Eine fast schon brachiale Form der Datensammlung stellen Intan Azura Mokhtar und Shaheen Majid vor. [Mokhtar, Intan Azura ; Majid, Shaheen (2006) / An exploratory study of the collaborative relationship between teachers and librarians in Singapore primary and secondary schools. – In: Library & Information Science Research 28 (2006) S. 265-280] Ihre Frage, wie und ob Lehrerinnen/Lehrer und Schulbibliothekarinnen/-bibliothekare in Singapore zusammenarbeiten, scheint das erste Mal gestellt worden zu sein. Zumindest können sie auf keine größeren Daten zurückgreifen, sondern sind gezwungen, ganz von vorne zu beginnen.
Deshalb beschränken sie ihre Studie auf eine fragebogengestützte Umfrage, deren Erstellung sie wie folgt umschreiben:
„The questionnaire was developed by the first author (researcher), based on other instruments that were developed for similar purposes. A pilot study was carried out with ten respondents who were teachers or former teachers. The pilot study was useful for the researcher to identify possible problems with regard to the questions involved, and to improve the questionnaire.“ [270]
Das heißt, ähnlich Studien wurde herangezogen und aus diesen eine Umfrage formuliert. So recht sauber ist das nicht. Die meisten herangezogen Umfragen waren aus den USA und die dortigen Schul-, Bibliotheks- und Schulbibliothekssysteme lassen sich nicht einfach mit denen in Singapore vergleichen. Letztlich besteht die Gefahr, sich durch die Formulierung der Fragen die Ergebnisse praktisch selber zu schreiben, da die Fragen und Bewertungsfaktoren nicht im eigentlich untersuchten System verankert sind. Um es praktisch zu sagen: wenn ich eine ähnliche Vorgehensweise in Deutschland anwenden würde und als Frage beispielsweise stellen würde: „Wie sehr ist die Schulbibliothek in den Unterricht eingebunden?“ und als Antwortmöglichkeiten „Viel, Etwas, Wenig, Kaum, Gar nicht“ angeben würde, würde ich durch die Formulierung der Frage ungleich bessere Ergebnisse provozieren, als ich bei der gleichen Frage in den USA erhalten würde. Der Grund ist einfach, dass die Antwortenden von einer gänzlich unterschiedlichen Vergleichsbasis ausgehen würden. In Deutschland wäre es richtig, bei einer Schulbibliothek, die einen Beschaffungsetat hat, welcher nach der Wertigkeit der Fächer der jeweiligen Schule gestaffelt ist, von einer übermäßig in den Schulalltag eingebundenen Bibliothek auszugehen. In den USA wäre eine Schulbibliothek, die nur einen solchen gestaffelten Etat angeben könnte, kaum als Teil der Schule anzusehen, im Gegensatz zu anderen US-amerikanischen Schulbibliotheken. [Okay, das liesse sich weiter ausführen, da ich meine Magisterarbeit über Schulbibliotheken geschrieben habe. Aber es führt vom Thema weg.]
Das Problem bei der von Mokhtra und Majid durchgeführten Studie liegt vor allem darin, dass sie nicht von der untersuchten Materie (die Schulbibliotheken in Singapore) her entwickelt, sondern auf diese praktisch aufgesetzt wurde. Sie wurde vor ihrer endgültigen Anwendung immerhin einem Pretest unterzogen, was in Deutschland wegen der relativ wenigen Schulbibliotheken praktisch gar nicht möglich wäre. Außerdem verorten Mokhtar/Majid ihre Studie und deren Ergebnisse so gut es möglich ist im lokalen Schulsystem. Letztlich wäre eine andere Form von Studie vielleicht zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht anders möglich. Immerhin ist es die erste, die sich für Singapore diesem Thema widmet.
Die generierten Daten ermöglichen immerhin einen Überblick zur personellen Ausstattung der Schulbibliotheken in Singapore und ihrer Einbindung in der Schulalltag und somit eine Basis für weiter Forschungen. Zwei Ergebnisse stechen dabei heraus.
Erstens verliert sich der Willen zur Zusammenarbeit mit der Schulbibliothek offenbar mit steigendem Bildungskapital. Je höher der Abschluss der Lehrerinnen/Lehrer war, desto weniger waren sie bereit, mit den Schulbibliothekarinnen/-bibliothekaren zusammenzuarbeiten. [Wobei darauf hingewiesen wird, dass die meisten Schulbibliothekarinnen/-bibliothekare in Singapore selber einen niedrigen Abschluss haben.]
Zweitens entsprechen die Vorstellungen, die sich von Schulbibliotheken in der bibliothekarischen Literatur gemacht werden, den Vorstellungen der Lehrerinnen/Lehrer so gut wie gar nicht. Teil der Studie war die Bewertung normativer Aussagen aus der Fachliteratur durch Lehrende. [z.B.: „Working closely with the school librarian to plan lessons will make my lessons more interesting, effective and enriching“, „The school librarian is dynamic, resourceful and open to new ideas“] Diesen wurde zwar nicht wirklich oft widersprochen, aber wenn man den „Güte-Effekt“ – also den Effekt, dass solche Aussagen von Individuen positiver beantwortet werden, als sie diese eigentlich selber sehen, wenn sie offensichtlichen Normen entsprechen – dann sind die positiven Antwortraten von 30,3 bis 77,3% auffällig gering.