweisen aus der Kybernetik und der Demokratiediskussion vorherrschten. War in den 1970er Jahre die Planung das Hauptinstrument der Bildungssteuerung, ist es heute die Standardisierung und Evaluation.
Dennoch ist es erstaunlich, wie viele Dinge in den 1970er Jahren thematisiert und geplant wurden und dann offenbar vergessen gingen, nur um in den Debatten seit den 1990er Jahren – teilweise unter dem gleichen Namen – wieder aufzutauchen. Dies hat wohl nicht nur mit einer gewissen Geschichtsvergessenheit zu tun.

Schulbibliothekarische Arbeitsstellen: Teil eines Planes für ein Schubibliothekssystem
Ein Kind dieser 19060/70er Planungseuphorie in den damaligen Bildungsreformen waren die Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen. Zu einem großen Teil kann man diese Einrichtungen auf ein Projekt des Instituts für Jugendbuchforschung der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt / Main zurückführen. Dieses Projekt, „Zentrale Beratungsstelle für das Schulbibliothekswesen in der BRD“, versuchte in gewissem Maße einen Masterplan für eine (damals) moderne Schulbibliothekslandschaft in (damals) modernen Schulen zu entwerfen und auch dessen Umsetzung anzustoßen. Das war kein kleiner Anspruch, aber im Kontext der damaligen Bildungsplanungen auch nicht herausragend groß. Es dominierte im Projekt eine gewisse Planungsgläubigkeit.
Die „moderne Schulbibliothek“ [4] sollte sich stark am Modell Öffentlicher Bibliotheken (also wieder den damals modernen) orientieren. Eine offenbar wichtige Forderung war, dass die Bestände einer Schule in einer „Zentralen Schulbibliothek“ an einem einzigen Ort der jeweiligen Schule zusammengefasst werden. Dies ist heute der Normalfall, damals war es das offenbar nicht. Eine andere Forderung war, dass die Schulbibliotheken von bibliothekarischen Personal geleitete werden und sich gleichzeitig an den pädagogischen Aufgaben der Schulen – hauptsächlich dem Unterricht – orientieren sollten. Hinzu kam, dass jede Schulbibliothek einen bibliothekarischen Katalog und eine ebenso bibliothekarische Systematik erhalten sollte.
Die Schulbibliotheken sollten nicht isoliert in den Schulen existieren, sondern in Schulbibliotheksnetzen zusammenarbeiten und gleichzeitig in engem Kontakt mit den Öffentlichen Bibliotheken stehen. Hiervon wurde sich eine effiziente und sinnvolle Nutzung der eingesetzten Ressourcen versprochen. (Im Rückblick kommt man nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass die theoretische Basis für solche Annahmen – zumindest die, die publiziert wurde – relativ schwach war. Es wurde angenommen, dass ein Schulbibliotheksnetz besser wäre, als lokal orientierte Schulbibliotheken; es wurde angenommen, dass Schulbibliotheken nur mit bibliothekarischem Personal richtig funktionieren könnten etc. Warum das so sein sollte, wurde eigentlich nicht genauer begründet.)
Innerhalb dieses Rahmenkonzeptes wurden Schulbibliothekarische Arbeitsstellen konzipiert. Sie sollten, in der Urform zumindest, Schulen dabei unterstützen, Schulbibliotheken aufzubauen und zu unterhalten. Letztlich sollten sie auch selber Schulbibliotheken betreiben. Angesiedelt werden sollten sie an den Öffentlichen Bibliotheken. Wenn die Schulbibliotheksnetze erst einmal funktionieren würden, sollten die Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen eine Schanierfunktion zwischen Schul- und Öffentlichen Bibliotheken einnehmen. Gedanklich lief das alles in eine Richtung: es ging immer darum, ein einmal als richtig erkanntes Modell von Schulbibliotheken in allen Schulen zu verankern. Alle Schulbibliotheken, die nicht diesem Modell entsprachen, wurde als unfertig, als Anfang, als „noch nicht von einer bibliothekarischen Fachkraft betreut“ verstanden. Dies klingt heute übertrieben, teilweise anmaßend, aber es passte in die damalige Zeit.

Verbreitung der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen
Eine interessante Frage ist, was eigentlich aus dieser Idee wurde. Sie hat sich, soviel kann man sagen, nicht überall durchgesetzt, sie wurde allerdings auch nicht vollständig ignoriert. Vielmehr gab es eine ganze Reihe von Städten, in denen diese Form der Unterstützung von Schulbibliotheken – die neben anderen Angeboten, beispielsweise solchen der bibliothekarischen Fachstellen, stand – ausprobiert wurde. In einem Großteil dieser Städte verschwanden die Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen aber auch wieder oder wurden in Einrichtungen mit einem anderen Arbeitsbereich transformiert.
Im Folgenden sollen die Ergebnisse einer Literaturrecherche zu den Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen zwischen 1970 und 2000 vorgestellt werden. [5] Die Recherche wurde durchgeführt in drei Zeitschriften. In den zwischen 1972 und 1974 im Rahmen der schon genannten Projekts publizierten Informationen für den Schulbibliothekar, in der darauf folgend erscheinenden schulbibliothek aktuell und als großer bibliothekarischer Zeitschrift mit Praxisschwerpunkt, der Buch und Bibliothek. Die Zeitschriften wurden vollständig per Autopsie ausgewertet und jede Erwähnung einer Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle vermerkt. Das Jahr 2000 markiert eine Wende, da im Rahmen der Abwicklung der Deutschen Bibliotheksinstituts die Zeitschrift schulbibliothek aktuell ihr Erscheinen einstellte (bzw. in den Beiträgen Jugendliteratur und Medien aufging). Damit endete die bisher einzige überregionale rein schulbibliothekarische Publikation in Deutschland. [6]
In einer ersten Übersicht sollen die Nachweise zu Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen dargestellt werden. Gezählt wurde jede Erwähnung einzelnen Schulbibliothekarischer Arbeitsstellen, egal in welcher Form und Ausführlichkeit. Bei der folgenden Darstellung wurde der Übersichtlichkeit halber die Existenz der schulbibliothekarischen Arbeitsstellen in Fünf-Jahres-Perioden eingetragen.
Die zwei Karten sind Symbolhaft zu verstehen. Nicht alle Städte sind geographisch zu 100% korrekt abgetragen, da es um die Übersichtlichkeit ging. Die Trennung der Darstellung in zwei Karten ergibt sich aus der politischen Wende 1989/90. Erst nach 1989 wurde in den dann fünf neuen Bundesländern schulbibliothekarische Arbeitsstellen begründet. [7] Die Grundkarten wurden unter der CC-Lizenz aus der deutschsprachigen Wikipedia übernommen, insoweit sind auch die beiden folgenden Karten unter der CC-Lizenz veröffentlicht. [8]


[Schulbibliothekarische Arbeitsstellen in Deutschland, 1970-1989. Größere Darstellung: hier]


[Schulbibliothekarische Arbeitsstellen in Deutschland, 1990-2000. Größere Darstellung: hier]

Diese Darstellung hat selbstverständlich ihre Probleme. Die Daten zeigen gewiss nicht alle Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen, die in Deutschland geplant wurden oder existierten, sondern nur solche, welche durch eine Literaturrecherche nachzuweisen sind. Da es keine Veröffentlichungspflicht für solche Einrichtungen gibt, wird es zahlreiche Einrichtungen und noch weit mehr Planungen gegeben haben. Dies findet sich auch in den Texten, die in der Recherche durchgesehen wurden, bestätigt. Robert Elstner berichtet beispielsweise im Jahr 1994 von der Arbeit der Arbeitsstelle in Leipzig, deren Gründung im November 1990 beschlossen wurde. [9] In den ersten drei Jahren ihrer Existenz war sie nicht in der bibliothekarischen Literatur aufgetaucht und wäre es wohl auch nicht, wenn sie nur kürzer finanziert worden wäre. In einer kurzen Notiz in der schulbibliothek aktuell wurde 1989 wurde berichtet, dass die Arbeitsstelle in Düsseldorf, die zuvor keine Erwähnung in der Literatur gefunden hatte, eine neue Leiterin erhalten habe. Diese neue Leiterin hätte eine Leiterin abgelöst, welche „langjährig“ gewesen sei. [10] Allerdings wären weitere Angaben zu Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen fast nur durch eine langwierige Archivrecherche zu erhalten, die im Rahmen der hier berichteten Recherche nicht geleistet werden konnte.
Beachtet man diese Einschränkungen, lassen sich aus den beiden Karten einige Trends ablesen. Zum ersten: die Großzahl der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen, welche seit den 1970er Jahren gegründet wurden, sind heute nicht mehr existent. Dafür wird es unterschiedliche Gründe geben, wobei man dabei aufpassen sollte, dies nur auf Kürzungen von Geldmitteln und Personalstellen zu reduzieren. Sicherlich haben die beständigen Streichungen staatlicher Mittel seit den 1980er Jahren dazu beigetragen, dass solche Arbeitsstellen und auch zahlreiche andere Angebote von Öffentlichen Bibliotheken, eingestellt wurden. Allerdings scheint es auch, als ob Schulbibliothekarische Arbeitsstellen oft gerade nicht so funktionierten, wie sich dies in der Literatur vorgestellt wurde. [11] Insbesondere waren die Schulen offenbar gar nicht so überzeugt von den Angeboten der Arbeitsstellen, obgleich dies in den Planungen den 1970er Jahre gewissermaßen als selbstverständlich angenommen wurde. [12]
Die Geschichte der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen von 1970 bis 2000 lässt sich grob in drei Abschnitte einteilen, die sich an den Jahrzehnten orientieren.

  • Im ersten Abschnitt, den 1970er Jahren, wurden grundlegende Planungen vorgenommen und die ersten Arbeitsstellen begründet. Damals fanden sich relativ viele Texte, in welchen die Vorstellung vertreten wurde, dass es möglich wäre, durch einige erfolgreiche Beispielprojekte und veröffentlichte Planungen die flächendeckende Gründung von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen auf dem gesamten Gebiet der BRD anzustoßen. Eine besondere Bedeutung nahmen dabei die Planungen zur Arbeitsstelle in Osnabrück ein. Diese Arbeitsstelle wurde nie realisiert, dennoch wurden die Planungen zu dieser 1972 in den Informationen für den Schulbibliothekar veröffentlicht. Diese Schriftenreihe wurde – so zumindest der Anspruch – an alle existierenden Schulen und offenbar auch an die Bibliotheken versandt. Was in dieser Reihe publiziert wurde, sollte als Grundstock für die Arbeit von Schulbibliotheken wirken. In den folgenden Jahren wurde dann oft auf dieses Konzept verwiesen. [13] In diesen Jahren wurde auch die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle in Frankfurt / Main gegründet. Diese Arbeitsstelle besteht nicht nur, als eine der wenigen, heute noch, sondern ist auch diejenige, welche in der Literatur bislang den breitesten Niederschlag gefunden hat.
  • Im zweiten Abschnitt, den 1980er Jahren, arbeiteten offenbar die meisten Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen. Wenn es jemals so etwas gab, dann war die zweite Hälfte der 1980er Jahre – als man im Bildungswesen schon lange von der Planungseuphorie der 1970er Jahre abgekommen war, aber gleichzeitig die aktuell (2011) wirksamen Bildungsreformen noch nicht verhandelt wurden – offenbar die (bisherige) Hochzeit der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen. Dabei ist auffällig, dass auch einige kleinere Städte Arbeitsstellen einrichteten. Sichtbar ist auf der ersten Karte allerdings auch eine klare Konzentration der Arbeitsstellen auf bevölkerungsreiche Gegenden, zudem auf den Süden der BRD und vor allem das Ruhrgebiet. Dies ist einerseits durch die Dichte der Städte im Ruhrpott zu erklären, aber auch nicht vollständig. In gewissem Maße könnte zumindest in den 1980er Jahren tatsächlich das Vorbild einiger Städte auf andere Gemeinden gewirkt haben. Gleichwohl muss bemerkt werden, dass auch zwischen 1985-1989 weiterhin die meisten Städte in Deutschland keine Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen unterhielten, auch nicht diejenigen im Ruhrgebiet. Nicht umhin kommt man zu bemerken, dass ein Großteil dieser Arbeitsstellen nach 1989 nicht mehr in der Literatur auftauchen und heute nicht mehr nachzuweisen sind. Zu erwähnen sind in dieser Phase zudem die beiden Arbeitsstellen in Ingolstadt und Landshut. In diesen beiden Städten – und nicht in der Großstadt Frankfurt / Main oder Bremen, von denen man das nach der Publizität der dortigen Arbeitsstellen hätte erwarten können – wurden Ende der 1980er Jahren ein Zustand erreicht, wie er in den 1970er Jahren angestrebt wurde: je eine Schulbibliothekarische Arbeitsstelle betreut in allen Schulen der Stadt Schulbibliotheken. Diese Konstruktion besteht in beiden Fällen bis heute, hat aber – anders als in den 1970er Jahren angenommen – nicht als Vorbild für alle anderen Städte gewirkt.
  • Der dritte Abschnitt, die 1990er Jahre, war geprägt von letztlich oft kurz bestehende Gründungen Schulbibliothekarischer Arbeitsstelle auf der Grundlage von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) in den fünf neuen Bundesländern. Dies war nicht nur im Bibliotheksbereich eine normale Vorgangsweise. Diese Maßnahmen sollte einerseits einen Übergang der Wirtschaft und staatlichen Strukturen der DDR in das Deutschland nach 1990 ermöglichen, gleichzeitig zum Ausprobieren und Planen von neuen Strukturen ermutigen. [14] Es kam in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre zu einer kleinen Gründungswelle Schulbibliothekarischer Arbeitsstellen in den fünf neuen Bundesländern, die allerdings nicht nachhaltig war. Auch in den alten Bundesländern wurden einige Arbeitsstellen gegründet, allerdings weit weniger.

Schulbibliothekarische Arbeitsstellen fanden und finden sich vor allem in Großstädten. Je größer eine Stadt, um so größer ist offenbar die Wahrscheinlichkeit, dass dort eine solche Arbeitsstelle eingerichtet wurde. (Allerdings muss man bemerken, dass es Berlin nie geschafft hat, die mehrfach angedachte Berlin-weite Arbeitsstelle gründen, dass die Arbeitsstelle in Hamburg erst nach 2000 – im Rahmen der angestrebten Schulreform der schwarz/grünen Regierung 2008-2010/11 in Hamburg – begründet wurde, die Arbeitsstelle in Bremen zwar lange existierte, aber letztlich geschlossen, bzw. 1997 „reorganisiert“ und damit als Stelle, die Schulbibliotheken direkt aufbaut und betreut, abgeschafft wurde und in München in den frühen 1970er Jahren eine Arbeitsstelle geplant wurde, die dann nach 1977 keine Erwähnung mehr fand, auch nicht als 1999 eine Arbeitsstelle eingerichtet wurde. Der Zusammenhang gilt also nicht in beide Richtungen.) Es gab insbesondere im ländlichen Raum kaum Schulbibliothekarische Arbeitsstellen. Vielmehr betont Evelyn Bornmann, welche die Arbeit der Arbeitsstelle im Landkreis Bernburg (Sachsen-Anhalt) in immerhin fünf Artikeln sehr ausführlich darstellte, die Besonderheit, dass diese gerade in einem ländlichen Raum aktiv ist. [15] Gleiches tut Elke König-Gerdau für die Arbeitsstelle in Neustadt am Rübenberge (Niedersachsen). [16] Man kann also davon ausgehen, dass eine solche Arbeit auch außerhalb großer Städte möglich war, insbesondere wenn man bedenkt, dass mit den zahlreichen kommunalen Strukturreformen in Deutschland zahlreiche Gemeinden geschaffen wurden, die flächenmäßig groß sind und deshalb immer auch Wege finden müssen, staatliche Angebote in der breiten Fläche anzubieten.
Die Frage ist also, warum solche Arbeitsstellen nicht auch verstärkt außerhalb von größeren Städten errichtet wurden. Eine These dazu ist selbstverständlich, dass sich dies in Städten mit größeren Bibliothekssystemen eher „geleistet“ werden kann. Eine zweite These wäre, dass im ländlichen Raum eher dazu geneigt wird, Schulen und Bibliotheken gemeinsam in einem Gebäude unterzubringen, was gerade in Gemeinden mit einer oder zwei Schulen die Existenz von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen überflüssig machen würde. Diese Thesen wären allerdings noch zu überprüfen.
Ein weiterer Punkt ist die Schließung von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen. Es finden sich nur wenige Äußerungen dazu, wie dies geschah. Allerdings deuten die wenigen Literaturstellen darauf hin, dass man nicht einfach von einem radikalen Ende der Arbeitsstellen ausgehen kann. Vielmehr wurden mehrere dieser Stellen transformiert. Die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle in Bremen, die immerhin auf dem Höhepunkt ihrer Arbeit eine Titelliste für den Bestandsaufbau von Schulbibliotheken veröffentlichte und schon 1971/72 ihre Arbeit aufnahm, wurde 1997 „reorganisiert“. Dabei verlor sie die Aufsicht über die vorhandenen Schulbibliotheken und erhielt als Auftrag quasi die Aufgabe, übergreifende Beratungen anzubieten. [17] In Wiesbaden wurde die Arbeitsstelle 1984 von der Stadtbücherei getrennt und ans Kulturamt der Stadt angeschlossen, zwölf Jahre später aber wieder von der Stadtbücherei übernommen. In der Zwischenzeit sei sie „verwaist“ gewesen. Pia Ambrosius erwähnt in diesem Zusammenhang, dass nach 1996 die Aufgabe dieser Arbeitsstelle nicht mehr darin bestehen würde, Schulbibliotheken zu gründen, sondern sich auf Beratungsleistungen zu beschränken. [18] Dieser Trend lässt sich bei vielen Einrichtungen feststellen: aus Einrichtungen, die einmal mit der Gründung und dem Betreiben von Schulbibliotheken beauftragt waren, werden Einrichtungen, die Beratungen, Klassensätze und zum Teil Veranstaltungen zur Leseförderung und zu Recherchefähigkeiten für Schulen anbieten. Der Fokus solcher Einrichtungen – allerdings wieder nicht aller, in Ingolstadt und Landshut scheint es z.B. weiterhin unbestritten zu sein, dass die Arbeitsstellen die Schulbibliotheken betreiben – geht hin zur infrastrukturellen Unterstützungen von Schulbibliotheken. Dazu ist es selbstverständlich notwendig, dass in den Schulen überhaupt solche Einrichtungen betrieben werden. [19]

Planungen zu den Aufgaben von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen
Gewiss hatten und haben die meisten Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen schriftlich niedergelegte Aufgabenplanungen. [21] Allerdings haben nur wenige diese auch veröffentlicht. Hier fällt auf, dass die meisten dieser Konzepte in den frühen 1970er Jahren und anschließend noch einmal in den 1990er Jahren veröffentlicht wurden, wobei letzte zumeist aus den Neuen Bundesländern stammten. Ebenso auffällig ist, dass in den 1970er Jahren den Arbeitsstellen viel weitreichendere Aufgaben zugeschrieben wurden, als dies später – man könnte sagen mit einem gewissen Erfahrungsschatz ausgestattet – geschah.
Durchgehalten wurde in den Konzepten die Aufteilung in folgende drei Typen von Schulbibliotheken:

„1. die Schülerbücherei des alten Typs, die in Klassenschränken vor sich hin vegetiert,
2. kombinierte Schulbibliotheken mit Öffentlichen Bibliotheken
3. Schulbibliotheken, die von den Städtbüchereien betreut werden. Hierbei läßt sich an eine Betreuung durch hauptamtlich tätige Bibliothekare denken. Um ganztätige Öffnungszeiten zu ermöglichen, müssen nebenamtlich Tätige ausgebildet werden, die die verwaltungstechnischen Arbeiten und Ausleihverbuchung übernehmen können.“ [Buchholz (1976), Seite 53]

Obgleich die Terminologie mit der Zeit objektiver und zudem anerkannt wurde, dass die Schulbibliothek, die von den Schulen selber sowie von Ehrenamtlichen betrieben werden, sehr wohl gute Arbeit leisten können und nicht nur „in Klassenschränken von sich hin vegetier[en]“, wurde die implizite Dreiteilung in den meisten Texten zu Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen bis 2000 beibehalten. Der erste Typ galt im besten Fall als Übergangsstadium zu den beiden anderen anzustrebenden Typen. [20]
Renate Breithaupt zitiert 1975 konkret Aufgaben von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen:

„1. Bestandsaufnahme in Kooperation mit Pädagogen der jeweiligen Schulformen und Schulstufen
2. Zentrale Beschaffung und Inventarisierung aller Medien
3. Ausleihfertige Bearbeitung aller Medien
4. Formale und inhaltliche Erschließung der Bestände
5. Fachgerechte Einrichtung von Schulbibliotheken
6. Fachliche Anleitung nebenamtlicher Büchereileiter“ [Breithaupt (1975), S. 202]

Es ist ersichtlich, dass hier sehr klar von einer Führung der Schulbibliothek durch die Arbeitsstelle – bis hin zur Personalführung – ausgegangen wird. Heute erstaunt, das Lehrkräfte der Schulen, aber auch Schülerinnen und Schüler zumeist eine Leerstelle der Konzepte bieten. Sie werden so gut wie nie erwähnt.
In späteren Publikationen treten dann die Lehrerinnen und Lehrer der Schulen immerhin in der Konzeption auf. Die gleiche Autorin schreibt 1984:

„Schulbibliothekarische Arbeitsstellen führen in Abstimmung und Kooperation mit den Pädagogen der jeweiligen Schulen den unterrichtsbezogenen Auf- und Ausbau der erforderlichen Medienbestände durch. Sie übernehmen ihre zentrale Beschaffung, Inventarisierung und schulspezifische Erschließung sowie auch die Reorganisation von Altbeständen. Sie führen den Austausch von Teilbeständen innerhalb des Verbundnetzes durch. Sie bewirtschaften die zweckgebundenen Etatmittel. Sie sind für fachgerechte Einrichtung und Ausstattung der Schulbibliothekszentren zuständig. Ihnen obliegt weiterhin die Fachaufsicht über das in Schulbibliotheken tätige Fachpersonal sowie die Aus- und Fortbildung der dort beschäftigten Mitarbeiter.“ [Breithaupt (1984), S. 874]

Gleichwohl ist auch in dieser Vorstellung die Bibliothek die Einrichtung, welche die Schulbibliotheken führt, während die Schule selber – bzw. das pädagogische Personal – eine beratende Position einnimmt. Den Schulbibliotheken wird in den Konzepten der 1970er und 1980er ebenso keine richtige Eigenständigkeit zugestanden (bzw. dies als Übergangsphase verstanden). [22]
1973 wird in den Informationen für den Schulbibliothekar eine Funktionsskizze zur geplanten Arbeitsstelle in Frankfurt / Main veröffentlicht, die sehr gut das damalige Idealbild verdeutlicht:


[Aus: Anonym (1973), S. 14. Größere Darstellung: hier]

In den 1990er Jahren lässt sich eine relevante Verschiebung der Konzeptinhalte feststellen. Wohl aufgrund von Erfahrungen, aber auch aufgrund eines anderen gesellschaftlichen und bildungspolitischen Klimas, beschreiben Schulbibliothekarische Arbeitsstelle sich nun in erster Linie als Beratungsorgan und Infrastruktur, die Schulbibliotheken und Schulen unterstützen. Der eigene Aufbau oder gar das Betreiben von Schulbibliotheken tritt – obgleich es weiter vorkommt – als Aufgabe in den Hintergrund. Prototypisch stellt 1996 G. Reinhold die Funktionsweise der Arbeitsstelle in Jena vor:

„Nach einer ersten Kontaktaufnahme mit dem Schulamt wurde ein Konzept erarbeitet, was nicht nur den Aufbau von Schulbibliotheken favorisiert, sondern auch Vorschläge zur Zusammenarbeit zwischen Schule und städtischer Bücherei beinhaltete. Dies diente als Diskussionsgrundlage für die Gesprächsrunden mit den Vertretern der 41 Jenaer Schulen.
In den nächsten Monaten wurden alle Schulen besucht und eine sehr individuelle, der jeweiligen Schulsituation angepaßte bibliothekarische Beratung durchgeführt.“ [Reinhold (1994), S. 207]

G. Reinhold publizierte zudem folgende Skizze, welche die Stellung der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle (SBA) Jena in den Vorstellungen der 1990er Jahre verdeutlichte:


[Aus: Reinhold (1994), S. 207. Größere Darstellung: hier]

Die Arbeitsstelle befindet sich hier zwischen Schulamt und Bücherei. War sie in den 1970ern in den Konzepten zumeist der Öffentlichen Bibliothek zugeordnet, „bewegt“ sie sich tatsächlich in den folgenden Jahrzehnten in die Mitte von Schule/Schulamt und Bibliothek. [23] Dies lässt sich auch für die Arbeitsstelle in Wiesbaden gut belegen. Wird diese 1984 noch als Einrichtung vorgestellt, welcher die Schulbibliotheken der gesamten Stadt unterstellt sind, heißt es nach der praktischen Neueinrichtung der Arbeitsstelle 1996:

„In erster Linie berät die SBA auf Anfrage bei der Neueinrichtung oder Reorganisiation einer Schulbibliothek. Dazu werden
– Informationen über Möbel, Arbeitsmaterialien, Medien usw. gesammelt und zur Verfügung gestellt
– individuelle bedarfsorientierte Anschaffungslisten im Rahmen der schulischen Mittel zusammengestellt.
Des weiteren wird zu allen Fragen des Bestandes, der Bibliotheksverwaltung und der Buchpflege beraten.“ [Ambrosius (1996), S. 309]

Man kann hier einen in der Bildungssteuerung zu beobachtenden Paradigmenwechsel nachzeichnen. Galt in den späten 1960er / frühen 1970er Jahren die ausreichend tiefe und konkrete Planung von Bildungsinfrastruktur und Unterricht als anzustrebendes Ziel, ist es heute die Förderung von Autonomie und Beratung von Bildungseinrichtungen, die mit einer Effizienzmessung einhergeht. Schulen sollen z.B. so autonom wie möglich handeln und entscheiden, dann aber in den Schulleistungsvergleichsstudien und ähnlichen Qualitätsmessungen die bestmöglichen Leistungen nachweisen. Dabei wird verstärkt auf die Steuerung der Bildungseinrichtungen durch Beratung und Standards gesetzt. Innerhalb dieses Paradigmas, welches oft mit dem Schlagwort der „Neuen Steuerung“ beschrieben wird, ist es folgerichtig, dass die Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen hauptsächlich als Beratungseinrichtungen angesehen und beschrieben werden.

Berichte aus der Realität der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen
Eine ganze Anzahl von Artikeln geht auf die tatsächliche Arbeit der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen ein, was verständlich ist, da in der schulbibliothek aktuell und der Buch und Bibliothek Informationen für weitere Bibliotheken und die bibliothekarische Debatte zur Verfügung gestellt werden sollten. Auch hier findet sich wieder eine langsame Verschiebung von den 1970er Jahren zu den 1990er Jahren. Werden in den frühen Texten die Probleme der Arbeit noch als Anfangsschwierigkeiten begriffen, die verschwinden werden, wenn den politischen Stellen und den Schulen der Wert von Schulbibliotheken und Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen klar würde, wird ab den 1980er Jahren zumeist bedauert, dass weder die Politik noch die Schulen die Vorschläge der Öffentlichen Bibliotheken aufgreifen. In weiten Teilen bliebt der Anspruch bestehen, dass ein ausgebautes Schulbibliothekswesen notwendig wäre und dafür Schulbibliothekarische Arbeitsstellen eingerichteten werden müssten. Gegen diesen Anspruch ist die Situation ist fast allen Städten und Kommunen in Deutschland selbstverständlich unbefriedigend. Auffällig ist, dass diese Situation zwar benannt wird, aber kaum Debatten darüber stattfinden, wieso diese Situation besteht. Zwar gibt es immer wieder Aufrufe an die Politik, diese Situation zu ändern, es finden sich aber beispielsweise kaum Begründungsversuche, warum nur eine solche Lösung sinnvoll wäre. Ebenso wird die teilweise für die Arbeitsstellen unbefriedigende Zusammenarbeit mit den Schulen implizit auf den Unwillen der Schulen zurückgeführt, ohne das über die Gründe dafür diskutiert würde. Erst mit den 1990er-Jahren wird in einigen Berichten diese Situation immerhin als gegeben akzeptiert, obgleich weiterhin oft das Idealbild eines vollständig ausgebauten Schulbibliothekswesens inklusive Schulbibliothekarischer Arbeitsstellen aufgerufen wird.
Ein treffendes Beispiel liefert dafür Helga Neumann in einer Übersicht zur einer Umfragebogenaktion, die 1983 und 1989 durchgeführt wurde. [24] Nicht alle Arbeitsstellen antworteten – zumal nicht klar ist, ob Neumann auch diejenigen Stellen anschrieb, die Schulämtern zugeordnet waren –, aber diejenigen, die es taten, zeigten erstens auf, dass die personelle Ausstattung – auch die Frage, ob in diesen Einrichtungen bibliothekarisches oder pädagogisches Personal arbeitete –, die Tätigkeitsfelder und auch die restliche Arbeit jeweils sehr unterschiedlich ist. Interessant ist, dass der Großteil der Arbeitsstellen davon berichtet, das die Zusammenarbeit mit den Schulen nur selten gut oder sehr gut wäre. Neumann bewertet diese Ergebnisse sehr aus der Perspektive der 1970er Jahre und erkennt sie vor allem als unzulänglich:

„Wenn nur fünfzehn größere Städte im Bundesgebiet organisatorisch innerhalb ihrer Öffentlichen Bibliotheken und in deren Zuständigkeitsbereich eigene Schulbibliothekarische Arbeitsstellen eingerichtet haben, so ist dies bereits ein starkes Indiz für eine schulbibliothekarische Unterversorgung der Schulen. Die Arbeitsstellen sind zudem personell nicht optimal besetzt, nur neun Arbeitsstellen beraten überhaupt eigenständige Schulbibliotheken, das Fortbildungsangebot der Arbeitsstellen ist insgesamt ungenügend.
Diese defizitäre schulbibliothekarische Lage rundet das merkliche Desinteresse der Lehrerschaft an einer optimalen Zusammenarbeit mit den Bibliothekaren nur noch ernüchternder ab.“ [Neumann (1990), S. 262]

Es ist heute vielleicht etwas irritierend, wie wenig Neumann bereit zu sein scheint, die von ihr angelegten Kriterien für ein Schulbibliothekssystem zu hinterfragen und stattdessen die vorgefundene Situation praktisch nur negativ interpretiert. Es ist aber ein gutes Beispiel für den bis Ende der 1980er vorherrschenden Ton in Berichten aus der Arbeit von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen.
Gleichzeitig gibt es auch positive Berichte aus Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen, wenn es gelang, Schulbibliotheken zu begründen und einen Etat einzurichten. In diesen Fällen wird sehr schnell offensichtlich, dass versucht wird, die Schulbibliotheken möglichst nach den Kriterien Öffentlicher Bibliotheken einzurichten. Waltraud Haugwitz berichtet 1975 von der Arbeit in Hannover, wo zwei Bibliotheken in Schulen eingerichtet wurden, und geht dabei auf Fragen des Etats, der Freihandaufstellung, eines Präsenzbestandes Pädagogik, der Klassensätze, weiterer Informationsmaterialien und AV-Medien ein und präsentiert eine Checkliste für die Arbeit in Schulbibliotheken, die – soweit ersichtlich – allerdings in der Literatur nicht weiter aufgegriffen wurde. [25] Im Laufe der Jahre beschäftigen sich die Texte zu Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen immer wieder mit Fragen des Bestandes und der Computertechnik, die auch in Öffentlichen Bibliotheken relevant werden. Letztlich plädieren sie immer dafür, genauso wie Öffentliche Bibliotheken jeweils moderne Medien anzubieten und Hilfsmittel einzusetzen, obgleich immer wieder darauf hingewiesen wird, dass dies im Rahmen des geringen Etats schwierig ist.
Interessanterweise scheinen es gerade Einrichtungen in den Neuen Bundesländern zu sein, die weniger hohe Anforderungen stellen. Vielleicht hat dazu die prekäre Situation dieser Arbeitsstellen, die fast allesamt mit ABM-Kräften besetzt waren, beigetragen, eventuell auch die besondere gesellschafts-politische Situation in den neuen Bundesländern. Weiterhin könnte man auch vermuten, dass diese Arbeitsstellen kaum einen Bezug zu den Vorstellungen aus den Debatten der 1970er-Jahre herstellten, sondern vielmehr – dem Paradigma der „Neuen Steuerung“ folgend – von der lokal vorgefundenen Situation ausgingen und hauptsächlich versuchten, lokal und in direkter Zusammenarbeit mit den Schulen zu klären, ob und wenn ja, welche Schulbibliotheken für die jeweiligen Schulen sinnvoll wären. Dies lässt sich zumindest in den Berichten aus dem Landkreis Bernburg, aus Jena und Leipzig ablesen. [26]
Was die konkrete Arbeit der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen angeht, beschränken sich die meisten Berichte auf Stichpunkte. Neben dem Aufbau von Schulbibliotheken werden oft Blockausleihen, Klassensätze sowie die Anleitung von nicht-bibliothekarischem Personal genannt. Zum Teil wird auch die Anleitung zu Leseförderungs-Projekten, dem Bestandsaufbau und die Bearbeitung neuer Medien angeführt. Es scheint eine gewisse Ähnlichkeit bei der Arbeit der Arbeitsstellen gegeben zu haben, obgleich sie jeweils sehr unterschiedliche Voraussetzungen und Möglichkeiten hatten.

Fazit
Schulbibliothekarische Arbeitsstellen waren Einrichtungen, die aus den Vorstellungen der Bildungsplanung in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren geboren wurden. Ihre Hochzeit hatten diese Einrichtungen erstaunlicherweise in den 1980er Jahren. Sie konnten allerdings ihren Anspruch, praktisch in allen Schulen Deutschlands bibliothekarisch betreute Schulbibliotheken zu errichten und zu führen, nicht gerecht werden. Dort, wo es gelang, diese Einrichtungen zu etablieren, funktioniert dies weiterhin, in den meisten Städten wurden die Arbeitsstellen allerdings wieder geschlossen, teilweise auch transformiert zu Beratungseinrichtungen oder – entgegen der ursprünglichen Planung – aus dem Rahmen Öffentlicher Bibliotheken heraus gelöst und beispielsweise bei Schulämtern angesiedelt.
Obgleich einige der Ansprüche aus den frühen Konzepten für diese Einrichtungen heute erstaunlich unkooperativ und unbegründet rabiat erscheinen, passten sie in die Zeit der Bildungsreform der frühen 1970er.
Nach 1989/90 kam es zur Gründung einer Reihe von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen in den Neuen Bundesländern, die sich eher an den Grundzügen der Mitte der 1990er Jahre beginnenden Bildungsreformen orientierten und die Beratung von Schulen in den Mittelpunkt stellten.

Zu lernen ist aus der Geschichte der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen – die allerdings nicht mit dem Jahr 2000 endet, sondern seitdem selbstverständlich weiter geht –, dass es zwar möglich ist, die Einrichtung von Schulbibliotheken durch Öffentliche Bibliotheken auf diese Weise zu organisieren, dass dies aber auch nicht erzwungen werden kann. Es ist auffällig, dass sich die Texte zu Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen dabei zurückhalten, überhaupt das eigene Ziel zu begründen. Die Existenz von Stadtteilbibliotheks-ähnlichen Schulbibliotheken wird in gewisser Weise als selbsterklärend sinnvoll vorausgesetzt. Das unter diesem Paradigma fast jede Schulbibliothekssituation als unbefriedigend erscheinen muss, ist zwar folgerichtig. Allerdings ist es so auch nicht möglich, die tatsächlich Situation in den Schulbibliotheken als Arbeitsgrundlage für eine Zusammenarbeit von Schulen und Bibliotheken zu begreifen.
Schulbibliothekarische Arbeitsstellen haben sich als eine mögliche Form der Organisation von Unterstützungsleistungen von Öffentlichen Bibliotheken für Schulbibliotheken erwiesen, die allerdings offenbar nur in seltenen Fällen die politisch verantwortlichen soweit überzeugten, dass sie bis heute erhalten und finanziert wurden. Diese Geschichte mit einzubeziehen könnte bei der immer wieder angestrebten Neugründung solcher und ähnlicher Arbeitsstellen – wie letztens durch die Bücherhallen Hamburg – von Vorteil sein. Zumindest wäre es falsch, den Eindruck zu erwecken, als wäre eine Stelle in Öffentlichen Bibliotheken, die Schulen beim Einrichten und Betreiben von Schulbibliotheken unterstützt eine Neuheit.
Zu lernen ist allerdings auch, dass Bibliotheken offenbar an den jeweils vorherrschenden Debatten der Bildungspolitik orientiert sind, wenn sie über Schulen und die Zusammenarbeit mit diesen nachdenken. Insoweit sollte sich auch in der bibliothekarischen Debatte daran erinnert werden, dass Bildungsreformen immer Versuche sind, eine Situation im Bildungsbereich zu ändern, welche allerdings immer mit Ansprüchen und Vorstellungen der jeweils in der Bildungsreform Aktiven einhergehen, welche auch kritisiert oder zumindest eingeschränkt werden können (beispielsweise heutzutage die Fixierung auf messbare Standards als alleinige Bewertungsgrundlage). Zwar kann es seine Zeit dauern, bis eine Bildungsreform ihre Wirkung entfaltet und man sollte sich auch davor hüten, zu glauben, Reformen würden entweder alles ändern oder aber immer wieder nur in ihrer Ausgangssituation enden. Das tun sie nicht, vielmehr verändern sie die Strukturen und Zielsetzungen des Bildungswesens, doch niemals vollständig. Dennoch sind sie irgendwann einmal vorbei. Nach dieser Bildungsreform kommt die nächste Bildungsreform, es gibt keinen Grund zu glauben, Kooperationsverträge und Bildungsstandards würden immer als Grundlage der Arbeit von Biliotheken für und mit Schulen und Schulbibliotheken ausreichen. Auch diese folgende Bildungsreform wird Dinge kritisieren, die kritisiert werden müssen; auch sie wird ihre problematischen Seiten haben; sie wird zudem darauf verweisen, dass bestimmte Probleme – insbesondere die soziale Stratfikationsfunktion von Bildung – immer noch existieren; gleichzeitig wird sie eigene Schwerpunkte identifizieren. Und das ist auch gut so, schließlich ist es das Wesen der freien Gesellschaften wie im zeitgenössischen Deutschland, dass sie sich ändern. Aber wie auch immer diese zukünftige Bildungsreform aussehen wird, sie wird neue Lösungen hervorbringen. Dies müsste in der bibliothekarischen Diskussion antizipiert werden. Dies ist bei den Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen lange Zeit nicht geschehen, ohne dass dafür eine inhaltliche Begründung publiziert wurde. Jede Planung, wie man Schulbibliotheken aufbauen, unterhalten, beraten oder anders unterstützen will, bedarf auch eine Beschäftigung mit den jeweils aktuellen Debatten im Bildungswesen und der realen Situation in Schulen. Offensichtlich ist dies nicht mit einer einheitlichen Form von Einrichtungen – wie z.B. den Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen – für alle Öffentlichen Bibliotheken und alle Schulen bewerkstelligen.

Fußnoten
[1] In der DDR gab es eine solche Überzeugung auch, allerdings schon seit den 1940er Jahren und letztlich auch folgerichtig in einer Gesellschaft, die – im Anschluss an Lenin – von der Planbarkeit der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung überzeugt war. Allerdings sollte man die Parallelen auch nicht überstrapazieren.
[2] Dies gilt auch für den Fakt, dass die Reformdiskussion und -ansätze in den Erziehungswissenschaften und der Bildungspolitik schon in Bewegung waren, als in der Öffentlichkeit eine Debatte ausbrach, die eine Bildungskatastrophe prognostizierte, von Stillstand sprach und einforderte, dass etwas getan würde.
[3] Man beachte, dass die Religionszugehörigkeit als Wert „verschwunden“ ist (auch wenn der Migrationshintergrund oft mit „muslimisch“ gleichgesetzt wird, was faktisch nicht stimmt), dafür wird mit dem Migrationshintergrund eine Ungleichheitskategorie verwendet, die in den 1970er Jahren nicht thematisiert wurde. Die Gesellschaft wandelt sich, es geht nicht nur um den Wechsel von Positionen.
[4] So der Titel eines der Werke, die im Kontext des damaligen Projektes entstanden. (Doderer et al. (1970)). Vgl. auch Schleusener (1975).
[5] Diese Recherche wurde im Rahmen einer größeren Studie durchgeführt. Die gesamten Ergebnisse dieser Recherche, die praktisch alle Veröffentlichungen zu Schulbibliotheken in den relevanten bibliothekarischen (d.h. bislang mit dem Desiderat der pädagogischen Zeitschriften) sammelte und auf Unterstützungsangebote für Schulbibliotheken (inklusive der Selbsthilfe in Arbeitskreisen und Arbeitsgemeinschaften) durchsah, findet sich hier.
[6] Zudem wurde die bibliothekarische und pädagogische Literatur ab 2000 schon in Schuldt (2006) ausgewertet.
[7] Die Frage, wie die Situation der Schulbibliotheken in der DDR vor 1989 aussah, lässt sich nicht einfach beantworten. Eigentlich sollte es sie seit den 1960er Jahren nicht mehr geben, sondern vielmehr die Betreuung der Schulen direkt von den – allerdings zahlreichen – Zweig- und Ausleihstellen der Öffentlichen Bibliotheken übernommen werden. Allerdings deutet eine weitere Recherche des Autors, die aktuell durchgeführt wird, darauf hin, dass die Realität nicht immer so war. Allerdings: Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen ähnliche Einrichtungen scheint es nicht gegeben zu haben.
[8] Quelle der Karte (bis 1990): http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Germany,_Federal_Republic_of_location_map_January_1957_-_October_1990.svg&filetimestamp=20090118032519
Quelle der Karte (aktuell): http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Germany_location_map.svg&filetimestamp=20100119100329
Lizenz der Karten: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
[9] Elstner (1994).
[10] Anonym (1989).
[11] Vgl. Abschnitt „Planungen zu den Aufgaben von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen“.
[12] Vgl. Abschnitt „Berichte aus der Realität der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen“.
[13] Vgl. für das Konzept aus Osnabrück Anonym (1972). Die Meldung, dass die Stelle doch nicht umgesetzt wurde, findet sich in Anonym (1975).
[14] Man kann sich heute über den Erfolg dieser Maßnahmen streiten, zumal sie in der Biographie von zahlreichen Menschen als „Zwischenparken“ oder auch letzte Stufe vor dem Abstieg in die Langzeitarbeitslosigkeit erscheinen. Die Grundidee war allerdings, dass die wirtschaftliche Struktur in der DDR einige Jahre benötigen würde, um das „Westniveau“ zu erreichen und genügend Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, um alle Menschen in der vormaligen DDR zu beschäftigen. Die Maßnahmen waren, genauso wie die verstärkte Förderung der Weiterbildungen von Arbeitslosen, als staatlich gestützter Übergang gedacht. Die Menschen sollten nicht alleine gelassen und die (quasi vorgestreckten) Kosten für diese Maßnahmen sollten durch das zu erwartende Wirtschaftswachstum in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre refinanziert werden. Gleichzeitig sollten solche Maßnahmen dazu beitragen, die Gesellschaft der DDR in ein demokratisches Gemeinwesen nach dem Vorbild der vormaligen BRD zu wandeln. Deshalb entstand in den ersten Jahren der 1990er-Jahre insbesondere in den fünf neuen Bundesländern und Berlin eine weitgefächerte Landschaft von Vereinen und Einrichtungen, die sich ABM-Kräfte bedienten, um gesellschaftliche Angebote zu unterbreiten. Dies hat sich heute bekanntlich geändert. War es damals z.B. oft noch möglich, ABM-Stellen mehrere Jahre lang zu verlängern, da die Vorstellung vorherrschte, dass der wirtschaftliche Aufbau folgen würde und deshalb die Menschen in den Stellen etwas länger unterstützt werden mussten, ist dies heute – wo solche Stellen vor allem als Möglichkeit für Arbeitssuchende gelten, Arbeitserfahrungen nachzuweisen und kaum eine darüber hinausgehende gesellschaftliche Funktion mit diesen in Verbindung gebracht wird – kaum mehr möglich. ABM-Kräfte in Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen (oder auch Schulbibliotheken) waren in den 1990er-Jahren also Teil einer weit verbreiteten Form von Einrichtungen, keine Ausnahme. Auch Jugend- und Senioren/Seniorinnen-Clubs, Vereine zur Förderung von Ferienfahrten oder Einrichtungen des Streetwork arbeiteten auf diese Weise und waren gezwungen, mit dem Ende der 1990er Jahre andere Möglichkeiten zu finden, sich personell zu tragen, oder aber zu schließen.
[15] Vgl. Bornmann (1992, 1993, 1995, 1996, 1998).
[16] Vgl. König-Gerdau (1993).
[17] Vgl. Obsen (1997). Interessant wäre eine Untersuchung, was eigentlich mit den Schulbibliotheken, die in Obhut der Schulen übergeben wurden, im Weiteren passierte. In der Literatur wird oft davon ausgegangen, dass eine etablierte Schulbibliothek eine solche Bedeutung in den jeweiligen Schulen einnimmt, dass sie für den Lehrkörper unverzichtbar wird. Es gibt in Berlin auch Beispiele, in denen – beispielsweise in der Heinrich Seidel Grundschule (vgl. Wolf & Schuldt (im Erscheinen)) oder der Bettina von Arnim Oberschule (vgl. Schuldt (2006)) – solche ehemals von Öffentlichen Bibliotheken betriebenen Einrichtungen von den Schulen weitergeführt wurden, es gibt aber auch genügend Beispiele, in denen sie nach der Übergabe schlossen. Zudem wurden die Einrichtungen, wenn sie von Schulen übernommen wurden, auch verändert und den Vorstellungen der Schulen angepasst. Geht man davon aus, dass die Schulen versuchen, jeweils für sie sinnvolle Entscheidungen zu treffen, ist es relevant zu schauen, welche Veränderung vorgenommen wurden.
[18] Vgl. Anonym (1984), Ambrosius (1996).
[19] Bei dieser Lösung kommt übrigens eine dritte Gruppe von Personen ins Spiel. Wurde insbesondere in der Literatur der 1970er Jahre davon ausgegangen, dass sich vor allem Bibliothekare/innen und Lehrer/innen einigen müssten, werden heute viele Schulbibliotheken von anderen Ehrenamtlichen – die entgegen der oft geäußerten Annahme nicht unbedingt Eltern von Schüler/innen der Schule sind, sondern erstaunlich oft keinen solchen Bezug zur jeweiligen Schule haben – betrieben, welche selbstverständlich auch eigene Interessen, Vorstellungen und Wünsche haben.
[20] Wobei in vielen Fällen der erste Typ von Schulbibliotheken überwiegt, ohne das es nachweisbare Bestrebungen der Schulen und Schulverwaltungen zu geben scheint, diese Situation zu ändern.
[21] Vgl. Buchholz (1976).
[22] Untergründig herrschte offenbar die Angst vor, nicht die anführende Einrichtung darzustellen. Beispielsweise schreibt Ernst Buchholz: „Es bleibt festzuhalten, daß viele Bibliothekare wahre Seiltanzakte vollbringen, um nicht nur als Beratungsorgan, sondern auch als gleichberechtigter Partner der Schule aufzutreten.“ (Buchholz (1976), S. 53). Es wird allerdings nie richtig geklärt, warum die Rolle als Beratungsorgan – welche dann offenbar von vielen Arbeitsstellen in der Realität eher wahrgenommen wurden – abzulehnen sei.
[23] Es gibt auch heute eine Reihe von Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen, die Schulämtern zugeordnet sich, beispielsweise in Berlin-Treptow [Wolf & Schuldt (im Erscheinen)].
[24] Vgl. Neumann (1990).
[25] Vgl. Haugwitz (1975).
[26] Vgl. Bernburg: Bornmann (1992, 1993, 1998), Jena: Reinhold (1996), Leipzig: Elstner (1994).

Literatur
Ambrosius, P. (1996). Wiedererweckung: Die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle Wiesbaden. schulbibliothek aktuell, 22(3), 308-310.
Anonym. (1972). Dokumentation zum Schulbibliotheksplan der Stadt Osnabrück. Informationen für den Schulbibliothekar, (2), 12-27.
Anonym. (1975). Schulbibliothekarische Arbeitsstellen: Adressen. schulbibliothek aktuell, 1(1), 48-49.
Anonym. (1984). Nachrichten. schulbibliothek aktuell, 10(4), 226-228.
Anonym. (1989). Nachrichten aus Bibliothek und Schule. schulbibliothek aktuell, 15(1), 36-39.
Bornmann, E. (1993). Alles etwas kleiner – aber wir sind noch da!: Schulbibliotheksarbeit in Bernburg (Sachsen-Anhalt). schulbibliothek aktuell, 19(3), 396-398.
Bornmann, E. (1995). Kein Paradies in Sicht! schulbibliothek aktuell, 21(2), 120-121.
Bornmann, E. (1996). Einsichten in eine Minimallösung. schulbibliothek aktuell, 22(2), 201-206.
Bornmann, E. (1998). Die Schulbibliothekarische Arbeitsstelle des Landkreises Bernburg. schulbibliothek aktuell, 24(3), 295-298.
Bornmann, E. (1992). Bernburg (Sachsen-Anhalt) – Erfahrungen einer jungen Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle. schulbibliothek aktuell, 18(4), 317-319.
Breithaupt, R. (1975). Schulbibliothekarische Arbeitsstellen: Aufgaben – Planung – Arbeitsweise / Erläutert am Modellversuch Frankfurt. Buch und Bibliothek, 27, 201-207.
Breithaupt, R. (1984). Schulbibliothekarische Arbeitsstellen : – Zentren fachspezifischer Dienstleitungen für Schulbibliotheken im Verbund mit öffentlichen Bibliotheken. Buch und Bibliothek, 36(11/12), 874-876.
Buchholz, E. (1976). Konkrete Forderungen und Aufgaben der Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen. Buch und Bibliothek, 28, 52-54.
Doderer, Klaus ; Aley, Peter ; Merz, Velten ; Müller, Helmut ; Nicklas, Hans W. ; Nottebohm, Brigitte ; Schulze- Guttermann, Jutta ; Siegling, Luise (1970) / Die moderne Schulbibliothek : Bestandsaufnahme und Modell ; Untersuchungen zur Situation der Schulbibliotheksverhältnisse in der Bundesrepublik und in West-Berlin ; Vorschläge zu ihrer Verbesserung ; Ergebnisse einer Teamarbeit des Instituts für Jugendbuchforschung der Johann Wolfgang Goethe – Universität Frankfurt am Main unter der Leitung von Klaus Doderer und Mitarbeit von Peter Aley, Velten Merz, Helmut Müller, Hans W. Nicklas, Brigitte Nottebohm, Jutta Schulze-Guttermann und Luise Siegling. – Hamburg : Verlag für Buchmarkt- Forschung. – (Schriften zur Buchmarkt-Forschung, 19)
Elstner, R. (1994). Der Aufbau des Leipziger Schulbibliotheksnetzes. Buch und Bibliothek, 46(6/7), 552-556.
Haugwitz, W. (1975). Schulbibliothekarische Praxis Arbeitstechnische Modelle am Beispiel Hannover-Mühlenberg. Buch und Bibliothek, 27, 588-592.
König-Gerdau, E. (1993). Leseförderung und Schulbibliotheken auf dem flachen Lande. schulbibliothek aktuell, 19(3), 347-350.
Neumann, H. (1990). Die Betreuung der Schulbibliotheken durch die Schulbibliothekarischen Arbeitsstellen und die Staatlichen Fachstellen / Umfrageergebnisse der Jahre 1983 und 1989. Buch und Bibliothek, 42(3), 260-264.
Obsen, C. (1997). SBA Bremem vor der Reorganisation. schulbibliothek aktuell, 23(4), 477-478.
Reinhold, G. (1996). Betreuung von Schulen und Medienkisten im Mittelpunkt der Schulbibliothekarischen Arbeitsstelle Jena. schulbibliothek aktuell, 22(2), 207-208.
Schleusener, K. (1975). Zentrale Beratungsstelle für das Schulbibliothekswesen : Erfahrungsbericht. Buch und Bibliothek, 27, 157-159.
Schuldt, Karsten (2006) / Aktuelle Anforderungen an Schulbibliothek in Deutschland. – (Magisterarbeit). – Berlin : Institut für Bibliothekswissenschaft, Humboldt-Universität zu Berlin
Wolf, Sabine ; Schuldt, Karsten (im Erscheinen) / Praxisbuch Schulbibliothek. – Schwalbach/Ts. : Wochenschau Verlag, im Erscheinen

Privatschulen in Deutschland. Ein Thema für Bibliotheken?

Meine Arbeitsstelle hat eine Veranstaltung zum Thema Privatschulen organisiert. In der Vorbereitung darauf habe ich die – jetzt nicht so reichhaltige – Forschungsliteratur zum Thema durchgearbeitet und würde gerne ein paar Anmerkungen machen, die eventuell für die bibliothekarische Arbeit relevant sein könnten.
[Die Veranstaltung „Privatschulen – Ersatz, Gefahr oder Ergänzung?“ des Interdisziplinären Zentrum für Bildungsforschung mit Dr. Thomas Koinzer, Dr. Barb Neumann, Prof. Manfred Weiß und Prof. Sigrid Blömeke ist übrigens explizit für die Öffentlichkeit gedacht. Das auch als Einladung. Datum: 04.11.2010, 18.30 Uhr. Adresse: Humboldt Universität zu Berlin, Dorotheenstraße 24, Hörsaal 1’101.]
Vorneweg: so viel wissen wir zu Privatschulen in Deutschland (noch) nicht. Offenbar nimmt ihre Zahl zu, aber im Gegensatz zum staatlichen Schulsystem reden wir (noch) von relativ wenigen Einrichtungen und zumeist von relativ kleinen. Zudem repräsentieren die Privatschulen, die immer wieder einmal in der öffentlichen Berichterstattung auftauchen (Schloss Salem, die International Schools, die Schulen der Phorms Gruppe), nicht wirklich die Gesamtheit dieser Einrichtungen in Deutschland. Eine ganze Reihe der Schulen, die als Privatschulen gelten, wollen gar nicht so genannt werden. Oft wird eine Bezeichnung wie „Schulen in freier Trägerschaft“ bevorzugt. Amtlich heißen sie eh zumeist Ersatzschulen.

Einige Fakten
Die Privatschulen in Deutschland lassen sich fast alle folgenden Gruppen zuordnen:

  1. Konfessionelle Schulen. Dabei reden wir vor allem von katholischen und evangelischen Schulen, obgleich auch einige wenige Schulen von christlichen Freikirchen zugelassen sind (einige weitere werden offenbar illegal betrieben) und auch jüdische und muslimische Privatschulen existieren. Der Großteil der Privatschulen aber sind katholische und evangelische Schulen. Außer beim gemeinsamen christlichen Leitbild unterscheiden sich diese stark untereinander. Von sehr traditionell orientierten Internaten bis hin zu alternativen Reformschulen in sozialen Brennpunktgebieten finden sich unter dieser Bezeichnung sehr unterschiedliche Schulen. Grundsätzlich müssen diese Schulen aber immer auch für Schülerinnen und Schüler anderer Denominationen, Religionen und Atheistinnen / Atheisten offen sein.
  2. Reformpädagogische Schulen. Die reformpädagogischen Schulen können zumeist auf eine längere Tradition zurückblicken. Von all den möglichen reformpädagogischen Ansätzen, die vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts entworfen wurden, haben sich vor allem die Schullandheime – die grundsätzlich als pädagogische Schonräume gedacht sind [1] – und die Waldorfschulen etabliert, es finden sich aber auch Privatschulen, die sich z.B. am Jenaplan oder der Montessori-Pädagogik orientieren. Allen diesen Schulen geht es zumindest im Grundsatz darum, ein pädagogisches Reformprogramm umzusetzen, welches zumeist die Lernenden in den Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit stellt. [2]
  3. Freie und demokratische Schulen. Eine große Zahl der Privatschulen lässt sich als Freie Schulen, Demokratische Schulen oder mit ähnlichen Schlagworten benennen. Zwar gibt es seit den 1970er Jahren erste Schule, die sich als solche Einrichtungen verstehen, aber in den letzten Jahren gab es – zusammen mit den weiter unten als „tatsächliche Ersatzschulen“ aufgeführten Einrichtungen – bei diesen offenbar ein massives Wachstum. Diese Schulen werden vor allem von Eltern und Engagierten gegründet, die dem staatlichen Schulsystem vorwerfen, nicht demokratisch genug zu sein, Kinder und Jugendliche nicht ausreichend – was oft heißt, nicht ausreichend individuell – beim Lernen zu unterstützen und die oft die Schulen als zu groß ansehen. Kinder und Jugendliche sollten, so die Überlegung, lieber in kleinen Schulverbänden lernen. Eine Vielzahl der Engagierten sieht ihre Schulen auch als Anstoß für das staatliche Schulsystem, sich zu verändern. Sie wollen in ihren Schulen Grundlagen für ein demokratisches Lernen schaffen und auch pädagogische Lösungen erproben, die ihrer Meinung nach in staatlichen Schulen nicht möglich wären, zumindest nicht so schnell. Als Privatschulen organisieren sich diese Einrichtungen, da es in Deutschland nur die Alternative: staatliche Schule oder Privatschule gibt. [3]
  4. For-Profit und Internationale Schulen. Eine sehr kleine Anzahl von Privatschulen in Deutschland zielt darauf, Bildung und ökonomischen Gewinn zu vereinen. Diese Schulen, teilweise als Filialen von Schulketten organisiert, orientieren sich stark an Vorstellungen der wirtschaftlichen Exzellenz und wollen Kinder und Jugendliche oft für eine internationale und wirtschaftlich erfolgreiche Karriere ausbilden. Auch diese Schulen haben spezielle Vorstellungen davon, was guter Unterricht und eine gute Schule sei. Ebenfalls können sie jeweils aufzeigen, was sie im staatlichen Schulsystem als nicht gelungen ansehen. Obgleich sie hohe Schulgebühren nehmen und oft auch durch ihre Finanzierungsform – die Phorms-Schulen beispielsweise über eine AG – darauf angewiesen sind, Geld zu verdienen, stellen sie dennoch nicht das Wohl der Kinder und Jugendlichen hinten an. Vielmehr sehen sie Gewinn als das Ergebnis guter Bildung an, für die ökonomisch erfolgreiche Eltern gewillt wären, auch viel zu zahlen. Fast alle diese Schulen unterrichten multilingual.
  5. Tatsächliche Ersatzschulen. Eine weitere Form von Privatschulen ist in den letzten Jahren massiv gewachsen. In vielen Bundesländern tendieren die staatlichen Behörden dazu, kleinere Schulen mit sinkenden Schülerinnen- und Schülerzahlen zusammenzulegen und Standorte zu schließen. Dafür wird der Schulbusverkehr ausgebaut. Neben finanziellen Überlegungen gibt es auch die Argumentation, dass nur in ausreichend großen Schulen ein guter Unterricht stattfinden könnte. Gerade im ländlichen Raum widersprechen dem allerdings immer mehr Eltern und Engagierte. Sie gründen Initiativen, die auch kleinere Schulen mit wenigen Schülerinnen und Schülern vor Ort halten sollen. Oft übernehmen diese Initiativen offenbar sogar die Schulgebäude der geschlossenen Schulstandorte und organisieren dort den Schulbetrieb. Diese Schulen zeichnen sich dann durch eine geringe Zahl von Schülerinnen und Schülern aus, aber auch dadurch, dass sie – im Gegensatz zu freien Schulen oder reformpädagogisch orientierten – keine spezifisch von staatlichen Schulen abweichenden pädagogischen Konzepte vertreten. Selbstverständlich entwickeln sie sich weiter und insbesondere der Klassenstufen übergreifende Unterricht wird in ihnen aufgrund struktureller Zwänge oft durchgeführt werden. [4]

An dieser Einteilung kann man schon sehen, dass man nicht einfach von „Privatschulen“ sprechen kann, sondern nach den Grundsätzen der einzelnen Schulen fragen muss.
Ein weiterer Fakt: alle Privatschulen erheben Schulgebühren und alle Privatschulen betonen, dass sie ihr Bestes versuchen, um soziale Ungleichheiten auszugleichen und auch Kindern und Jugendlichen aus sozial Schwachen Familien den Zugang zu ermöglichen. Der Besuch einer Privatschule soll nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Man kann das als Versuch der Privatschulen, sich besser darzustellen, abwerten. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Ersteinmal zur Finanzierung: fast alle Privatschulen in Deutschland sind von staatlicher Förderung abhängig. Die Idee, dass sie sich selber finanzieren würde, stimmt einfach nicht. [5] Wie hoch diese Förderung ausfällt, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Ebenso entscheiden die Kommunen in Deutschland eigenständig über ihre Zuschüsse. Zudem müssen in den meisten Ländern Privatschulen erst eine mehrere Jahre lange Phase der reinen Eigenfinanzierung absolvieren, bevor sie in den Genuss staatlicher Zuwendungen gelangen. Allerdings deckt diese Förderung nirgendwo die gesamten Kosten. Jede Privatschule ist darauf angewiesen, anderweitig Geld zu organisieren. Dies ist der Hauptgrund, warum in jeder Privatschule Schulgebühren erhoben werden, obgleich nur wenige Schulen Profit machen wollen. Wir hoch diese Gebühren sind, ist nicht nur vom Konzept der Schule, sondern auch von anderen Finanzierungsquelle sowie der Höhe der staatlichen Förderung abhängig. Dabei haben konfessionelle Schulen oder Schulen, hinter denen vermögende Stiftungen stehen, einen entscheidenden Vorteil.
Zur Frage des sozialen Ausgleichs: Quasi jede Privatschule versucht, eine Förderung für Kinder aus sozial Schwachen Familien zu organisieren. Ob dies immer gelingt, ist eine ganz andere Frage. In den meisten Schulen werden aus den Schulgebühren Ermäßigungen oder Stipendien bereitgestellt, andere Schulgebühren basieren auf dem Prinzip der Selbsteinschätzung der Eltern, wieder andere Schulen planen einen festen Satz an Stipendien ein. Auch hier haben einige Schulen mehr Spielraum als andere, zumal die Übernahme von Stipendien für Stiftungen oder Einrichtungen wie Kirchen ein gut planbare Förderungsmöglichkeit darstellt.

Sind Privatschulen besser?
Eine interessante Frage ist, ob Privatschulen nun tatsächlich anders oder besser sind, als staatliche Schulen. Und die Antwort darauf ist wieder einmal nicht so einfach. Es gibt z.B. gar nicht so viele Untersuchungen dazu, ob Schülerinnen und Schüler auf Privatschulen mehr oder besser lernen, als an staatlichen Schulen. Es scheint eher so, dass es für das vermittelte Wissen keinen großen Unterschied macht, ob es auf einer privaten oder einer staatlichen Schule vermittelt wird: wenn man den sozialen Faktor heraus rechnet. Offenbar lassen sich die vorhandenen Leistungsunterschiede eher durch die direkten und indirekten Auswahlprozesse in Privatschulen erklären – die sich ihre Schülerinnen und Schüler selber auswählen dürfen und trotz allen Stipendien eher von Kindern ökonomisch erfolgreicher Familien besucht werden – als durch einen besseren Unterricht oder andere Werte.
Man sollte allerdings nicht vergessen, dass viele Eltern ihre Kinder nicht unbedingt wegen besseren Noten auf eine Privatschule schicken. Oft geht es den Eltern ja darum, dass ihre Kinder in kleineren Schulverbänden lernen, dass sie unter einem speziellen pädagogischen Konzept lernen – was ja immer auch ein bestimmtes Menschenbild impliziert –, dass sie christliche / jüdische / muslimische Werte vermittelt bekommen oder demokratischer erzogen werden und mitbestimmen können. Wenn für diese Kinder und Jugendlichen festgestellt werden kann, dass sie an Privatschulen unter anderen Lernbedingungen ungefähr die gleichen Noten erhalten, muss das nicht unbedingt schlecht sein. Zumal sie ja mit hoher Wahrscheinlichkeit andere Kompetenzen vermittelt bekommen haben, die sich nicht in Noten ausdrücken lassen.
Man kann sich allerdings fragen: Ist das so viel Aufwand und Geld wert, wie von den Eltern (und anderen) in Privatschulen investiert wird? Für einige Eltern offenbar ja. Gleichzeitig muss man bemerken, dass es eine ganze Reihe insbesondere von wohlhabenden Eltern gibt, die einer „Bildungsangst“ verfallen sind, also hier der Angst, dass ihre Kinder zu wenig oder die falsche Bildung erhalten. Ob diese mit der Qualität der Privatschulen in Deutschland zufrieden sein können, ist dann eine andere Frage. Gerade bei diesen Eltern stellt sich aber auch die Frage, ob es nicht sie sind, die an den Grundfesten der Gesellschaft, die ja auch auf einer allgemein vermittelten Bildung basiert, und dem historischen Fortschritt, den die allgemeine Schulpflicht darstellt, rütteln.
Und dann darf man immer eines nicht vergessen: die Vorwürfe, die an staatliche Schulen gemacht werden und wegen denen sich Eltern an Privatschulen wenden, sind nicht immer gerechtfertigt. Einige dieser Vorwürfe – z.B. dass staatliche Schulen zu groß wären – sind auch eher Meinungen. Ob ein Schulverband besser klein oder groß sein sollte, welche Werte und Kompetenzen in kleinen und großen Schulverbänden vermittelt werden (können) – das ist nicht so klar, wie es in der Diskussion manchmal dargestellt wird. Ebenso ist eher Skepsis angebracht, ob ein möglichst großer Einfluss der Eltern auf den Schulalltag wirklich immer die beste pädagogische Lösung darstellt. Gleichzeitig reformieren sich staatliche Schulen auch, permanent und in den letzten Jahren besonders. Es gibt staatliche Schulen, bei denen man sich fragen kann, ob die freien Schulen nicht ihr Ziel, die Reform im staatlichen Schulwesen anzustoßen, schon lange erreicht haben. Aber es gibt immer auch staatliche und private Schulen, die – bei allem Engagement – schlecht sind.

Schulbibliotheken
Zu den möglichen bibliothekarischen Fragen (erst zu Schulbibliotheken, dann zu Öffentlichen Bibliotheken): Welche Bedeutung hat die Entwicklung von Privatschulen für Schulbibliotheken? Gibt es in diesen Schulen mehr oder weniger Schulbibliotheken? Und welche?
Das ist ehrlich gesagt wieder nicht ganz klar. Auffällig ist, dass in den Privatschulen, die immer wieder in der Presse – dass sind dann zumeist die Profit-orientierten – als auch in den Veröffentlichungen der Privatschulen selber angeführt werden, durchgängig von Schulbibliotheken berichtet wird. Schülerinnen und Schüler gehen in diesen Berichten in die Bibliothek oder lernen schon in der Bibliothek, wenn die Presse vorbeikommt. Manchmal sind sie auch in Lernwerkstätten, „die zugleich Bibliothek sind“, die genutzt werden. Ganz offensichtlich haben Privatschulen eigene Bibliotheken. Aber man darf nicht vergessen: die dargestellten Schulen sind immer wieder die Leuchttürme der Privatschulen, die Einrichtungen, die es geschafft haben und zumeist schon seit Jahren oder Jahrzehnten existieren. Oder aber die, die mit viel Geld gleich einmal alles neu machen wollen. Kann man das Verallgemeinern? Eher nicht.
Schaut man einmal in den anderen Privatschulen nach, merkt man schnell, dass Schulbibliotheken – wie auch in staatlichen Schulen – vorhanden sein können, dass sie aber kein Muss sind. Dabei darf man nicht vergessen, dass wir größtenteils von sehr kleinen Schulen sprechen – eingleisige Schulen sind der Regelfall –, die zudem oft unter Geld- und Raummangel leiden. Eventuell wird sich das für eine Anzahl dieser Schulen mit der Zeit ändern. Zudem muss man bedenken, dass gerade bei den reformpädagogischen Schulen Bibliotheken nicht unbedingt als Lernraum vorgesehen sind, während andere Räume – die Eurythmie-Räume in Waldorfschulen, die Treffpunkt für regelmäßige Treffen aller Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte in freien Schulen etc. – zum Standard gehören.
Nicht wirklich überraschend ist, dass konfessionelle Internate, die eine Tradition vorzuweisen haben und die teilweise direkt aus Klöstern herstammen sowie oft relativ großzügige Räumlichkeiten besitzen, fast immer über Schulbibliotheken zu verfügen scheinen. Allerdings werden viele dieser Schulbibliotheken offenbar sehr traditionell genutzt und nicht, wie es so gerne postuliert wird, als aktivierende Räume für das selbst bestimmte Lernen.
So richtig viele Aussagen lassen sich über Schulbibliotheken in Privatschulen in Deutschland nicht treffen. Sie scheinen kein Muss zu sein, aber trotzdem von einer Anzahl von – vor allem größeren – Privatschulen betrieben zu werden. Wenn, dann scheinen sie sich in das pädagogische Konzept der Schulen einzufügen, also eher freie und offene Lernwerkstätten in freien Schulen und eher traditionelle Lese- und Arbeitsbibliotheken in konfessionellen Internaten. Aber all das sind eher Vermutungen auf der Grundlage allgemeiner Beobachtungen.

Öffentliche Bibliotheken
Ergibt sich für die Arbeit Öffentlicher Bibliotheken überhaupt etwas aus der Entwicklung des Privatschulwesens? Auch das ist nicht so einfach zu sagen, aber man kann zumindest einige Hinweise ableiten.
Festzuhalten ist, dass das Schulwesen sich in Bewegung befindet. Dies gilt – schon aufgrund der Anzahl – weit mehr für das staatliche Schulwesen als für die Privatschulen, aber auch diese sind Teil der Veränderungen. Nicht nur, dass Schulen geschlossen bzw. zusammengelegt werden und daneben wieder kleine Schulen entstehen. Es ist auch so, dass in den einzelnen Schulen die pädagogischen Konzepte ausdifferenziert werden. Es wird immer mehr auf die Freiarbeit von Schülerinnen und Schülern gesetzt, darauf, dass sie sich selber Wissen erarbeiten. Dies kann, muss aber nicht Einfluss auf die Nutzung von Bibliotheken und deren Bestände haben. Man darf nicht vergessen, dass die Hinwendung zur freien oder Projektarbeit einhergeht mit einer Etablierung immer besser werdender Informationsmittel auf elektronischer Basis.
Gleichzeitig kann man festhalten, dass gerade die kleinen Eltern-Initiativ-Schulen im ländlichen Raum, die mit wenig Personal und wenig Schülerinnen und Schülern den Schulbetrieb aufrecht erhalten wollen, bei denjenigen Themen, in welchen Schulen und Öffentliche Bibliothek ansonsten oft in einem (unausgesprochenen) Konkurrenzverhältnis stehen, für eine Unterstützung offen sein werden.
Überhaupt gilt es wohl eines festzuhalten: Privatschulen werden zwar eher von Kindern aus sozial starken Familien besucht, aber sie sind – bis auf wenige Ausnahmen – gerade keine Schulen von Superreichen und „Schnösseln“, mit denen man vielleicht habituell auch gar nichts zu tun haben will. (Was nicht heißt, dass man nicht zum Beispiel Waldorfschulen immer komisch finden kann.) Die meisten dieser Schulen werden gegründet und betrieben, um etwas besser oder anders zu machen; aber nicht, um sich und seine Kinder gesellschaftlich nach unten abzugrenzen. Und die meisten dieser Schulen sind arm. Dies gilt es zweimal zu beachten: Einmal unterscheidet sich die Unterstützung, die Öffentliche Bibliotheken leisten können, nicht so sehr von der Unterstützung, die sie auch staatlichen Schulen anbieten. Es geht auch hier immer darum, sich auf die Gegebenheiten und Anforderungen der jeweiligen Schulen einzulassen. Zum anderen stellen Privatschulen zumeist nicht die Partnerinnen und Partner dar, auf die man im Rahmen von Drittmittelakquisen hofft. Sie sind zumeist Ersatzschulen mit einem besonderen pädagogischen Asnpruch, nicht mehr und nicht weniger.

Fußnoten
[1] Dieser Anspruch gilt in den Schullandheimen – ebenso wie der christliche in den christlichen Schulen – trotz aller Fälle von sexueller Nötigung, die in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit thematisiert wurden.
[2] Dabei ist der Einfluss dieses Grundsatzes weit über die reformpädagogischen Schulen hinaus zu verzeichnen. Obgleich die reformpädagogischen Schulen sich von staatlichen Schulen abgrenzen, haben sich auch staatliche Schulen Reformprogrammen verschrieben. Zu bemerken ist außerdem zweierlei. Zum einen gab es immer auch pädagogische Ansätze, die im Rahmen der pädagogischen Debatten Anfang des 20. Jahrhunderts als Reformprogramm formuliert wurden, welche nicht die Lernenden sondern z.B. die Gesellschaft oder das Kollektiv in den Mittelpunkt stellten (z.B. bei Anton Makarenko). In Deutschland allerdings haben sich praktisch nur die auf die Lernenden zentrierten Pädagogiken etabliert, die dann unter der Bezeichnung Reformpädagogik zusammengefasst wurden. Zum anderen kann man für alle Reformpädagogiken, die in Deutschland breiter vertreten werden, konstatieren, dass eine grundlegende Aufarbeitung ihrer Grundlagen noch nicht zum Abschluss gekommen ist. Zu jedem dieser Ansätze gibt es die Kritik, dass sie auch auf Gedankengut aufbauen, welches den Anforderungen einer demokratischen, liberalen und säkularen Gesellschaft nicht gerecht werden. Zudem stellt sich immer auch die Frage, ob tatsächlich alle ihre Grundsätze auch heute noch pädagogisch zu rechtfertigen sind. Allerdings finden sich offenbar heute für alle Reformpädagogiken Vertreterinnen und Vertreter, die eine solche Aufarbeitung vorantreiben.
[3] Diskutabel ist selbstverständlich, ob die Vorwürfe an die staatlichen Schulen eigentlich zutreffen und ob z.B. die Vorstellung, dass kleinere Schulverbände besser sind, stimmt. Außerdem bietet auch das staatliche Schulsystem Formen der Mitbestimmung durch Eltern und andere Engagierte an.
[4] Die Parallelen zum Bibliothekswesen, wo eine ganze Anzahl von kleineren Öffentlichen Bibliotheken von Initiativen übernommen werden, wenn sie eigentlich geschlossen werden sollen, sind auffällig.
[5] Dies gilt übrigens auch für fast alle privaten Hochschulen, obgleich diese sogar noch öfter als Privatschulen mit dem Anspruch beginnen, nicht vom Staat finanziert werden zu müssen.

Kinderuniversitäten – Lehren für Öffentliche Bibliotheken?

Hans-Ulrich Grunder von der Pädagogischen Hochschule in der Fachhochschule Nordwestschweiz in Solothurn skizziert in einem kurzen Aufsatz in der „Bildung und Erziehung“, warum es sich seiner Meinung nach lohnt, die wachsende Anzahl der Kinderuniversitäten und deren Verhältnis zu Schulen zu untersuchen. Diese Gedanken lassen sich interessanterweise auch auf Öffentliche Bibliotheken (verstanden als Bildungseinrichtungen, was sie ja, im Gegensatz zu Kinderuniversitäten, nur zum Teil sind) übertragen.
Kurz zur Lage: Kinderuniversitäten sind Angebote für Kinder, zumeist im Vorschulbereich und den ersten Schulklassen, die an Universitäten angeboten werden. Laut Grunder gab es 2009 in Europa 113 dieser Angebote. Zumeist, aber halt auch nicht immer, erstrecken sich diese Kinderuniversitäten über mehrere Termine innerhalb eines Semesters. Wiederum oft, aber auch nicht immer, handelt es sich dabei um Vorlesungen von Professorinnen und Professoren, die ihr jeweiliges Arbeits- und Forschungsfeld kindgerecht darstellen. Es gibt aber auch Seminare, Forschungswerkstätten und anderes. Hauptziel der Kinderuniversitäten ist es, den Kindern die Hochschule und die Wissenschaft als interessant vorzustellen und sie schon am Anfang ihrer Schullaufbahn für eine wissenschaftliche Karriere oder zumindest für wissenschaftliche Themen zu interessieren.
Man mag davon halten, was man will. Fakt ist, dass diese Veranstaltungen besucht und immer wieder neue angeboten werden. Allerdings: Wer kommt da hin? Was bringen die Veranstaltungen? Welche Kinder erreichen sie und welche nicht? Was bringen sie überhaupt? Wie sind sie genau strukturiert? Warum lassen sich offenbar viele Kinder rund 45 Minuten was erzählen, ohne zu stören? – all diese Fragen sind bisher nicht zu beantworten, weder empirisch noch theoretisch.
Oder wie, es Grunder ausdrückt:

„Der unerwartete Erfolg der Kinderuniversitäten wirft Fragen auf, welche die Kinderuniversitäten aufgrund ihrer eigenen Definitionsmacht zu beantworten haben. Verpassen sie es, dies zu tun, werden es andere für sie erledigen. Definiert die Kinderuniversität sich selber, schützt sie sich vor Ignoranz gegenüber anderen Bildungsanbietern. Bestimmt die Kinderuniversität, wozu sie fähig ist und was sie nicht zu leisten vermag, begegnet sie jeder erfolgsverliebten Euphorie. Zeigt die Kinderuniversität, was sie ist, wirkt sie der Gefahr ihrer Zweckentfremdung aufgrund äusserer Zumutungen entgegen. Unterlässt sie es jedoch, nach der eigenen bildungspolitischen Relevanz zu fragen oder nach den Effekten auf die Lernprozesse von Kindern sowie nach ihrer Position im Bildungswesen, wird insbesondere die Öffentlichkeit weiterhin altbekannten und oft genüsslich tradierten Vorurteilen und Fehleinschätzungen auf der einen und übertriebenen Machbarkeitserwartungen auf der anderen Seite aufsitzen. Beide Pendelausschläge sind in der medialen Beurteilung der Kinderuniversitäten in vielerlei Ausdruck seit 2002 zu beobachten.“ [Grunder, Hans-Ulrich / Kinderuniversität und Schule : Klärungsversuch eines gespannten Verhältnisses. – In: Bildung und Erziehung, 63 (2010) 2, S. 241-259, hier: S. 242]

Das Interessante ist nun, dass diese Aussage auch für Öffentliche Bibliotheken gelten kann, obgleich sie nicht ganz so sehr im Mittelpunkt öffentlicher Berichterstattung stehen, wie Kinderuniversitäten. Aber gerade in den letzten Jahren, wo der Diskurs um Kompetenzen und Lebenslanges Lernen wieder einmal angeheizt wurde, hatten die Bibliotheken auch mit zu großen Erwartungen zu tun, die an sie gerichtet wurden (z.B. einen großen Beitrag zu sozialer Gerechtigkeit leisten zu sollen oder aber erfolgreiche Leseförderung zu betreiben, wenn Familie und Schule versagen). Und als Gegenposition fanden sich auch verstärkt eher negative Vorstellungen von Bibliotheken. Dazwischen haben sich die meisten Öffentlichen Bibliotheken und bibliothekarischen Verbände kaum reflektierend verhalten, sondern sind eher, wenn überhaupt, versucht gewesen, den „übertriebenen Machbarkeitsvorstellungen“ zu folgen bzw. sich auf diese zu beziehen. Insoweit gilt die Warnung von Grunder für Bibliotheken: wenn sie sich nicht reflektierend mit ihren Grenzen und Möglichkeiten als Bildungsorte beschäftigen, wird es jemand anders tun.
Weiterhin untersucht Grunder das Verhältnis von Schule und Kinderuniversität. Und wieder finden sich starke Parallelen zum Verhältnis von Schule und Öffentlicher Bibliothek (beispielsweise bei der Freiwilligkeit de Teilnahme an den Bildungsangeboten). Grunder formuliert zwei Thesen, die sich ebenfalls übertragen lassen:

„1. Die ‚Institution Schule‛ und die ‚Institution Kinderuniversität‛ stehen zueinander in einem labilen aber balancierbaren, auf ihren je spezifischen Funktionen und Aufgaben beruhenden Bezug.
2. Die Kinderuniversität ist dann eine anspruchsvolle Partnerin der Schule, wenn sie – über selbst-reflexive Prozesse, also die Genese von Forschungsergebnissen – veranschaulichen kann, was sie zu leisten vermag.“
[Grunder (2010) a.a.O., S. 243]