Erstaunlicherweise kaum beachtet wurde bisher offenbar eine Studie der Arbeitsstelle Bibliothek und Schule des Büchereivereins Schleswig-Holstein, welche auf einer Fragebogenverschickung an alle Schulen in Schleswig-Holstein im Schuljahr 2007/2008 basiert und im im September 2009 veröffentlicht wurde. [Anonym (2009) / „Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein“ : Ergebnisse der Umfrage zum Stand von Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein. – (Bibliothek & Schule; Arbeits- und Informationsmaterialien, 4). – Rendsburg ; Flensburg : Büchereiverein Schleswig-Holstein e.V., 2009. – http://www.bz-sh.de/schule/doku/absah4.pdf] [1] Diese Studie erhebt den Anspruch, den Status Quo der Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein darzustellen. Sie liefert reichhaltiges Datenmaterial über diese Schulbibliotheken, welches in dieser Masse bislang nicht zugänglich war und eine Grundlage für weitergehende Entscheidungen bieten kann. Gleichzeitig zeigt die Studie insbesondere bei der Interpretation der Daten auch, wie falsch eine rein bibliothekspolitische Herangehensweise an solche Daten sein kann.
Was will man?
Wissenschaft und auch praxisorientierte Studien, welche wissenschaftliche Methoden verwenden, unterscheiden sich im Allgemeinen von Studien, welche vor allem dazu erstellt werden, um eine Meinung zu popularisieren oder die Arbeit einer Institution hervorzuheben bzw. zu befördern. Arbeitet man (geistes-)wissenschaftlich, folgt man einem wissenschaftlichen Ethos. Dieser Ethos beinhaltet, dass man, selbst wenn man als Forschende oder Forschender in den untersuchten Themenbereich involviert ist, die Forschungsfragen so anlegt und die Interpretation so vornimmt, dass nicht automatisch im Untersuchungsdesign ein vorhersehbares und erwünschtes Ergebnis der jeweiligen Studie angelegt ist. Vielmehr geht es bei einer wissenschaftlichen Untersuchung darum, eine Situation, eine Intervention oder eine Struktur in ihrer realen Ausprägung zu untersuchen. [Diese Aussagen müssten für Fragestellungen, die sich nicht auf gesellschaftliche Strukturen beziehen, selbstverständlich weiter abstrahiert werden.]
Eine Studie, wie die von der Arbeitsstelle Bibliothek und Schule vorgenommene über Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein, hätte dann zum Beispiel zu fragen, wie sich die Situation dieser Schulbibliotheken darstellt und wie die vorgefundene Situation zu erklären ist. Dabei kann immer davon ausgegangen werden, dass eine vorgefundene Situation auch ihre Gründe hat, die nicht einfach nur als Fehlen von Voraussetzungen verstanden werden kann. Das z.B. eine Schulbibliothek eher klein ist, kann seine Gründe auch darin haben, dass sich eine Schulgemeinschaft dafür entschieden hat – direkt oder indirekt –, diese Einrichtung in ihrer Schule nicht größer sein muss. Wer allerdings, wie dies diese Studie tut, die Interpretation der vorgefundenen Situation ausschließlich unter einem Defizitfokus vornimmt, bei dem am Ende herauskommt, dass die Arbeitsstelle selber und der Büchereiverein mehr Geld bekommen sollen, macht sich mehr als unglaubwürdig. Er vergibt auch die große Chance, zu verstehen, was für Bibliotheken Schulen wollen oder benötigen und damit auch die Chance – anstatt einfach nur bibliothekarische Vorstellungen auf Schulen übertragen zu wollen – Schulbibliotheken zu unterstützen, welche im jeweiligen Schulkontext entweder Lernräume, lernunterstützende Einrichtungen oder soziale Räume darstellen könnten.
Weil diese Studie das aber nicht beachtet, sondern – wie zu zeigen sein wird – vielmehr einen Fokus wählt, bei dem quasi jede real existierende Schulbibliothek als disfunktionale Einrichtung erscheinen muss, liefert sie zwar wichtiges Datenmaterial, aber leider nur wenige Aussagen über die tatsächliche Situation der Schulbibliothek in Schleswig-Holstein.
Daten
Die Studie basierte auf Fragebogen, welche an die 1701 Schulen in Schleswig-Holstein verschickt wurden. Der Fragebogen (in der Broschüre auf Seite 48f. abgedruckt) selber war relativ einfach gehalten und offenbarte auf den ersten Blick, dass es sich bei der Studie um eine einfache Abfrage von Werten zur Schulbibliothek handelte. Gleichzeitig zeigte der Fragebogen, dass die Funktion der Schulbibliothek hauptsächlich auf die Leseförderung beschränkt wurde, was der Breite der möglichen Einrichtungen, die als Schulbibliothek beschrieben werden können und der dort betriebenen Arbeit überhaupt nicht gerecht wird, sich aber unter Umständen aus dem bibliothekarischen Fokus erklären lässt – obgleich auch Öffentliche Bibliotheken weit mehr Aufgaben erfüllen, als das Lesenlernen zu unterstützen. Insoweit ist die Breite der möglichen Ergebnisse der Studie von vornherein durch den Fragebogen eingeschränkt.
Der Rücklauf betrug 36,8% oder 626 von 1701 Schulen, was für eine solche Umfrageformen ein relativ gutes Ergebnis darstellt. Anzunehmend ist, dass vor allem solche Schulen geantwortet haben, welche auch eine Schulbibliothek betreiben. Nicht gerechtfertigt ist die Vermutung der Arbeitsstelle, dass man die Werte über Schulbibliotheken aus den 36,8% beantworteten Fragebögen auf alle 1701 Schulen hochrechnen könnte. Vielmehr ist zu vermuten, dass diejenigen 496 Schulen (29,2%), welche antworteten, eine Schulbibliothek zu betreiben, tatsächlich den überwiegenden Teil der Schulen mit solchen Einrichtungen in Schleswig-Holstein darstellen.
Bei den zurückmeldenden Schulen lässt sich der schon oft geäußerte Verdacht nachweisen, dass vor allem Schulen, die zu höheren Bildungszertifikaten führen, Schulbibliotheken anbieten. Wie auch bei ähnlichen Zählungen ist festzustellen, dass Gesamtschulen und Gymnasien weit öfter Schulbibliotheken anbieten, als Realschulen, die wiederum auffällig öfter dieser Einrichtungen betreiben als Hauptschulen oder Sonder- und Förderschulen. Die Grundschulen betreiben – wie auch in Berlin [2] – prozentual weniger Schulbibliotheken, als die Gesamtschulen und Gymnasien, aber mehr als die Real-, Haupt- und Förderschulen, obwohl zu vermuten wäre, dass Grundschulen aufgrund der Schulbibliotheken zugeschriebenen Funktion als Einrichtungen der Leseförderung die meisten dieser Einrichtungen betreiben müssten. (S. 15)
Diese Ungleichheit setzt sich fort, betrachtet man die abgefragten Größen wie Bestand, Öffnungszeiten etc. Die meisten Schulbibliothek sind relativ klein (unter 2000 Medien). Allerdings sind in Schleswig-Holstein Schulen mit mehr als 500 Schülerinnen und Schülern auch eine Seltenheit. Gleichwohl lässt sich kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Schulgröße und der Größe der Schulbibliothek feststellen. Die Bibliotheken mit mehr als 4000 Medieneinheiten finden sich allerdings fast ausschließlich in Gymnasien und Gesamtschulen, so dass man von einem leichten Einfluss der Schulform auf die Größe der Schulbibliotheken ausgehen kann.
Erstaunlich ist die Zusammensetzung des Bestandes der Bibliotheken. 25% stellen Nachschlagewerke, 29% Sachbücher und 29% Belletristik dar, der Rest verteilt sich vor allem auf andere Medienformen, Zeitschriften, Zeitungen und Spiele. Es stellt sich die Frage, wozu eine so große Zahl von Nachschlagewerken vorhanden ist, obgleich ein Großteil des Faktenwissens heute anders und aktueller gefunden werden kann und die Ausbildung bei der Suche und Bewertung solchen Faktenwissens eigentlich zum schulischen Auftrag gehört. Werden diese Nachschlagewerke genutzt? Wenn ja, wie? Oder stehen sie eher aus habituellen Gründen in den Beständen?
Andere Werte bewegen sich im Rahmen dessen, was schon über Schulbibliotheken in Deutschland bekannt ist: der überwiegende Großteil des Personals sind Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler. Alle anderen Möglichkeiten, insbesondere ausgebildete Bibliothekarinnen und Bibliothekare, sind nur sehr selten vertreten. (Obwohl nicht gesondert nach der Ausbildung der tätigen Eltern gefragt wurde, welche ebenso über eine bibliothekarische und / oder pädagogische Ausbildung verfügen könnten.) Über 60% der Schulbibliotheken haben höchstens drei Stunden in der Woche offen, was ihre Nutzung als Stadtteilbibliotheks-ähnliche Einrichtung einschränkt und Fragen danach aufwirft, wie genau diese Einrichtungen ansonsten genutzt werden. 49% der Bibliotheken geben an, ohne jeglichen Etat auskommen zu müssen, was darauf hindeutet, dass ein beachtlicher Teil der Schulbibliotheken offenbar nicht die Aufgabe hat, die Lernenden mit neuern und neusten Medien zu versorgen, sondern andere Aufgaben haben muss, welche weitergehend zu erfragen wären.
Versäumt wurde leider in der Studie, die Schulen auf ihre soziale Zusammensetzung hin zu vergleichen. Dies wäre zwar aufgrund Datenschutzrechtlicher Bestimmungen schwierig, aber zumindest näherungsweise unter Einbeziehung von Daten des Statischen Landesamtes möglich gewesen. Da anscheinend auch in Schleswig-Holstein Schulbibliotheken oft von der Unterstützung durch die Eltern der Lernenden abhängig sind, kann man vermuten, dass sich Effekte der ökonomisch und sozial ungleich ausgestatteten Elternhäuser von Schulen in unterschiedlichen Gegenden auch in den Schulbibliotheken niederschlagen, was Fragen der Sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit aufwirft.
Interpretation: Wir wissen alles, wir wollen Geld
Die Daten, welche die Studie hervorgebracht hat, sind – trotz aller möglicher Kritik – nicht zu missachten, insbesondere nicht, wenn sie in den folgenden Jahren mit weiteren Umfragen fortgeschrieben werden. Allerdings beschränkt sich die Studie nicht darauf, diese Daten zu erheben, darzustellen, aus sich heraus zu interpretieren und weitere Fragen zu stellen. Ein solches Vorgehen hätte das Potential gehabt, die Situation der Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein so zu beschreiben, wie sie sich offenbar von einem großen Teil der über den jeweiligen Schulalltag entscheidenden Kräfte im Groben gewünscht wird. Zumindest hätte man nach diesen Daten die Frage stellen können, ob vielleicht immer nur ein Teil der Schulen überhaupt eine Schulbibliothek wünscht und dann vielleicht auch lieber eine kleinere Einrichtung. Es darf nicht vergessen werden, dass Schulen heute eine – obgleich finanziell sehr eng gesteckte – große Autonomie zugestanden wird bei der Gestaltung ihrer zusätzlichen Angebote. Insoweit könnte man auch vermuten – egal, was man persönlich oder als Arbeitsstelle des Büchereivereins davon hält –, dass unter Umständen nur ein Teil der Schulen eine Schulbibliothek für notwendig ansieht, während ein anderer Teil offenbar andere zusätzliche Angebote organisiert (die ja dann ebenso oft von Eltern und / oder Schülerinnen und Schülern mitgetragen werden).
Die Arbeitsstelle Schule und Bibliothek nimmt demgegenüber eine ganz andere Haltung ein und betrachtet die erhobenen Daten unter einem reinen Defizitfokus, indem sie ohne weitere Begründung implizit unterstellt, dass nur eine 100%-ig Abdeckung der Schulen mit Schulbibliotheken als Erfolg zu betrachten wäre und gleichzeitig die vorhandenen Schulbibliotheken sich an den Standards der Expertengruppe (jetzt Kommission) Bibliothek und Schule des Deutschen Bibliotheksverbandes zu orientieren hätten [3]. Der gesamte vierte Teil der Arbeit beschäftigt sich damit, die Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein mit diesen Standards zu vergleichen.
Dabei wird mit der Vermutung gearbeitet, dass einzig diese Standards eine funktionierende Schulbibliothek beschrieben würden. Gleichzeitig wird der Vorstellung gefolgt, dass Standards heutzutage zur Beschreibung der Qualität von Einrichtungen notwendig wären. Aber das ist beides so nicht haltbar. Standards eignen sich nur dann dazu, Qualität zu beschreiben, wenn sie offen genug sind, um den mit diesen Standards untersuchten Einrichtungen Entscheidungsmöglichkeiten offen zu lassen und nicht genau eine oder zwei Lösungen vorzuschreiben. Ansonsten stellen sie nur umformulierte (implizite) Vorschriften dar. Gleichzeitig müssen solche Standards begründet sein, also auch etwas ausdrücken und nachweisbar eine Aussage über Qualität zulassen. Das sich Personen, die sich berufen fühlen, zusammensetzen und Werte festlegen, welche sich bestenfalls auch ihrer Erfahrung ergeben, mag ein Anfang für einen Standard darstellen, ist aber für sich genommen noch lange nicht ausreichend. Zudem muss beachtet werden, dass über solche Standards immer auch Interessen mitvermittelt werden, insbesondere darüber, wie die jeweils anhand von Standards untersuchte Einrichtung auszusehen habe.
Ansonsten könnte jede und jeder Standards aufstellen und behaupten, Einrichtungen hätten sich an diese zu halten. Ich könnte das, genauer: ich tue das einfach mal. Weil ich ein Verfechter Freier Software und moderner Technologie bin und der Meinung anhänge, dass eine Schule und auch eine Schulbibliothek, eine möglichst hohe Qualität bei den zur Arbeit verwendeten Materialen und Hilfsmitteln aufweisen und gleichzeitig möglichst moralisch handeln soll, lege ich hiermit als Standard für Schulbibliotheken fest: eine Schulbibliothek hat mit mehreren Rechnern ausgestattet zu sein, die eines der quelloffenen Betriebssysteme verwenden und, wenn irgend möglich, Freie Software einsetzen. Ansonsten gilt eine Schulbibliothek als Einrichtung, die wichtigen moralischen und pädagogischen Grundsätzen nicht genügt. Nennen möchte ich das den Schuldt‘chen Linux-Schulbibliotheksstandard.
Das klingt vielleicht absurd: warum sollte ich einfach aus dem Nichts einen solchen Standard aufstellen können und warum sollte das jemand ernst nehmen? Nun, immerhin habe ich einen Grund für diesen Standard angegeben (ich bin der Überzeugung, der Freie Software technisch besser und zudem moralischer ist) und kann mich darauf berufen, einiges Wissen über Schulbibliotheken und über Freie Software gesammelt zu haben. Nimmt man jetzt diesen Standard und überprüft ihn in Schulbibliotheken, wird man wohl feststellen, dass ihn nur sehr wenige erfüllen. Ich könnte sie dann als nicht ausreichend ausgestattet Schulbibliotheken beschreiben. Selbstverständlich tue ich das nicht wirklich.
Das Problem ist aber, dass die Standards der Expertengruppe Bibliothek und Schule – welche in der Studie der Arbeitsgruppe Bibliothek und Schule verwendet werden – zumindest nach dem, was man aus den Publikationen nachvollziehen kann, ähnlich entstanden zu sein scheinen: Sie wurden von Expertinnen und Experten einzig aufgrund ihrer eigenen Erfahrung erstellt und nicht etwa wissenschaftliche oder anderweitig begründet. Dies wurde garantiert mit den besten Absichten getan, dabei aber doch verschwiegen, dass diese Standards allesamt vom Paradigma einer Schulbibliothek als Abbild einer Öffentlichen Bibliothek ausgehen – was der Vielfältigkeit der Schulbibliotheken nicht gerecht wird. Und das ist das wirklich Ärgerliche: die Standards der Expertengruppe sind so gefasst, dass nur Einrichtungen, die den Vorstellungen der Expertengruppe selber entsprechen, als vollwertige Schulbibliotheken gezählt werden. Und zwar ohne, dass die Expertengruppe darauf eingeht, dass es auch weit mehr und anders funktionierende Einrichtungen gibt, die sich Schulbibliothek oder ähnlich nennen und im jeweiligen Schulalltag eine wichtige Funktion haben. Wollte man Standards für Schulbibliotheken erstellen, müsste man genau aber das beachten: dass es sehr unterschiedliche Vorstellungen von den Aufgaben und Leitbildern dieser Einrichtungen gibt, dass diese unterschiedlichen Vorgaben allesamt ihre Berechtigung haben und das bislang eigentlich für keinen Standardwert, der auftaucht, wenn über solche Regelwerke gesprochen wird, eine mehr als anekdotenhafte Begründung vorliegt. Und diese Standards dürften dann nicht nur von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren – welche zudem oft keine pädagogische Ausbildung durchlaufen oder keine schulpraktische Erfahrung gesammelt haben – erstellt werden, sondern müssten auch Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Forschende aus den Erziehungswissenschaften und der Bibliotheks- und Informationswissenschaft gleichberechtigt in den Prozess der Erstellung einbeziehen.
Wenn jetzt allerdings die Arbeitsgruppe Bibliothek und Schule die Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein mit den Standards der Expertengruppe vergleicht, ist das Ergebnis auch schon vor Beginn dieser Arbeit vorherzusehen: die Schulbibliotheken genügen diesen Standards nicht und müssen offenbar mit viel Kraft und Geld umgebaut werden. Aber das ist im besten Fall eine Aussage über die – verständlichen – Wünsche der Arbeitsgruppe und des Büchereivereins, nicht über die Schulbibliotheken selber. Vor allem gibt es bislang keine Grund anzunehmen, dass Schulbibliotheken, welche den Standards der Expertengruppe entsprechen, tatsächlich als Einrichtung in den jeweiligen Schulen besser funktionieren würden, als die jetzigen Einrichtungen. Wenn zudem die Arbeitsgruppe implizit voraussetzt, dass ein vollständiges Schulsystem auch in jeder Schule eine Bibliothek erfordern würde – was wieder als Wunsch verständlich, als bildungspolitische Forderung denkbar, aber nicht aus dem deutschen Schulsystem und den Curricula der deutschen Schulen zu begründen ist – und zudem sich als einzigen tatsächlichen Ansprechpartner für Schulbibliotheken darstellt, was ebenso nicht stimmt, dann wird sehr schnell offensichtlich, dass der letzte Teil der Studie nicht dafür verwendet wurde, die Situation der Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein zu beschreiben; sondern vielmehr dazu da ist, die Diskurshoheit der Arbeitsgruppe über Schulbibliotheken zu behauptet und damit im Nachgang den Zugriff auf Geldmittel einzufordern. Auch das ist aufgrund der monetären Situation verständlich, aber es ist unbefriedigend und im Zusammenhang mit dieser Studie, die sich über weite Strecken wissenschaftlich gibt und – wie ja schon mehrfach erwähnt – auch interessante Daten zur Verfügung stellt, unredlich. All der Beratungsbedarf, der in der Studie konstatiert wird, würde ja in der präsentierten Konzeption darauf hinauslaufen, dass er durch den Büchereiverein organisiert würde.
Fazit
Die Studie „Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein“ : Ergebnisse der Umfrage zum Stand von Schülerbüchereien in Schleswig-Holstein ist ohne Frage, trotz all der Einschränkungen, die hier ausgebreitet wurden, eine wichtige Grundlagenarbeit. Man wünschte sie sich – trotz der eher einschränkend Kritik, die Günter Schlamp in diesem Blog vor einigen Monaten über Schulstatistiken gemacht hat –, dass sie auch in anderen Bundesländern unternommen würde, insbesondere kontinuierlich. So wäre es nämlich möglich, tatsächlich zu klären, ob und wenn ja wie, bibliothekarische Strukturen die Arbeit von Schulbibliotheken unterstützen oder nutzen könnten.
Allerdings müsste dafür auch akzeptiert werden – was die Daten dieser Studie auch nahe legen, aber dessen ungeachtet bei der Interpretation der Daten nicht getan wird –, dass es offenbar in Deutschland nicht die Tendenz gibt, in jeder Schule eine Schulbibliothek zu gründen und auch nicht die Tendenz, jede Schulbibliothek als kleinere Ausgabe einer Stadtteilbibliothek zu konzipieren. Das ist offenbar gar nicht notwendig. Schulen entscheiden – heutzutage mitsamt der engagierten Elternschaft und eigentlich auch der Schülerinnen und Schüler – darüber, ob und wie sie eine Schulbibliothek einrichten und nutzen. Dabei könnten sie unterstützt, teilweise auch Beraten werden. Und für eine solche Beratung liefert die Studie mit ihrer Methodik, bei den Schulen selber nachzufragen – so eingeschränkt der verwendete Fragebogen auch ist – einen guten Ansatzpunkt. Eine Interpretation allerdings, welche die Vorstellung bibliothekarisch Engagierter als alleinige Grundlage zulässt und die in der Konzeption und Ausstattung der realen Schulbibliotheken zum Ausdruck kommenden Vorstellungen der Eltern, Lehrenden und Lernenden, die ja mit den vorhandenen Einrichtungen arbeiten und sie konzipieren, ignoriert, ist dagegen ein Weg weg von den realen Schulbibliotheken und ihren Nutzerinnen und Nutzern. Unter Beachtung dieser Einschränkungen wäre es dennoch angebracht, wenn die Studie auch anderswo rezipiert werden würde.
Fußnoten
[1] Neben einer kurzen Meldung in der BuB, die untergründig auch die Zentralisierung der Schulbibliotheksentwicklung propagiert, ohne dafür einen Grund anzugeben (http://www.b-u-b.de/Aktuell/nachrichten.shtml), gab es einen kurzen Hinwies im Blog informationskompetenz.de (http://infokompetenz.de/node/274), eine kurze Erwähnung bei Günter Schlamp im Rahmen weiterer Ausführungen über Schulbibliotheken in Schleswig-Holstein (http://basedow1764.wordpress.com/2009/09/10/bemerkenswertes-aus-schleswig-holstein/) sowie einer länger Besprechung auf dem Bildungsserver (http://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=journal&lid=934), welche allerdings hauptsächlich auf die Leseförderung als Aufgabe von Schulbibliotheken abhebt.
[2] Vgl. Schuldt, Karsten (2009) / Schulen und Schulbibliotheken in Berlin, 2009. http://www.divshare.com/download/7214782-286
[3] Vgl. http://www.schulmediothek.de/index.php?pfad=/organisation_praxis/&nonav=nein
So wie bei „Des Kaisers neue Kleider“ – bloß jahrelang andauernd. Hoffentlich kommt auch hier irgendwann ein Kind vorbei. Und wenn danach Kommunikation auf gleicher Augenhöhe möglich sein sollte, dann ist die Kooperation mit der Öffentlichen Bibliothek auch wieder gut – wo sie aus freien Stücken erwünscht ist.