Der Sommer soll ja demnächst wirklich und kontinuierlich kommen, sagt man. Ausserdem ist Urlaubszeit, was den einen oder die andere Mitbloggerin und Mitblogger dazu verführt – neben all den anderen irgendwie Publizierenden – persönliche Sommerlektüretipps zu veröffentlichen. Immer schön subjektiv und oft auch leichtere Literatur. Halt solche, die man in den Zügen und Flughäfen, auf den Booten und Autobahnen genauso lesen kann, wie beim am Strand liegen, in Strassencafés sitzen, in den Bergen hin- und herwandern. Dieses Jahr drängt es mich, dem Genre auch etwas beizutragen, allerdings keine Einzelwerke, sondern gleich drei Verlage, deren Produktionen mir in den letzten Jahren immer wieder Spass machten, auch weil sie „vergnüglich zu lesen“ nicht mit „leicht und anspruchslos“ übersetzen.
Diaphanes-Verlag
Der Diaphanes Verlag sitzt in Zürich (mit kleinem Büro in Berlin, wie das halt bei weltläufigen Schweizerinnen und Schweizern offenbar üblich ist) und produziert kleine, kritische, bissige Bücher. Klein heisst wirklich: Von der Grösse her A6-Format, von der Seitenzahl oft 80-120 Seiten. Insoweit sind die Bücher oft längere Essays. Da aber auch die Preise bei 10 Euro / 14 Franken (empfohlen) anfängt, ist das zu vertreten.
Diese Essays sind immer komplex, immer kritisch und beschäftigen sich zuvorderst mit der Darstellung des Status Quo von Wissenschaft, Universität, Bildungssystem, Informations- und Kulturarbeit und Identität im aktuellen Kapitalismus sowie den Möglichkeiten des Widerspruchs gegen diesen Status Quo. Keine Ahnung, wo der Verlag immer wieder neue Autorinnen und Autoren auftreibt, die das auf sehr hoher intellektueller Ebene schaffen, aber das war und ist mir auch beim Merve-Verlag nie so richtig klar geworden.
Was die Bücher des Diaphanes-Verlags als Sommerlektüre eignet ist ihre Gedrängtheit. Sicher, man muss mitdenken, aber das ist auch gut so. Die Bücher führen vor, wie man Denken kann, ohne das gleich an Projekte, Praxistransfer etc. hin zu orientieren.
Kadmos-Verlag
Bekannter ist wohl der Kadmos-Verlag aus Berlin, der vor allem Kultur- und Medientheorie verlegt. Hier gibt es auch mehr Titel, die eher durchwachsen sind. Aber die Titel, die sich auf ein spezifisches Thema einlassen – beispielsweise „Katastrophen hören“ über die Darstellung von Katastrophen in den frühen Hörspielen – sind erstaunlich tiefgreifende Einblicke. Das sind immer wieder mutige Veröffentlichungen – zumeist Abschlussarbeiten, aber wann im Leben kommt eine Forschende oder ein Forschender sonst schon dazu, sich tiefgreifend mit einem Thema zu befassen?
Bibliothekarinnen und Bibliothekare sollten an diesen Bücher ein besonderes Interesse entwickeln, handeln sie doch meist von Medien, Mediengeschichte oder Wirkung von Medien.
Dabei beweist der Verlag auch immer wieder Witz, am offensichtlichsten wohl bei einem Buch über Fälschung und Original, dass aussieht, wie ein Suhrkamp-Taschenbuch (nur zu gross), welches sich der Verlag einfach als Reihe „Kadmos Wissenschaft“ aneignet.
Märkischer Verlag
Der Märkische Verlag aus Wilhelmshorst (bei Berlin, erkennen wir einen Zusammenhang?) steht hier vor allem wegen einem sehr mutigen und wichtigen Projekt, dass in jedem Fall Unterstützung verdient. Der Verlag hat vor einigen Jahren die eigentlich eingestellte Zeitschrift „Poesiealbum“ übernommen. Alle zwei Monate erscheint nun (wieder) im kleinen Format eine Sammlung von Poesie, immer von einer Lyrikerin oder einem Lyriker, mit kurzer Einführung und passender Graphik. In einer Zeit, in der sich Lyrik gar nicht mehr lohnen soll und auch die hochgejubelten Poetry-Slams nicht mehr so ziehen, wie sie es einmal – mit durchaus guten Auswüchsen – taten, ein grosser Lichtblick.
Sicherlich: Etwas auf Nummer sicher muss der Verlag schon gehen, deshalb erscheinen immer wieder Auswahlen längst bekannter Autorinnen und Autoren. Gottfried Benn ist als nächstes dran, Rose Ausländer gab es auch schon etc. Aber letztlich muss sich auch diese Zeitschrift verkaufen. Und dazwischen präsentiert sie immer wieder andere Gedichte. Alle zwei Monate mit ausgewählter Lyrik konfrontiert werden: Notwendig. Deshalb ist es wert, auch mal ein paar ältere Ausgaben des „Poesiealbum“ in den Sommer mitzunehmen und den kleinen Verlag auch bei den anderen Projekten zu unterstützen.
Geschrieben in der Transferzone, auf dem Weg zu den Strassencafés. „Sommer“ 2012.